Bayreuther Festspiele Gewaltandrohung gegen Tannhäuser

Kinder-Wagner und ein Debütant, der die Unordnung feiert: Zum Auftakt der Bayreuther Festspiele geben Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier Ausblick auf ein buntes Festival - und umschiffen die leidigen Fragen nach Frank Castorf und dem Streit mit den Gewerkschaften.
Bayreuth-Debütant Sebastian Baumgarten: "Zu viel Ordnung ist nicht gut für die Kunst"

Bayreuth-Debütant Sebastian Baumgarten: "Zu viel Ordnung ist nicht gut für die Kunst"

Foto: dapd

Auch Abwesende können Präsenz beweisen. Der erste bei der traditionellen Eröffnungs-Pressekonferenz zu den Bayreuther Festspielen ist Dirigent Thomas Hengelbrock. Zu viel Arbeit und Stress, erklärt Pressechef Peter Emmerich, Hengelbrock wolle zur Premiere fit sein. Verständlich, schließlich ist der neue "Tannhäuser", der an diesem Montagabend Premiere feiert, auch sein Bayreuth-Debüt. An sich gilt Hengelbrock, ab 2011 neuer Leiter des NDR-Symphonieorchesters in Hamburg, zwar als robuster, eloquenter Typ, der um Antworten selten verlegen ist und überhaupt selbstbewusst nach vorne geht. Aber Bayreuth zeigt wohl doch Wirkung.

So überließ Hengelbrock das Diskurs-Feld dann den Damen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier und dem kaum weniger beredten Sebastian Baumgarten, dessen erste Regie-Arbeit bei den Wagner-Festspielen als Kontrast zum Regie-Veteranen Hans Neuenfels vom vergangenen Jahr bestens positioniert ist.

Als Absolvent der Berliner Musikschule "Hanns Eisler" und erfolgreicher Theaterregisseur zeigte Baumgarten stets große Ambitionen fürs Musiktheater, arbeitete unter anderem für die Opern von Stuttgart und Zürich und wurde 2006 vom Kritikerkreis des Fachmagazins "Opernwelt" für seine Berliner Inszenierung von Händels "Orest" zum Regisseur des Jahres gewählt. Mit 42 Jahren ein noch junger Könner und ein kluger Kopf, wie er im Frage-und-Antwort-Spiel schnell bewies.

Seine philosophische Sicht des "Tannhäuser"-Stoffes schöpft aus Nietzsche, er jongliert munter mit den Begriffen antipodisch, dialektisch, dionysisch/apollinisch, eine schneidig didaktische Begriffswelt, mit der man sofort den Sängerkrieg um Ästhetik assoziiert, der ja auf der Wartburg ausgetragen wurde - bis hin zur Gewaltandrohung gegen den Künstler Tannhäuser. Wenn man wollte, ließe sich jedwede Aktualität herstellen. Aber Sebastian Baumgarten geht es mehr um die Theorieebene, und da fühlt er sich spürbar wohl.

Bloß nicht das Wenders-Desaster wiederholen!

Leicht kurzatmig reagierten Katharina Wagner und ihr Regisseur auf die Frage nach den Querelen mit der Gewerkschaft und den Probenzeiten. Ein leidiges Problem, das offenbar an den Nerven zerrt, sind doch die Produktionszeiten in Bayreuth grundsätzlich eng bemessen. Wenn dann noch gewerkschaftlich streng auf die Uhr gesehen werde - "Zu viel Ordnung ist nicht gut für die Kunst!" fasste Baumgarten seine Erfahrungen zusammen. Es gehe um Exzessives, auch um Spaß und Lust. Da wünschte sich der Regisseur dann auch etwas Entgrenzung. Das sei schließlich auch das Thema des "Tannhäusers". Zumindest für die Premierenproduktion hatte man sich mit der Gewerkschaft weitgehend geeinigt, erklärte Katharina Wagner.

Fast wäre Sebastian Baumgarten in dieser Pressekonferenz noch Frank Castorf, der zweite große Abwesende, in die Quere gekommen, denn der Berliner Theatermacher ist als Regisseur für den Jubiläums-"Ring" 2013 im Gespräch, nachdem Wim Wenders sich von der Aufgabe wie weiland sein Filmkollege Lars von Trier zurückgezogen hatte. Castorfs Verpflichtung ist allerdings noch in Verhandlung, und allzu frühes Frohlocken wollte man nach dem Wenders-Desaster wohl vermeiden. Dafür steht mit Kirill Petrenko nach Christian Thielemann der nächste "Ring"-Dirigent unumstößlich fest, das bestätigte Eva Wagner-Pasquier auf besorgte Nachfragen. Thielemann sei im nächsten Jahr wieder mit von Partie und zwar als musikalischer Leiter der nächsten Premiere, "Der fliegende Holländer".

Auch die für das Wagner-Duo leidige Diskussion um das Prozedere bei der Festspielkarten-Vergabe flammte kurz auf, doch Katharina Wagner verwies auf Altlasten in Form von Verträgen, die nicht alle von heute auf morgen kündbar seien. Solche Kontingente stünden jedoch verschärft auf dem Prüfstand. Und der Schwarzmarkt sei ohnehin kaum beherrschbar.

Regelmäßige Freude beschert den Organisatoren die vor vier Jahr neu eingeführte "Kinderoper" im Rahmen der Festspiele - diesmal sogar mit einer 90-Minuten-Version vom "Ring des Nibelungen", für die der junge Regisseur Maximilian von Mayenburg verantwortlich zeichnet. Aus vier Musikdramen und 16 Stunden eine Spielfilmlänge zu destillieren, das erfordert Erfahrung: Mit acht Jahren habe er seinen ersten "Ring" erlebt, erzählte von Mayenburg - zwar nur eine konzertante Version, aber immerhin komplett. Die 16-Stunden-Erfahrung hatte ihn allerdings nicht abgeschreckt, im Gegenteil. Binnen Stunden waren wieder alle Karten für die zehn Kinderaufführungen vergriffen, Bayreuth zieht also auch bei den Jüngsten.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten