Bach-Remixe Parcourslauf mit Trompete

Trompeter Gábor Boldoczki: Neuversionen sind angesagt
Foto: Marco BorggreveDie Trompete ist ein effektvolles Instrument. Schnell hört man, ob der Ansatz des Bläsers sicher ist, sein Ton rein klingt, die Höhen reizvoll schillern. Trompetenkonzerte sind von einer fast gefährlichen Popularität, scheinbar zu schön, um tiefgründig zu sein. Das gilt für Klassik und Jazz, Till Brönner kann ein paar Soli davon blasen.
Wie man geschmeidig, aber kraftvoll dem Repertoire neue Trompeten-Töne beibringt, dokumentiert der ungarische Virtuose Gábor Boldoczki auf seiner neuen CD "Bach" (Sony Classical), für die er ein paar durchdachte Bearbeitungen ausgewählt hat. Gleichzeitig beweist er Marktgespür, denn solche Neuversionen sind angesagt.
Die Konzertliteratur für Solotrompete ist effektvoll, aber sehr limitiert - schnell hat man sich als Virtuose von Haydn und Hummel zu Vivaldi, Torelli und Albinoni gehangelt und das Ende der Repertoire-Fahnenstange erreicht. Gábor Boldoczki, mit 34 Jahren schon ein Star der Klassikszene, nahm diese Herausforderung sportlich - und bearbeitete einfach ein paar süffige -Konzerte und Kantaten für sein Instrument. Er ging auf Risiko, pickte sich Edles und Heikles, das der Meister ursprünglich für die elegante und leichtgewichtige Oboe oder für Violine geschrieben hatte.
Auf der vergleichsweise schwerfälligen Trompete, mit der anstrengenden Tonbildung, könnte das eckig und holprig klingen. Doch Boldoczki meistert diesen Parcours mit der Eleganz eines Balletttänzers: Bachs Kantilenen betören wie umgewidmet, sie ertönen mit gewandeltem Profil. "Es sollten keine neuen Trompetenkonzerte daraus werden", betont Gábor Boldoczki, "wir wollten die Kompositionen so original wie möglich klingen lassen." Gerade wegen dieser Zurückhaltung und dem Verzicht auf Kunststückchen gelangen die Neufassungen so überzeugend.
Doppel mit Spielwitz
Am meisten überzeugt der Sprung zum neuen Sound beim Konzert BWZ 1060, ursprünglich für zwei Cembali komponiert, aber bereits als Fassung für Violine und Oboe bekannt. Bach wurde schon immer gern bearbeitet, "Remixe" dieser Art waren also nie tabu. Bei diesem hochvirtuosen Konzert stand Boldoczki sein Geigen-Partner Kristóf Bráti zur Seite, der zuletzt mit Aufnahmen von Paganini und ebenfalls Bach glänzte. Boldoczki und Baráti schaukeln sich gegenseitig in wilden Läufen hoch, inspirieren sich zu pointierter Tongebung und Akzenten, musizieren mit Florett-Feuer und Spielwitz, wie man ihn so noch nicht gehört hat.
Die Musiker kannten sich vor den Aufnahmen nicht persönlich, obwohl beide in Budapest wohnen. "Unsere Wohnungen sind nur 300 Meter voneinander entfernt - ich hab es nicht geglaubt!", erzählt Gábor Boldoczki. Demnächst werden sich beide wohl öfter sehen, denn aus der Arbeit entsprang eine Künstlerfreundschaft. Fortsetzung folgt vielleicht im Studio.
Ein anderes Projekt, das förmlich nach einer Studioproduktion ruft, ist das Konzert, welches der türkische Pianist und Komponist Fazil Say als Auftragskomposition für Boldoczki schrieb. "Ein ungewöhnliches und mit 30 Minuten Spieldauer auch ein langes Konzert für mich", beschreibt Boldoczki das Werk, das er 2010 beim Musikfestival von Mecklenburg-Vorpommern erstmals spielte. "Ein orientalisch klingender zweiter Satz, der dritte Satz basiert auf einem türkischen Volkslied - ein tolles Konzert!", schwärmt Boldoczki, der das Stück in diesem Jahr noch gemeinsam mit Fazil Say in dessen türkischer Heimat vorstellen wird.
Zunächst jedoch steht seine eigene Tournee vor der Tür, die - so ist das heute auch bei Klassikstars üblich - in erster Linie das aktuelle Album präsentieren soll. Als Leiter des Franz Liszt Chamber Orchestra steht dann auch der Professor Boldoczki auf der Bühne, denn seit Januar 2010 lehrt er an der Liszt-Akademie in Budapest Solotrompete. Ein Dozent, der viel praktische Erfahrung aus dem Musikbetrieb vermitteln kann: Mit Verpflichtungen bei internationalen Orchestern und breitem Repertoire, das bis ins 20. Jahrhundert reicht, repräsentiert er den Typ des modernen Virtuosen, der Glaubwürdigkeit und Vielseitigkeit verbindet. Eigene Innovationen, wie seine Bach-Bearbeitungen, gehören dazu.
"Ich habe immer die Kollegen beneidet, die den Tag auf ihrem Instrument mit einem Bach-Stück beginnen können", sagt Boldoczki, "da wollte ich mir eben meine eigenen Bach-Stücke erarbeiten."
Konzerttermine Infos : 3.12. Berlin (Philharmonie), 4.12. Rheinberg (Stadthalle), 5.12. Esslingen (Neckar Forum), 7.12. Merzig (Stadthalle), 8.12. Fulda (Fürstensaal), 10.12. Düsseldorf (Tonhalle), 11.12. Frankfurt (Alte Oper), 12.12. Lippstadt (Jakobikirche).