
Raritäten zum Stones-Geburtstag: Mit Mick in der Hängematte
Raritäten zum Band-Geburtstag Als die Stones noch zu schlüpfrig waren
Seit fast einem Jahr zelebrieren die Rolling Stones nun schon ihr halbes Jahrhundert im Dienst des Rock'n'Roll. Das ausgiebige Jubel-PR-Getöse befeuern die vier Teilzeitrentner mit einigen Konzerten sowie einer beständigen Flut von Geschenken, die man ihnen abkaufen muss: CDs, DVDs, Vinyl, Boxen, Bücher, Golfschläger und Gott weiß was für Klimbim (alles selbstverständlich irgendwie limitiert). Damit einhergehen gefühlte Millionen Zeitungs- und Magazin-Geschichten über Mick und Keith und ihre Gang, Unmengen an Abhandlungen, Analysen, Erinnerungen und Anekdotensammlungen.
Gelesen hat man also genug zum Thema Rolling Stones. Bilder bieten dagegen immer noch Überraschendes. Das hat auch die Band kapiert: Das Spannendste an ihrer neuen Single "Doom and Gloom" ist der Videoclip , in dem die schwedische Schauspielerin Noomi Rapace (alias "Lisbeth Salander") die Hüllen fallen lässt - was aber letztlich auch nur Malen nach Zahlen für Altmänner-Phantasien ist.
Soundcheck im Jahr 1965
Sehr viel interessanter ist der Film "Charlie Is My Darling", der gerade auf DVD erschienen ist. Einige Wochen nachdem "(I Can't Get No) Satisfaction" in die Charts gerauscht war, begleitete der Filmemacher Peter Whitehead die Rolling Stones auf einer kurzen Tournee durch Irland. In Hotelzimmern, in der Eisenbahn, beim Soundcheck und beim Plaudern und Staunen über all den Trubel. Diese 1965 entstandene und rätselhafterweise nie veröffentlichte erste Dokumentation über die Rolling Stones zeigt die "Greatest Rock'n'Roll-Band" in spe noch von ihrer unschuldigen, unbedarften Seite in vielen schönen Bildern und Einstellungen.
Ebenso kurzweilig, wenn auch sehr viel spezieller und exzentrischer ist die schlicht "Rolling Stones Worldwide I-IV" betitelte Buchreihe, deren vierter und abschließender Band jetzt herausgekommen ist. Der Hamburger Autor und Rolling-Stones-Experte Christoph Maus trug dafür alle erdenklichen Variationen von Rolling-Stones-Plattenhüllen zusammen. Das mag für die meisten Menschen öde klingen, ist aber erstaunlich kurzweilig. Die vier Bilderbuch-Kataloge bieten Plattencover, die in den vergangenen Jahrzehnten auf allen Teilen des Planeten erschienen sind. Das ergibt Sinn, weil die heute selbstverständliche Regel, dass eine Hülle weltweit identisch ist, lange nicht galt. Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren bastelten sich regionale Plattenfirmenableger gern mal Cover, die sie für ihren Markt als angemessen empfanden. So konnte ein Rolling-Stones-Album in England ganz anders aussehen als in Polen, Uruguay, Japan oder der Schweiz.
So funktioniert die ausufernde Kollektion all dieser Bildhüllen auch als eine Art exotischer Kulturgeschichte dessen, was weltweit mal als verrucht und wild galt. Das Originalcover des Rolling-Stones-Albums "Sticky Fingers" (eine prall gefüllte männliche Jeans mit echtem Reißverschluss) war zum Beispiel für Thailand zu schlüpfrig, wo stattdessen ein Porträt der Künstler in Hängematten zu sehen war. Toll ist auch die bizarre philippinische Hülle für "Exile On Main Street", ganz zu schweigen von der koreanischen "Goats Head Soup"-Ausgabe.
Viele dieser lokalen Ausgaben erschienen in Kleinstauflagen, was sie heute zu kostbaren Raritäten macht. Außerdem sind einem Großteil der Rolling-Stones-Fans diese Motive unbekannt. Wer also diese Band ganz besonders ins Herz geschlossen hat, wird sich mit diesen ungewöhnlichen Büchern garantiert nicht langweilen.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version der Fotostrecke zu diesem Artikels hieß es, die beiden ersten Bilder seien 1965 aufgenommen worden. Tatsächlich stammen sie aus den frühen Siebzigern. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.