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AC/DC: Der ewige Triebwagen

Foto: © John Gress / Reuters/ REUTERS

AC/DC-Album "Rock or Bust" Neues Alteisen fürs Volk

Eine bewährte Marke tut gut daran, ihren Kern unangetastet zu lassen. Oder, wie der Gitarrist Angus Young es einmal viel besser formulierte: "Wenn man nicht nach fünf Sekunden unerschütterlich erkannt hat, dass es ein Song von AC/DC ist, ist es kein Song von AC/DC".

Demnach handelt es sich beim aktuellen Album "Rock or Bust" eindeutig um ein Album von AC/DC. Schon nach fünf Sekunden denkt man erstmals: "Jawohl, das ist AC/DC". Ein Eindruck, der sich im Folgenden etwa alle fünf Sekunden aktualisiert: "Alles klar, AC/DC … sieh an, AC/DC … yepp, noch immer AC/DC".

Nun ist so eine unverkennbare Handschrift nur um den Preis der Originalität zu haben. AC/DC klingen 2014 nicht wesentlich anders als 2004, 1994 oder 1984. Wie bei den wesensverwandten und ähnlich konservativen Motörhead muss man sich durch viele Stunden sehr lauter Musik hören, bis endlich ein halbwegs origineller Ton des Weges kommt. Was nicht weiter verwerflich ist. Wer an einer Bierdose nippt, möchte auch nur ungern plötzlich "etwas Originelles" schmecken.

Umso bedenklicher waren für den Fan zuletzt die personellen Turbulenzen in der Chefetage des australischen Unternehmens. Schlagzeuger Phil Rudd, ohnehin nicht der sanftmütigste Zeitgenosse, verhedderte sich in einen Konflikt mit der neuseeländischen Justiz und wurde ausgemustert. Schwerer schon traf die Gruppe der demenzbedingte Ausstieg von Malcolm Young, der mit seiner Gretsch seit 40 Jahren den unverwechselbaren Klang von AC/DC definierte.

Für dynastischen Ersatz ist bereits gesorgt. Mit Stevie Young springt der Neffe von Malcolm und Angus Young an der Rhythmusgitarre ein - die Mimikry ist perfekt, der Verlust fällt zumindest klanglich nicht ins Gewicht. Zumal alle Songs auf "Rock or Bust" auf vorsichtshalber früher schon archivierten Riffs beruhen und Brian Johnson, auch schon 67, seinen unverändert keifenden Knödelgesang beisteuert.

Das Album ist also auch eine Entwarnung: Wie ein Güterzug voller Testosteron und ohne Triebwagen rockt und rollt diese Gruppe mit Macht und Momentum einfach weiter. Die Strecke ist abschüssig, locker reicht der Schwung für eine weitere Welttournee, bereits gebucht für 2015.

Eingespielt wurde die neue Platte in nur vier Wochen und klingt tatsächlich, als könnten AC/DC auch zwölf davon im Jahr veröffentlichen. Es gibt viel harten Rock, ein wenig hüftsteifen Boogie, Andeutungen von Funk und wieder keinen Hit und keine memorable Melodie im Stil von "T.N.T." oder "Highway to Hell". Darum aber geht es bei dieser Gruppe schon lange nicht mehr.

Es geht um den puren Klang wohl kalkulierter Aufsässigkeit, der als ehemals proletarische Chiffre für anspruchslosen Hedonismus längst in der Mitte der Gesellschaft heimisch geworden ist. Wer den Hansdampf gibt, der wird sich zur Entspannung kaum Etüden von Claude Debussy anhören - sondern eben Dampf ablassen wollen. Folgerichtig inszenierten sich einst, wir erinnern uns, auch politische Luftgitarristen wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Joschka Fischer ganz volkstümlich als AC/DC-Fans.

Denn volkstümlich ist dieses musikalische Alteisen geblieben. Beschworen werden die einfachen Freuden und kleinen männlichen Fluchten. Immer wartet irgendwo eine Frau, während man "das Haus rockt". Hier reimt sich "driving in my car" noch auf "heading for the local bar" und "tonight" auf "will be allright". Kumpelige Texte zum euphorischen Mitgrölen, wie ein Bruce Springsteen sie noch im Delirium tremens zu schreiben imstande wäre - und Soli, wie Status Quo sie auf Steroiden auch noch zuwege brächten. Bewährte Musik also, um sich dazu auf der Heimfahrt von der "local bar" im klapperigen Ford Fiesta um einen Baum zu wickeln.

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