CD-Kritik LL Cool J: "Phenomenon"
Eines der Ur-Klischees des schwarzen Mannes ist das der unersättlichen Sexbombe. Im Video ist das Phänomen, ein pralles Muskelpaket, in rote Lacklatzhosen gepackt, die womöglich tätowierten Hüften kreisen präkoital und lassen sich von leckeren Ladies lasziv schrubbeln.
James Todd Smith aus dem New Yorker Stadtteil Queens hatte dieses Image als einer der ersten Rapper überspitzt: Ladies Love Cool James hatte er sich dereinst genannt. Der Markenname stand für vaselineweichen Groove genauso wie für härtestes Bass- und Maschinengewehr-Geknalle; er stand manchmal für kritische Texte, die fast immer in geschmierte Reime eingebettet waren.
James war cool und verführte die Ladies in "Doin' it" per Autotelefon: Er war der erste, der eine Single und ein Album auf dem mittlerweile legendären "Def Jam"-Label einspielte; mit über 20 Millionen Tonträgern ist er einer der erfolgreichsten Rapper; für all seine sechs Alben hat er Platin bekommen. Und als 28jähriger ist er ein alter Hase im Geschäft: Mit 13 Jahren fing er an.
Zu seinem letzten Album war LL Cool J angeblich erwachsen geworden - Heirat und drei Kinder, keine Rede mehr von "bitches & hoes" - und nannte diesen Reife-Prozeß beim wahren Namen: "Mr. Smith".
Mit dem neuen Album "Phenomenon" hat er allerdings eine schwere Regression erlitten: Persönlich, wie für den Rap und die Repräsentation des schwarzen Mannes im allgemeinen. LL Cool J wurde zur Karikatur seiner selbst. Dabei ließ er sich helfen von der Crème de la Crème der Soft-Hit-Produzenten Sean "Puffy" Combs und Babyface und von den High-Fidelity-Reimern Redman und Method Man.
Das hippelt und hoppelt für Party-Häschen und Club-Mäuse vor sich hin; der sexy Sound mag taugen als Starter für erotisierte Nächte und als rotlichterndes Glühen beim Tête-à-Tête: "Don't be late, don't come too soon" heißt ein Liedchen, und wer den Text nicht verstehen mag, dem kriecht der Sound schmalztriefend unter die Haut. LL Cool J mimt mit "Phenomenon" endgültig den Barry White der Neunziger - und macht damit deutlich, wo der Hip Hop zu enden droht: Gezähmt auf dem Schlaflager der Cover-Versionen. Denn innovativ ist das schon lange nicht mehr. Und entrüsten können sich über die perpetuierten An- und Auszüglichkeiten nur noch diejenigen, an deren eigener Identität das Klischee der schwarzen Sexbombe empfindlich rüttelt.
Der Rückfall ins Stereotyp läßt sich allerdings prächtig versilbern. Das hat nicht nur LL Cool J erkannt, und sein überschäumendes Bad im Mainstream ist dann fast wieder subversiv. Wie dumm nur, daß er damit im Teufelskreis vor sich hinkreiselt: "Die Leute werden nur Bullshit wollen, wenn ihre Intelligenz andauernd mit Bullshit beleidigt wird", sagt sein Kollege Chuck D in seinem gerade erschienenen Buch "Fight The Power". Das Phänomen bekommt garantiert Platin.
LL Cool J: "Phenomenon" (Mercury/PolyGram)