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Rock-Phänomen Beatsteaks: Eigentlich wollen sie nur 'ne geile Party

Foto: Warner Music Germany

Erfolgs-Rockband Beatsteaks "Die Leute mögen eben Gangs"

Die Beatsteaks sind eine der erfolgreichsten deutschen Rockbands - obwohl Gitarrenmusik in den Charts meist fehlt. Wie das funktioniert, zeigen sie beim Überraschungs-Gig auf dem Reeperbahn-Festival - und bei der Videopremiere hier.

13 Hüte liegen in diesem Raum, sie alle gehören Arnim Teutoburg-Weiß. Mit Gaffer-Tape hat jemand eine Setlist der Sex Pistols an die Wand geklebt, sie ist fast 20 Jahre alt – so alt wie die Band, in der Teutoburg-Weiß singt: die Beatsteaks.

Das Fenster ist geöffnet, die Luft lässt den Zigarettenrauch tanzen. Teutoburg-Weiß wippt auf seinem Drehstuhl, seine Augen sind Schlitze, ausnahmsweise trägt er keinen der Hüte. Jeden Tag von 11 bis 18 Uhr ist er in seinem "Büro" in Berlin-Mitte, so nennt er den Raum – nur dass sich darin keine Akten stapeln, sondern Erinnerungen.

"Der Arnim, der früher in der Ankerklause  gejobbt hat, hätte sich sein Büro genauso gewünscht", sagt der Beatsteaks-Sänger. Anfang 20 war Teutoburg-Weiß, als er hinter dem Tresen der Kreuzberger Kneipe Whisky ausgeschenkt hat, die gute Musik aus der Jukebox der Ankerklause habe ihn immer "extrem angespornt".

Heute ist er 40. "Ich fühle mich wie Andrea Pirlo. Früher war ich getrieben, jetzt bin ich der alte Hase auf dem Platz, der einen kühlen Kopf bewahrt."

"Sing! Deine Band ist hart genug!"

Die Jahre in der Ankerklause sind der Anfang der Beatsteaks. Am 20. Mai 1995 spielen sie ihr erstes Konzert, eine Abiturfeier in einer alten Ost-Berliner Mensa. Den fünf jungen Berlinern gefällt die Bühne, sie spielen sich durch die Hauptstadt. "Damals haben die Kreuzberger Punker immer gesagt: 'Wer seid ihr denn? Zu euren Konzerten kommen ja auch Mädchen.'" Berlin hilft der Band zu wachsen, zwei Konzerte pro Woche, Airplay bei Radiostationen.

Auf den Durchbruch müssen die Beatsteaks neun Jahre warten, er kommt erst, als die Band auf "Smack Smash" mehr Melodien zulässt. "Unser Produzent Moses Schneider meinte, ich soll aufhören zu brüllen", erinnert sich Teutoburg-Weiß. "'Sing, sing, sing! Deine Band ist doch hart genug.'" Zu der Zeit ist Rock angesagt, Franz Ferdinand haben gerade ihr Debütalbum veröffentlicht, in den Discos laufen die Strokes. "Wir wurden genau nach denen gespielt. Das war der Moment, in dem wir populär wurden."

Ihr im August veröffentlichtes siebtes Album, das schlicht "Beatsteaks" heißt, landete auf Platz eins der deutschen Albumcharts, ganz nah an Helene Fischers grellem "Farbenspiel". Heute sind die Beatsteaks eine der erfolgreichsten deutschen Rockbands – in einer Zeit, in der Schlager, HipHop und elektronische Musik die Charts bestimmen. Wie erklärt sich Teutoburg-Weiß das Phänomen Beatsteaks?

"Wir sind keine Prediger", sagt er. "Wir versuchen eigentlich nur, eine geile Party zu schmeißen." Die Beatsteaks sind keine Band, die Parolen skandiert wie Kraftklub oder Sozialkritik raunt wie Casper.

Sie sind zudem nicht die Band, die man hört, um Englisch zu lernen, wie ein Kritiker der "taz" einmal schrieb. Teutoburg-Weiß sieht das auch so. "Meine Texte sind oft Nonsens. Wir sind da sehr dilettantisch, weil dilettantisch eben auch gut ist."

Bloß nicht Robbie Williams werden!

Teutoburg-Weiß berlinert beständig, jedem zweiten Satz hängt er ein "so" an, viele Sätze beendet er nicht. Er ist ein Medienprofi, aber er wirkt angenehm unvorbereitet. Man kauft ihm ab, dass er so ist, wie er ist. "Die Leute merken, wenn das ehrlich ist, was du machst", sagt er und fixiert einen unsichtbaren Punkt am Ende des Raums, die Schlitze werden schmaler. "Denen machst du nichts vor."
Im Büro des Sängers hängt kein Foto, auf dem er allein zu sehen ist. Immer sind da noch die vier anderen: die Gitarristen Peter Baumann und Bernd Kurtzke, Bassist Torsten Scholz, Schlagzeuger Thomas Götz. "Die Gang", sagt Teutoburg-Weiß. "Die Leute mögen Gangs."

Die Beatsteaks wirken tatsächlich wie ein Team, das man schwer trennen kann, über die Jahre zusammengewachsen, Ramones ohne Leder, The Smiths ohne Weltverbesserungspathos. Als im August 2012 Beatsteaks-Drummer Götz eine Treppe hinunterstürzte, sich den Schädel und einige Knochen brach, überlegte die Band sogar aufzuhören. Vielleicht ist es also die Treue untereinander, die mit der Treue der Fans belohnt wird?

Teutoburg-Weiß hat keine Ahnung. Was er weiß: Eine Solokarriere will er nicht, wenn einmal mit den Beatsteaks Schluss sein sollte. "Wir hören aber erst auf, wenn die Leute nur noch aus Nostalgie zu uns kommen."


Während er spricht, greift sich Teutoburg-Weiß einen Gehstock aus der Ecke seines Büros, ein mögliches neues Accessoire für die Bühne. Es ist der Stock eines alten Mannes. "Ich denke, der Arnim aus der Ankerklause hätte den heutigen Arnim ganz schön cool gefunden", sagt er. "Aber den Erfolg der Beatsteaks hätte er sich nicht träumen lassen." Kurz hält er den Stock ruhig, dann lässt Teutoburg-Weiß ihn kreisen, wie ein Kind, das ein neues Spielzeug hat.

Foto: Joy Eva Kröger



Bis Samstag übertragen wir live ausgesuchte Konzerte vom Reeperbahn-Festival - unter anderem den Gig der Beatsteaks am Freitag ab 23 Uhr im Docks. Darüber hinaus hostet SPIEGEL ONLINE am Freitag die Bühne im Uebel & Gefährlich. Dort spielen ab 20 Uhr die Berliner Newcomerin Balbina , die Electro-Popper We Have Band , das düstere Prog-Rock-Trio Esben and the Witch und die britische Indie-Rock-Band Blood Red Shoes . Durch das Programm führt SPIEGEL-ONLINE-Redakteurin Anika Haberecht. Zum Stream bitte hier entlang.

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