
Neue Jazz-Duos Wenn kein Dingading dich rettet
Statt auf einem Steinway-Flügel zaubert er auf einem Fender-Rhodes, statt über Pianotasten zu perlen, entlockt er Synthesizern elektronische Klanggewitter. Auf seiner neuen CD wechselt Brad Mehldau vom akustischen Jazz in grenzüberschreitende Crossover-Sounds, und statt mit seinem bewährten Trio arbeitet er mit nur einem Kollegen: Mehldau, 43, lässt sich von Mark Guiliana begleiten, einem 33-jährigen Schlagzeuger, der die Spielweise von Bebop-Drummern genauso beherrscht wie die Beats von Drum-Maschinen im HipHop-Zeitalter.
Das dynamische Duo begeistert die Jazz-Gemeinde: Nach einem Konzert in London feierte die BBC "zwei der erfrischendsten Instrumentalisten der Welt", die mit ihren Improvisationen "elektronische Musik humanisieren". Andere Kritiker sind eher irritiert über Mehldaus Ausflug in Klangwelten des Rock und der experimentellen Musik. Man darf gespannt sein, wie sich "Mehlania: Taming The Dragon" (Nonesuch / Warner) verkaufen wird.
Der Zauber der Zweier-Gruppen
Neben dem Mehldau-Album erscheinen derzeit etliche weitere Einspielungen von Zweier-Gruppen. "Wer sich zu zweit auf die Bühne wagt", schrieb der Pianist Michael Naura Anfang der neunziger Jahre, "liefert neben Musik auch sein Psychogramm ab." Im Duo zeige sich der Mensch "wie unter einer Lupe". Jetzt startete das Label Act eine Serie mit dem Titel "Duo Art - Creating Magic". Den Auftakt bildete ein Sampler mit 24 bereits erschienenen Titeln (unter anderen mit dem Posaunisten Nils Landgren und dem 2008 verstorbenen Pianisten Esbjörn Svensson). Die Duo-Reihe wird mit Neuaufnahmen fortgesetzt; in der vergangenen Woche kam die CD "Together Again" des Pianisten Emil Viklicky und des Bassisten George Mraz auf den Markt. Die beiden aus Tschechien stammenden Musiker überführen gefühlvolle Volksmelodien aus Mähren ins Jazz-Idiom. Ein Hörgenuss!
Weniger Interesse an Wohlklängen hat das Dhonau Dabrock Duo. Die Avantgardisten Dirk Achim Dhonau (Perkussion, Bassklarinette) und Geoffroy Dabrock (Posaune) nutzen ihre Instrumente und ihre Stimmen, um alle möglichen Geräusche zu erzeugen. So wechselt die Posaune vom traditionellen Tiefton in knurrende und schreiende Sounds, und die Trommelstöcke wirbeln von den Snare Drums und Becken auf Glocken, die Wand und den Fußboden. Dhonau/Dabrocks "eigenständige Jazzmusik jenseits von Genregrenzen und Schubladendenken" (so das Credo ihres Labels) wurde beim Hamburger Überjazz-Festival aufgenommen. Tatsächlich lohnt es sich, die Performance des Duos live zu erleben.
"Wer ein übles Timing hat, ist verloren"
Die Kombination von weiblicher Stimme und akustischer Gitarre lässt an Singer-Songwriter denken - sanftes Säuseln zur Klampfe? Fehlanzeige! Das Duo der ungarischen Sängerin Veronika Harcsa und des Gitarristen Bálint Gyémánt überrascht mit eigenwillig jazzigen Stücken. Da gibt es Skat-Gesang unisono mit der Gitarre, Instrumental-Soli, Flamenco-hafte rhythmische Klatscheinlagen. Gelegentliche Loops signalisieren Pop-Nähe. Aber die Harmonien und Improvisationen offenbaren, dass Harcsa ihr Handwerk an der Jazzabteilung der Budapester Musikakademie gelernt hat. Ihr Duo-Album mit dem Gitarristen Gyémánt erzielt mit minimalem Aufwand eine tolle Wirkung!
Der Saxofonist Peter Ehwald und der Pianist Stefan Schultze haben in größeren Besetzungen zusammen gespielt und dafür Stücke komponiert und arrangiert. In ihrem Debütalbum als Duo Grasp müssen sie nun ohne rhythmische Begleitung bestehen. Dass dies eine Herausforderung darstellt, hat der Duo-erfahrene Michael Naura beschrieben: "Wer ein übles Timing hat, der ist verloren, denn kein Dingading des Trommlers auf dem Becken kann ihm helfen." Ehwald und Schultze brauchen keine Hilfe, sie haben alles im Griff. Mit exzellentem Timing und Sinn für überraschende, harmonische Wendungen improvisieren die beiden über sechs eigene Stücke. Eine gute Platte im vielseitigen Angebot von Duo-Gespannen.
CDs:
Brad Mehldau / Mark Guiliana: Mehliana - Taming The Dragon. Nonesuch / Warner; 15,99 Euro.
Mraz & Viklicky (Duo Art): Together Again. ACT; 17,50 Euro.
Dhonau Dabrock Duo. Brennt Rekords; 15 Euro.
Veronika Harcsa / Bálint Gyémánt: Lifeover. Traumton Records; 14,99 Euro. Erscheint am 28.3.
Schultze Ehwald Duo: Grasp. WhyPlayJazz; 12,49 Euro. Erscheint am 28.3.