Amtlich Special Die wichtigsten Metal-Alben des Monats

Endlich. Die Dezember-Sonderausgabe von "Amtlich" geht in Runde zwo. Neu mit dabei: Acht Männer, die besonders breitbeinig auftreten. Drei davon spielen bei Vanderbuyst, fünf bei Züül. Dann das Album des Monats von Year Of The Goat. Und wir verlosen Sammlerstücke!
Von Thorsten Dörting, Boris Kaiser und Jan Wigger
Year Of The Goat aus Schweden: Sollte man mal gehört haben. Nee, echt jetzt.

Year Of The Goat aus Schweden: Sollte man mal gehört haben. Nee, echt jetzt.

Foto: Thorsten Dörting

Liebe "Amtlich"-Freunde und -Hasser, okay, machen wir's kurz: Dies ist Teil zwei unserer Dezember-Ausgabe, deren erster Teil am Montag vergangener Woche erschienen ist.

1. Ja, hier gibt's die versprochene Verlosung.

2. Ja, wir haben die drei Alben besprochen, die wir letztes Mal angekündigt hatten: Year Of The Goat, Züül und Vanderbuyst.

3. Ja, wir werden künftig öfter mal neue Alben bei "Amtlich" streamen. Zum Beispiel gleich im Januar: "Target Earth" von Voivod.

4. Und jetzt zur Bescherung.

Wir werfen zehn kleine, aber feine Pakete mit Sammlerstücken von Bands aus dem Hause Ván Records unters Volk. Darin finden sich zum Beispiel: Original-Testpressungen von Alben, rare Vinyl-Singles, ausverkaufte Platten, Shirts usw. Mehr verraten wir nicht. Nur noch dies: Falls möglich, versuchen wir ein wenig auf die Wünsche der Gewinner einzugehen.

So. Ganz für lau gibt's die schönen Sachen aber nicht.

Schreiben Sie uns bitte an diese Adresse eine Mail  , in der Sie begründen, warum ausgerechnet Sie so ein Ván-Paket verdient haben. Diese Begründung darf so ziemlich alles sein: witzig, bizarr, traurig, gereimt usw. Aber sie darf nur maximal eine Länge von 140 Zeichen haben, so wie ein Tweet. Wir sind ja im Internet hier und daher sehr modern.

Wir küren dann zehn Gewinner.

Viel Glück und bis denne!

P.S. Ja, wir haben uns erneut verspätet. Aber nicht nur wir waren im Stress, sondern auch der Boss von Ván Records, dessen Zeugs wir hier besprechen und verlosen. Unerreichbar der Mann...

Year Of The Goat - "Angels' Necropolis"
(Ván/Soulfood)

Als der schwedische Ministerpräsident Peter Arras Feodor Kamprad  am 18. Oktober des Jahres 2033 um 15:37 Uhr auf den roten Knopf drückte, um das lange Zeit unentdeckt gebliebene Atomraketen-Arsenal seines ehemaligen Pazifistenmusterländles in Richtung britische Inseln abzufeuern und sich die Erde durch den nuklearen Schlagabtausch innerhalb von nur 23 Minuten in einen gigantischen Feuerball verwandelte, dessen Flammen alles Leben auf dem Planeten verschlangen, guckte Gott im Himmel ziemlich käsig aus der Wäsche, während der Olle in der Hölle die Korken knallen ließ. Luzifer hatte gewonnen, endgültig.

In den drei Monaten zuvor hatte sich die Weltlage dramatisch zugespitzt, und zwar zur großen Überraschung aller geopolitischen Experten - denn die Chinesen galten als zu satt für einen Krieg, die Amis als zu arm, die Russen als zu sensibel, die Deutschen als zu doof und die Iraner als zu lebenslustig. Seinen Anfang nahm das Ende der Menschheit jedoch in Großbritannien, was einige Kulturpessimisten ja schon immer befürchtet hatten, aber aus anderen Gründen (Miniröcke bei minus 13 Grad, Premier-League-Kommerzkack, Investment-Banker).

Was war geschehen?

Am 9. Juli des Jahres 2033 hatte der gerade neu ins Amt gewählte britische Premierminister Wayne Rooney die Monarchie abgeschafft, weil der Volkszorn schlicht nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Der Unmut der Briten richtete sich gegen den designierten Thronfolger, Prince Kevin Charles "Jug Ears" William Mountbatten-Windsor, den Sohn von King William und dessen Gattin Kate (née Middleton), der im Jahr 2013 geboren worden war - - und nun zu einem jungen Mann im Alter von 20 Jahren herangereift war, der überall nur als dämliche, egomanische Mimose galt.

Sein Studium an der britischen Militärakademie Sandhurst hatte der vom strengen Soldatendasein schnell überforderte junge Mann bereits im Jahr zuvor hingeworfen, um ein Praktikum in einem Öko-Blumenladen in dem Provinzkaff Wimpburgh zu machen, der in Gedenken an seine Oma auf den Namen "England's Rose" getauft worden war. Mit der Inhaberin Bertrice Cunningham, einer 67-jährigen Floristin, begann der erst 20-jährige Königsspross prompt eine Affäre, die jedoch - genau wie seine berufliche Karriere - im Desaster endete. Denn obwohl seine Angebetete ihm stets treu war, rastete der eifersüchtige Royal regelmäßig aus und quälte Bertrice, indem er sie mit Kakteen in die Kniekehlen piekste, um die alte Schachtel zu einem Geständnis über ihre - angeblichen! - amourösen Eskapaden mit Robbie W., 58, zu zwingen, einem verarmten Alleinunterhalter, den Bertrice in der örtlichen Seniorendisko kennengelernt hatte, wo er sich als Türsteher verdingte.

Nach der Trennung versank Prinz Kevin in Depressionen, und verfiel, unter dem Einfluss starker Psychopharmaka, auf die fragwürdige Idee, sein angeknackstes männliches Ego im wahrsten Sinne des Wortes dadurch aufzurichten, indem er die Hauptrolle in einem Pornofilm übernahm. Der Streifen, unter dem Titel "Fucking Brit Poppers" eigentlich exklusiv für die Führungmannschaft der Yakuza-Filiale Tokio-Ost gedreht, fand über dubiose Kanäle den Weg in den Westen und gelangte schließlich in die Hände des Herausgebers des britischen Revolverblattes "The Sun", das gerade von einem deutschen Medienkonzern übernommen worden war.

Der neue Boss der Zeitung, der schon in frühen Berufsjahren im deutschen Boulevardgeschäft gestählte Kay Ickmann, knallte den Prinzen-Porno-Skandel auf die Titelseite, und illustrierte ihn mit einem instinktsicher ausgewählten Standbild aus "Fucking Brit Poppers". Das Foto zeigte den nackten Thronfolger, wie er sich anschickte, seinen erstaunlich großen kleinen Prinzen in einer zierlichen japanischen Sex-Actrice zu versenken, die auf allen Vieren vor ihm kniete (sie immerhin war mit einem schwarzen Augenbalken anonymisiert). Die Schlagzeile lautete: "She looooves King Size!"

Oh my fucking god.

Die Debatte in der britischen Öffentlichkeit über die Gründe für den Untergang des Königshauses wuchs sich rasch zu einem Akt nationaler Selbstkasteiung aus, die dem Nationalstolz des Inselvolkes irreparaplen Schaden zuzufügen und schließlich gar das Fundament des Staates zu zerstören drohte. Die gesellschaftlich-politische Elite begriff schnell, was auf dem Spiel stand und reagierte: Ein Sündenbock musste her.

Und den lieferte Kay Ickmann höchstpersönlich, obwohl er selbst doch den Skandal ins Rollen gebracht hatte. In einem Leitartikel für "The Sun" breitete der als teutonic tank gefürchtete Import-Journalist aus Deutschland nun eine steile These aus: Der Schwede Thomas Eriksson, "so ein Metal-Moppel-Zottel", sei schuld am Tod der britischen Monarchie. Denn allein Erikssons Musik sei verantwortlich dafür, dass Kevin Charles "Jug Ears" William Mountbatten-Windsor, der peinliche Porno-Prinz, bereits als Vollpfosten auf die Welt gekommen war - damals, im Jahr 2013.

Fotostrecke

Vàn Records: Hartes aus Herzogenrath

Foto: Ván Records / Pim Top

Ickmanns abenteuerlich anmutende Argumentation wirkte auf bizarre Weise schlüssig, ja sogar kompetent, denn er tauchte mit großer Kennerschaft hinab in die tiefsten Tiefen der Rockgeschichte, um von dort eine verschüttete Perle zurück ans Tageslicht zu holen: "Angels' Necropolis". Ende des Jahres 2012 hatte Year Of The Goat, die zuvor nur in Szenekreisen bekannte Band Thomas Erikssons, eben dieses Album veröffentlicht. Ein "Meisterwerk", wie Ickmann schrieb, das die damalige Musikkritik mit Genrebegriffen wie "Okkult-Rock", "psychedelisch angehaucht" oder "Black Widow mit ordentlich Wumms" lobte. Die Einflüsse der Band verorteten die Kritiker routiniert in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern des 20. Jahrhunderts - ein Retro-Werk also, wenn auch brillant.

Dieses Urteil sei nun zwar nicht falsch, führte der Boulevard-Veterean Ickmann mit der Gespreizheit eines fachkundigen Feuilletonisten aus, doch es greife eben doch zu kurz. Denn die Qualität des Albums erweise sich - wie bereits bei der Debüt-E.P. "Lucem Ferre" - erst bei "allergenauestem Hinhören!". Die Musik von Year Of The Goat sei "ungemein facettenreich, vor allem aber sei sie nicht nur eine rückwärtsgewandte Verneigung vor musikhistorischen Vorbildern", sondern eine "kompositorisch und konzeptionell sehr gelungene Synthese und Weiterentwicklung". Auch progressive, psychedelische Elemente finde man hier allerorten, sicher - die an Sakralmusik gemahnenden Langstücke "Thin Line Of Broken Hopes", "Voice Of The Dragon" oder das Titelstück stünden exemplarisch dafür. Aufgelockert würden diese aber durch federleichte, sehr gut bekömmliche Songs mit "fesselnden, oft bittersüßen Pop-Melodien, die von der melancholischen, fast zärtlichen, stets jedoch kraftvollen Stimme Thomas Erikssons getragen werden".

Somit dränge sich das Urteil auf, resümierte Ickmann, der Musikfreund höre hier "etwas in dieser Form Unerhörtes, eine Art Abba-Musical für Atheisten, Agnostiker und Anhänger Luzifers, nur mit analogem Gitarrengeknarze". Und genau das sei der "wahre Grund, warum sich dieses Ende 2012 erschienene - im Jahr 2033 ja leider fast völlig in Vergessenheit geratene - Meisterwerk zu einem der erfolgreichsten Alben des Jahres 2013 entwickeln konnte".

Und damit gelangte Kay Ickmann endlich zu seinem zentralen Argument (das auf einem eher holprig konstruierten Wortspiel fußte).

1. Der Erfolg von "Angels' Necropolis" hat das Jahr 2013 zum Jahr dieser Band gemacht - sozusagen zum Year Of The Goat, zum "Jahr der Ziege".

2. Das "Jahr der Ziege" ist eines von zwölf im Zyklus der chinesischen Astrologie.

3. Das astrologische Jahr bestimmt den Charakter eines Menschen.

4. Der peinliche Porno-Prinz hat mit seinem miesen Charakter die britische Monarchie zerstört. Er wurde 2013 geboren - im "Jahr der Ziege".

5. Ursprünglich war 2013 das Jahr der Schlange. Weil die Band Year Of The Goat das Jahr 2013, also das Geburtsjahr des Prinzen, aber mit ihrem Erfolg zu einem "Jahr der Ziege" gemacht hat, ist sie für seinen miesen Charakter verantwortlich. Und damit schuld am Untergang der britischen Monarchie.

Beispielhaft zitierte Kay Ickmann dann Standardwerke der chinesischen Astrologie, die aufschlüsselten, welche Charaktereigenschaften Menschen zugeschrieben werden, die in einem "Jahr der Ziege" zur Welt kommen. Selbst die stiernackige Stammleserschaft der "Sun" kapierte sofort die Parallelen zum peinlichen Porno-Prinzen.

"Beruflich fällt es im Jahr der Ziege Geborenen oft schwer Disziplin und Ordnung zu halten." "Sie brauchen ständige Liebesbeweise und werden schnell eifersüchtig."

"Gesundheitlich neigen Ziegen zur Depression."

"Unless asked, they won't ever volunteer for anything and act as the leaders. Good career choices for goats are pediatrician, actor, daycare teacher, interior designer,  florist, hair stylist, musician, editor, illustrator and art history teacher."

Seine perfide Beweisführung krönte Eickmann mit der raunenden Vermutung, Year Of The Goat hätten "wohl im Auftrag meist sehr dunkler, kalter Mächte" gehandelt - was die Boulevardpresse in Schweden, dem Heimatland der Band, sofort als Unterstellung missdeutete, der schwedische Staat habe den Sturz des britischen Königshauses herbeigeführt, und zwar absichtlich. Die schrille Schlacht zwischen den Boulevardblättern beider Länder wuchs sich schnell zu einer diplomatischen Krise aus, die ebenfalls rasant eskalierte und mit dem Druck auf das rote Knöpfchen endete, genau wie unsere Welt. (Gesamtwertung: starke 9) Thorsten Dörting

Anspruch: Die Neuerfindung des Retro-Rades. (9)

Artwork: Das Sigill Luzifers, des gefallenen Engels, vor einem schwarzem Hintergrund, gehalten von zwei niederrangigen Kollegen. So schlicht und edel kann die Erde gerne untergehen. (8,5)

Aussehen: Wäre ich der Herr der Hölle, ich hätte attraktivere Mitarbeiter(innen) mit der Aufgabe betraut , meine PR-Botschaft hinaus in die Welt zu tragen. Thomas Eriksson ist zwar ein sehr netter, aber auch ein sehr kugelrunder Mann, genau wie Keyboarder Pope, der Rest der Band liegt in optischer Hinsicht im Szenedurchschnitt. Andererseits spricht die Entscheidung, die körperlich leicht benachteiligten Herren für eine sensible Position im grellen Licht der Öffentlichkeit auszuwählen, für den fortschrittlichen Geist Luzifers - und damit für den aufgeklärten Neo-Satanismus in der Tradition Nietzsches, der ja im Christentum das wahre menschenfeindliche Unterdrückungsinstrument erblickt. (8)

Aussagen: F.N. said: "Zum Christentum wird man nicht geboren, man muß dazu nur krank genug sein." (10) Thorsten Dörting

Männer, macht die Beine breit! - Vanderbuyst und Züül

Vanderbuyst - "The Flying Dutchmen"
(Ván/Soulfood)

Züül - "To The Frontlines"
(High Roller Records)

Während Boris "Bubsi" Kaiser werktags die journalistische Glaubwürdigkeit seines in Dortmund ansässigen Arbeitgebers mit dem frivolen Drehen feuilletonistischer Locken auf Götzens Glatze leichtfertig aufs Spiel setzt, reist er am Wochenende regelmäßig in die deutsche Hauptstadt, wo er sich im Spa des Adlon zunächst die letzten Spuren echten Malochergeruchs mit Bio-Öl von weißen Trüffeln aus dem Latium (siebeneurofuffzich der Milliliter) aus den Poren rubbeln lässt, um danach vor den versammelten Alphatierjournalisten der Berliner Republik seine eitlen Wortkunstexperimente zu rezitieren (siehe Attic-Review). Tja, liebe Leute - der Metal wäre längst tot, müsste er sich auf Verbündete wie ihn verlassen. Aber zum Glück verteidigen ja andernorts - etwa in Carbondale, Illinois oder in Holland - standhafte Männer eine sehr simple Wahrheit: Handwerk hat noch immer goldenen Boden, zumindest im moralisch-musikalischen Sinne.

Dass nun mit Vanderbuyst und Züül ausgerechnet drei Holländer bzw. fünf US-Amerikaner besser als unser Ruhrpott-Kaiser begriffen haben, was ein bodenständiges, geerdetes Arbeitsethos ist und wo genau des Metallwerkers Herz am rechten Fleck sitzt, mag überraschen. Denn der Kaaskopp an sich trägt ja von Geburt an Oranje und die Nase viel zu hoch, während der Ami an sich das Begriffspaar "Arbeit" und "Ethos" zwar kennt, aber nur so, wie es ihm jeden Sonntag in seiner evangelikalen Kirchengemeinde gedeutet wird, nämlich nicht als Aufforderung ehrliche, saubere Handarbeit abzuliefern, sondern als Gebot, jeden Tag bis zur Besinnungslosigkeit zu knechten, damit Gott ihn lieb hat findet.

Aber mittlerweile - Kollege Kaiser ist beileibe nicht das einzige Negativbeispiel - scheinen ja sogar die Holländer und die Amerikaner den Deutschen in Sachen grundanständigen Malochertums den Rang abgelaufen zu haben. Verwundern kann das natürlich kaum, denn weder das holländische noch das US-amerikanische Volk sind dem moralzersetzenden Wirken eines Peer Steinbrück ausgesetzt. Der Mietmund und Linksschauspieler von der SPD verlangte kürzlich sogar von einer Supermarkt-Kassiererin ein fünfstelliges Vortragshonorar, weil er sie beim Bezahlen versehentlich angerülpst hatte; ein Gebaren, mit dem Steinbrück das sozialdemokratische Kernversprechen halbwegs gerechter Einkommensstrukturen derart lustvoll verspottet, wie er es sonst nur mit Fragestellern im Fernsehen tut, wenn bei einem Interview mal wieder so ein dahergelaufener Mikrofonhalter von ARD oder ZDF nicht begreifen will, warum nur der Peer allein weiß, wie die Sache hier jetzt zu wuppen ist, und zwar egal welche.

Die demonstrative Gesinnungsbreitbeinigkeit von Silverback Steinbrück spricht übrigens dafür, dass er über Gen-Material verfügt, mit dem er auch Macker-Mucker wie den Züül-Bassisten Bob Scott oder den Vanderbuyst-Chef Willem Verbuyst gezeugt haben könnte, die ja bekanntlich beide in Waisenhäuser aufwachsen mussten, und deren Eltern bis heute nicht bekannt sind. Dass die zwei Früchtchen aus Peer Steinbrücks Lenden sein könnten, ist - zugegeben - eine ungewöhnliche Hypothese, zu der aber der berühmte Vergleich aus dem Munde von Old Stonebridge passt, mit dem der SPD-Rittmeister die in ihrer Steueroase nach deutschem Hinterziehergeld lechzenden Schweizer mit Indianern gleichsetzte, deren räuberisches Treiben man endlich beenden müsse, wie einst mit der "siebten Kavallerie vor Yuma, die man ausreiten lassen kann." Aus solchen Sätzen spricht eine Dickhodigkeit, dass man schon glauben will, Scott und Verbuyst stammten von Steinbrück ab. Dagegen spricht dann aber doch ein Charaktervergleich der drei Herren: Dem vermeintlichen Papa Peer geht die (in ihrem Fall musikalisch verbürgte) An- und Bodenständigkeit von Bob Scott und Willem Verbuyst ab, den beiden Musikern fehlt dafür Peer Steinbrücks Hang zum Karrierepragmatismus, und der sieht in Blue Jeans außerdem kacke aus.

Daher folgen wir der These, die kürzlich das wissenschaftliche Fachblatt Journal Of Genetics & Medical Musicology in einem von seiner Stammleserschaft (A. Himmelstein, F. Silbereisen und "der Irre von der Esso-Tanke") vielbeachteten Artikel vertrat. Demnach soll der niederländische Breitbeinmucker Verbuyst der Sohn einer Erotikdienstleisterin aus Amsterdam sein, die sich mit sexualgymnastischen Höchstleistungen ihr Berufspseudonym "Spagaat Konigin" hart erarbeitete, und die Ende der Siebziger aufgrund mangelhafter Arbeitsschutzvorkehrungen beim Geschäftsverkehr mit dem Rockmusiker Michael S. aus Hannover einen Unfall hatte ("Oh nee! Condoom gescheurd!!!"), als dessen Spätfolge neun Monate eben dieser Willem Verbuyst auf die Welt kam, der seine Hardrocker von Vanderbuyst mit seinem glorreichen Seventies-Gitarrengezocke nun zu ihrem dritten Album geführt hat.

Züül-Mann Bob Scott, der in Sachen breitbeinigen Musizierens dem Niederländer in Nichts nachsteht, verdankt seine Existenz - und damit auch sein Talent - hingegen einem Experiment des bereits in jungen Jahren sehr innovationsfreudigen Rick Rubin, der als Teenager einem Trödler einen alten Filmhut von John Wayne abluchste und aus einem darin gefundenen Haar etwas DNA-Material extrahierte, um damit Linda Di'Anno künstlich zu befruchten, die in Kalifornien lebende Schwips-Cousine siebten Grades von Paul Di'Anno, deren Gebärmutter Rubin damals für nur 6 Dollar und eine Kiste Budweiser mieten konnte, weil die Wohlfahrt mal wieder Zahlungsstopp gegen Linda verhängt hatte, ein Familienleiden, Sie verstehen. Die Befruchtung gelang jedenfalls, neun Monate später kamen zwei kerngesunde, zweieiige Zwillinge zur Welt. Doch während Bob Scotts Bruder Rob heute als arbeitsloser Pferdeflüsterer in New York kaum ein Auskommen findet, gelang es Bob dank seines Talents zum Bassspiel und seiner genetisch bedingten Vorliebe für den Metal der frühen Achtziger seinem Leben einen Sinn zu geben, den er bei Züül und auch bei den High Spirits jedes Mal aufs Neue findet.

So.

Kundige Leser wissen längst, wohin die Zeitreise geht: Vanderbuyst und Züül mit ihren sechs bzw. zehn Bandbeinen fest auf dem Boden der analogen Tatsachen und machen auf eine grundehrliche (und -sympathische) Art und Weise und mit ihrer eigenen Hände Arbeit eine Mugge, die irgendwann zwischen 1975 und 1982 mal neu gewesen sein soll, was natürlich beide Bands als irrelevant betrachten. Züül treiben ihre Songs mit unwiderstehlicher Energie nach vorne, ihre Musik ist rau, roh und trotz toller Doppelläufe ("Skullsplitter"!) ein schmutzig räudiges Etwas mit punkigen Einschlägen, ein wenig wie bei den frühen Maiden, mit meist simplen Strukturen, die aber nie langweilen, sondern mitreißen. Die Holländer haben dagegen fast durchgehend gute Laune, und am ehesten treffen sich die beiden wohl bei dem grandiosen Stampfhammer "Waiting In The Wings" von Vanderbuyst. (Gesamtwertung: 7,5 für beide) Thorsten Dörting

Anspruch: Naja, wir finden ja auch, dass dieses Elektrizitätsding neumodischer Schnickschnack ist, aber man muss auch mal mit der Zeit gehen. (5, beide)

Artwork: Kann mir jemand erklären, warum Drummer Barry van Esbroek auf dem Cover eindeutig liegt und nicht fliegt, wie es uns der Albumtitel weismachen will? Und warum er sich lasziv mit der linken Hand durchs Kopfhaar streicht? Doro? Bist du's? Doro??? (4,5, Vanderbuyst)

Hey Jungs, coole Sache, dass ihr die Kita-Kritzelei meines Neffen fürs Cover genommen habt, aber vergesst bloß sein Honorar nicht! Wie gesagt: Er mag am liebsten die gelben Gummibärchen. (6, Züül)

Aussehen: Vertrauen Sie diesen Typen einen Golf II an, und sie verwandeln ihn in einen Ford Mustang GT Bullitt. Vertrauen Sie diesen Typen ihre Villa an, und sie verwandeln sie in einen Bauplatz. (8,5, beide)

Aussagen: Immer schön bescheiden sein, ein flotter Dreier reicht zum Glücklichsein. (Vanderbuyst, 9). Vanderbuyst sind Streber! (Züül, 10). Thorsten Dörting

Mit einem Wort: goil - Attic

Attic - "The Invocation"
(Ván/Soulfood)

"Ausgerechnet ich als Dortmunder?", fragte ich verwundert, als ich neulich bei Vapiano saß und Pizza mit Trüffelcreme und Teltower Rübchen von meiner neuen Stone-Island-Strickjacke kratzte, des gleichen Modells, das Ulla Klopp auch für Jürgen ausgesucht hat, den Vater von Marcio (alias Rolls-Reus und Götzinho; bei uns so was wie damals Rib & Rob in München, allerdings in hübsch).

"Na klar", erwiderte Dörting, "Jan und ich finden die Band nur so mittel, also musst du ran. Da beißt die Maus keinen Faden ab."

"Nun gut", meinte ich keck. "Kann ich besprechen. Ich bin eh im Gelsenkirchen-Thema, denn ich habe vor wenigen Minuten nach dem erneuten Lesen des 'Ruhr Nachrichten'-Livetickers in der 'ZOOM Erlebniswelt' angerufen, um denen unsere tote Giraffe anzudrehen. Und weißt du was, Thorsten? Die nehmen Kollege Langhals mit Kusshand und pappen einfach einen 'Nicht stören - Tamu träumt von S04'-Sticker auf das Vieh. Papadopoulos soll Pate werden."

Darüber konnte Dörting, nicht nur ein Freund exotischer Tiere, sondern auch ein Mann des Fair Play ("Möge der Bessere gewinnen!"), nicht einmal schmunzeln, aber er war hörbar froh, jemanden gefunden zu haben, der "Attic bearbeitet" (Journalistensprech), und legte mit besten Wünschen auf. Noch ein Balsamico-Lebkuchen-Parfait to go eingepackt, und ich befand mich auf dem Weg nach Hause, wo ich mir "The Invocation" über eine weißrussische Filesharing-Plattform besorgte. (Ván-Records-Chef Sven hat mich bereits von seinen Anwälten abmahnen lassen.)

Es dauerte nach dem Intro "The Hidden Grave" nicht lange, bis die ersten Schreie des jungen Frontmanns Meister Cagliostro (der als Ketzer verurteilte Alchemist Alessandro Graf von Cagliostro lebte im 18. Jahrhundert und sah - man kann sich davon auf der Wikipedia-Seite überzeugen  - exakt aus wie eine holländische Fleischkrokette auf Beinen, vielleicht auch wie Geert Wilders) klarmachten, wohin die Reise in der kommenden Dreiviertelstunde geht: Ähnlich wie In Solitude, Portrait oder A Tortured Soul bedienen sich die Gelsenkirchener lustvoll bei dem, was die auf Dauereis liegenden Mercyful Fate hinterlassen haben, und das Soloschaffen von King Diamond war in ihrer Sozialisation nicht weniger wichtig.

Natürlich evozieren von famos ausgearbeiteten Hooklines getragene, mit geschmeidigen Gitarrensoli versehene Genrepretiosen wie "Join The Coven", "The Headless Horseman" oder "Satan's Bride", deren Old-School-Horrorthematik nie lächerlich, sondern stets wunderbar charmant anmutet, auch jede Menge andere Bands, ab und zu sogar eine anspruchsvolle US-Metal-Truppe wie Helstar, die das Label im Presseinfo völlig zu Recht nennt; letzten Endes sollten aber vor allem Supporter von Meilensteinen wie "Melissa", "Don't Break The Oath", "Abigail" und "Conspiracy" zu diesem großartigen, in ein paar Jahren mit Sicherheit als Klein-Klassiker geltenden Debüt greifen. Weiß (nicht nur) der Teufel. (Gesamtwertung: 8,5) Boris Kaiser

Anspruch: "Black magic reigns tonight". Mal Christian Kracht fragen, ob er darauf 'ne Kokosnuss verwetten würde. (5)

Artwork: Ein irrer Priester, ein umgedrehtes Kreuz, 'ne nackte Blonde und was zu saufen. Alles richtig gemacht. (8,5)

Aussehen: 'Ne Mischung aus Celtic Frost '84, "Auf Kohle geboren" und dem Donald-Duck-Alter-Ego Phantomias. Mit einem Wort: goil. (8)

Aussagen: "Olé, hier kommt der BVB!" (10) Boris Kaiser

Geht sogar mit Lippenstift! - Gold

Gold - "Interbellum"
(Ván Records/ Soulfood)

Anaal Nathrakh - was für ein beschissener Bandname! Und wie mag wohl erst der Rest der Rockgruppe (haha) Live reagiert haben, als Ed Kowalczyk damals ins Aufnahmestudio schlurfte und meinte: "Tja, Jungs, die Platte heißt 'Secret Samadhi' und wird Ende 2012 für einen Cent gebraucht bei Amazon verschleudert werden. Ich habe das jetzt einfach mal so entschieden, geht doch in Ordnung, oder?"

Gold dagegen ist ewig, Gold ist heilig, und Gold passt als Übergangsmetall perfekt zur so trägen wie sinnlosen Zeit zwischen zwei Kriegen: "Interbellum". Gold sind aus Holland, und Thomas Sciarone muss hoffentlich nicht in jedem ersten Interview erzählen, wie er mal bei The Devil's Blood Gitarre spielte (Götz hat ihn noch vor der ersten Probe in Schande entlassen, doch die Geschichte soll ausnahmsweise mal jemand anderes erzählen).

Zwar lief mir Sängerin Milena Eva am Anfang nicht so gut rein (ich steh' eher auf die Frontluzie von Castle und nicht so auf Lippenstift), doch inzwischen finde ich, dass sie wunderbar zu dem mal hypermelodiösen ("Medicine Man", Grace Slick erhebt - wieder mal - die Hand zum Gruße), mal verspulten ("Ruby"), mal knackigen ("Dreams" - Grace Slick, schon wieder?) Seventies-Rock klassischster Prägung passt, auch wenn "The Hunt" sich derart dreist bei Van Halen bedient, dass mein imaginärer Freund P. wohl das gesamte Album auf der Stelle als "megaöde" in die Verdammnis schicken und nicht mal "Gute Reise!" wünschen würde.

Drei Wochen höre ich nun schon "Interbellum", doch da mir die Worte fehlen, bin ich froh, dass vorgestern zufällig eine Kundenrezension von "Ein Kunde" in der Post lag, die wie folgt lautet: "Ich habe mir diese Ohrendroge als schwarze Scheibe gekauft, und stelle auch nach heutigem Hören fest, dass gerade in dieser megahektischen Zeit - welche eine Zeit des rein Materiellen ist - wieder Zeit zum Träumen sein muss. Traumlandschaften tun sich auf, Farben und Formen von nie gekannter Schönheit - und mit ein wenig Glück fliegt man. Am besten mit geschlossenen Augen hören :-)!" Jetzt tut es mir erst richtig leid, dass ich beim Peeling in der Arztpraxis vorhin weinend darum gebeten habe, doch bitte, bitte die New-Age-Musik auszumachen. (Gesamtwertung: 8) Jan Wigger

Fotostrecke

Kreator: Thrash - Made in Germany

Foto: Heilemania/ Nuclear Blast

Anspruch: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. (7,5)

Artwork: Und siehe, es ward euch ein Pfau geboren! (8)

Aussehen: Tschuldigung nochmal, aber: Wo zur Hölle ist Britta Helm?!? (6,5)

Aussagen: "Es ist Krieg/ Hörst Du die Mütter weinen?/ Krieg/ Ich habe Angst." (8) Jan Wigger

Zur Info: Dies ist der Einleitungstext des ersten Teils der Dezember-Ausgabe, den wir ans Ende verschoben haben, da er ja veraltet ist - und unsere Stammleser ihn bereits kennen. Aber wir wollen hier ja nix löschen...

Liebe "Amtlich"-Freunde und -Hasser,

am Samstagabend war ja Kreator in concert zu Gast bei uns der Seite, wir hatten dezent auf den Termin hingewiesen, zum Beispiel mit einem Fragebogen, in dem uns Band-Boss Mille etwas über Fitness-Training mit Overkill und verheimlichte Alien-Kontakte erzählte,und auch in unserer letzten "Amtlich"-Ausgabe, deren Erscheinen wir extra hinausgezögert hatten, weil wir die Kreator-Sause ankündigen wollten (und Aerosmith, Sabbath Assembly, Downfall Of Gaia sowie The Sword besprochen haben).

Eine Metal-Band live auf SPIEGEL ONLINE, das war eine Premiere für uns, die gezeigt hat, dass das Leben manchmal eben doch ein Wunschkonzert sein kann: prächtiger Sound, ein gut gelaunter Frontmann ("Wir spielen euch den Scheißladen hier auseinander!"), ein glänzend aufgelegtes Publikum und so ziemlich alle Hits der deutschen Thrash-Legende.

Der eine oder andere wird den Livestream gesehen haben, es scheinen sogar recht viele gewesen zu sein, schöne Sache das. Wer das Ganze verpasst hat oder es noch mal sehen möchte: Unsere Koop-Kollegen von tape.tv haben jetzt den Mitschnitt des kompletten Konzertes fertig. Hier isser (Mobil-User nutzen bitte diesen Link hier ):

So.

Und prompt folgt Premiere Nummer zwo: In dieser "Amtlich"-Sonderausgabe finden unsere Leser vier neue Alben als Stream. Und zwar in voller Länge, exklusiv und vor dem Veröffentlichungstermin.

Attic - "The Invocation"

Gold - "Interbellum"

Vanderbuyst - "Flying Dutchmen"

Year Of The Goat - "Angels' Necropolis"

Alle vier Alben erscheinen offiziell erst am 7. Dezember bei dem deutschen Label Ván Records, das der nimmermüde (und oft sehr durstige) Sven Dinninghoff aufgebaut hat und weiter mit stilsicherer Hand führt. Viele seiner Acts sind in der Szene zuletzt stark beachtet worden: die (von vielen wegen ihres mitunter sogar handgreiflichen Auftretens kritisierten) Occult-Rocker The Devil's Bloodstehen dort unter Vertrag, die Doomster Castle, Gold, Verdunkeln, Year Of The Goatoder auch Arstidir Lifsins.

Wir würdigen das starke Ván-Programm nun mit einem Mini-Special. Schon ab heute gibt's alle vier neuen Alben im Stream - und dazu die Rezensionen zu Gold und Attic. Am 6. Dezember, dem ersten Donnerstag des Monats (dem regulären "Amtlich"-Erscheinungstermin, der von nun an SKLAVISCH eingehalten werden wird!) geht's weiter: An diesem Tag, Nikolaus, wie passend, verlosen wir Sammlerstücke aus der Ván-Schatztruhe. Und wir besprechen Vanderbuyst, Züül (High Roller Records) - sowie Year Of The Goat, das Highlight der vier neuen Ván-Releases.

Mit deren Werk "Angels' Necropolis" eröffnen wir auch unseren Streaming-Reigen. Gleich hier drunter.

Übrigens:

Bis denne.


Wertung: Von "0" (absolutes Desaster) bis "10" (absoluter Klassiker)

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