
Britpop-Memoiren: Ein Verlierer packt aus
Britpop-Memoiren Ein Verlierer packt aus
"Im Herzen eines jeden Engländers gibt es ein großes, schwarzes Loch, das alle Vorzüge, die ihn sonst auszeichnen, nicht füllen können. Stil, Ansehen, Humor können es allenfalls überdecken, und selbst das exzessive Reisefieber dient der Inselrasse allenfalls dazu, von der inneren Leere abzulenken. Nur eine Sache kann die britische Seele stärken - das alte Weltreich", schreibt der Brite Luke Haines spöttisch in seinem Buch "Bad Vibes - Britpop und der ganze Scheiß".
Anfang der neunziger Jahre sehnten sich viele britische Rock-Musiker danach, wieder die Hitparaden und Konzerthallen der Welt zu erobern, so wie einst in grauer Vorzeit die Beatles, Rolling Stones, Led Zeppelin oder The Who. "Britpop" tauften Journalisten den Versuch, London wieder schwingen zu lassen, es wieder zur Hauptstadt im Popuniversum zu befördern. Es ging auch darum, den amerikanischen Invasoren Einhalt zu gebieten, all den schlecht angezogenen und übel gelaunten Grunge-Rockern wie Nirvana, die in den britischen Charts auftauchten.
Eindreschen auf alles und jeden
"Cool Britannia" lautete der Schlachtruf, den sich auch fix Tony Blair für New Labour zu Eigen machte. Die Pop-Hauptdarsteller waren Bands wie , , Supergrass, Pulp, Suede und Elastica. Alles stilbewusste und aufgeregte Nachwuchskräfte, die die Melodien und Klänge ihrer Vorväter entstaubten und renovierten. Dieser fröhliche Zauber währte nicht mal ein Jahrzehnt, war aber zeitweilig spektakulär erfolgreich.
The Auteurs landeten nie einen Bestseller und blieben stets Britpop-Nebendarsteller. An den Namen ihres Chefs Luke Haines erinnern sich höchstens ein paar Musikmagazinleser über 40. Nun aber hat dieser Luke Haines ein Buch über die Britpop-Jahre verfasst. Es ist die Geschichte eines talentierten Knaben, der sich stets etwas zu lässig gibt, aber selbstverständlich davon träumt, im Rampenlicht zu stehen. Der Autor erinnert sich an die Qualen, denen die meisten ambitionierten Nachwuchsrocker ausgesetzt sind: an halsabschneiderische Plattenfirmen, penetrante Musikjournalisten, trostlose Tourneen, Telefone, die nicht klingeln, Tantiemen, die ausbleiben und Millionen leerer Versprechungen. Menschen, die mit so vielen Britpop-Insideranekdoten nichts anfangen können, werden damit entschädigt, dass der Autor eigentlich auf alles und jeden eindrischt.
Er ist der Giftzwerg des Britpop, der alle bespuckt: von Kollegen wie Oasis-Entdecker Alan McGee - "Ein Schleimer vor dem Herrn" - bis zu verhassten Stars wie Sting - "Ein Schwachkopf vor dem Herrn".
Lesenswert ist das Buch aber nicht allein wegen seiner Bösartigkeit, sondern weil es einfühlsam bloßlegt, wie es sich anfühlt, erfolglos zu sein. Denn Rock-Biografien werden in der Regel von Gewinnern verfasst und eher selten von Verlieren wie Haines. Aber weil er sich in diesem Buch etwas zu penetrant selbst lobt und streckenweise wie ein schlechter Verlierer auftritt, muss noch betont werden, dass The Auteurs tatsächlich eine tolle Band waren, deren exzentrische und sehr britische Musik ein viel größeres Publikum verdient gehabt hätte.
Immerhin landete Haines mit diesem Buch in Großbritannien einen moderaten Hit. Kein Wunder, dass er schon an der Fortsetzung arbeitet.