
"Dark Symphonies": Verbeugung vor dem Geisterjäger
Musikalische John-Sinclair-Hommage Das Grauen hat Methode
Eine CD, auf der Tocotronic, Marianne Rosenberg, Kreator, Xavier Naidoo, H-Blockx, Nena, Betontod, Deichkind und Andreas Dorau versammelt sind, ist das pure Grauen. Eine toxische Mixtur, die jeden noch so aufgeschlossenen Hörer zumindest punktuell an seine Grenzen bringen kann. Im Falle von "Dark Symphonies" hat das Grauen allerdings Methode. Denn diese CD, etwas irreführend als "Soundtrack" beworben, ist ein musikalischer Bonus zu dem Hörspiel "Angst über London" um den Geisterjäger von Scotland Yard, John Sinclair, der seit 1973 in den Heften des Bastei-Verlags Dämonen, Vampiren und Zombies den Gar aus macht und im nächsten Jahr sein 40. Dienstjubiläum begeht.
"Es gibt nicht den John-Sinclair-Fan mit einem bestimmten Musikgeschmack", sagt der Hamburger Musiker Andreas Dorau, selbst bekennender Sinclair-Anhänger und an der Zusammenstellung der Compilation maßgeblich beteiligt. "Dem wollten wir Rechnung tragen." Viel breiter angelegt als auf "Dark Symphonies" könnte das musikalische Spektrum tatsächlich kaum sein, von Schlager, R&B und Soul über Indie- und Deutschrock, Wave- und Elektropop zu Hard Rock, Punk und Metal. Da sollte dann doch für jeden Sinclair-Fan was dabei sein.
Lichtblicke in musikalischer Düsternis
Zumal sich jeder Musiker bemüht hat, die schaurige Atmosphäre der Sinclair-Geschichten für sein Stück zu adaptieren. Mit unterschiedlichem Eifer. Bei Tocotronic besteht die Annäherung ans Thema zum Beispiel lediglich in der Tatsache, dass das Buch "Necronomicon" des Horror-Altmeisters H.P. Lovecraft irgendwie erwähnt wird. Die Lieder seien eigens für diese Compilation geschrieben oder es handele sich um exklusiv zur Verfügung gestellte, bisher unveröffentlichte Stücke, heißt es von Seiten des Verlags. Leider klingt manches, als wäre es besser unveröffentlicht geblieben.
Aber es gibt auch Lichtblicke in der musikalischen Düsternis. Vor allem Andreas Doraus verspielter Elektropopsong "Sind das wirklich Dämonen", in dem er mit Elementen alter Gruselfilme spielt, macht Spaß. Ganz schaurig allerdings wird es, als der eigentliche Star dieser Doppel-CD, der Autor Jason Dark alias Helmut Rellergerd, selbst zum Mikro greift und zu Soundgewaber sein Gedicht über einen Vampir vorträgt. Ein Sänger wird der Mann in diesem Leben nicht mehr, da hilft auch keine elektronische Stimmverfremdung.
Andreas Dorau als Zombie
Muss er aber auch nicht, denn der Autor hat in seinem eigentlichen Betätigungsfeld schier unglaubliches geleistet. Seit beinahe 40 Jahren schreibt der 67-Jährige die Abenteuer des Geisterjägers, bis heute auf seiner mechanischen Schreibmaschine, und hat damit Generation von Lesern verzaubert. Mehr als 1700 Sinclair-Geschichten sind mittlerweile erschienen, in einer Auflage von über 400 Millionen, davon kann jeder andere deutsche Schriftsteller nur träumen. Seit einigen Jahren sind es neben den Bastei-Heften vor allem die aufwendig produzierten Hörspiele (der Versuch einer Verfilmung für das Privatfernsehen ist vor vielen Jahren spektakulär gescheitert), die neuen Publikumsschichten begeistern.
Darunter auch zahlreiche der auf der CD versammelten Musiker - Xavier Naidoo hat sogar seinen Hund nach Sinclair benannt -, die zusätzlich in dem Hörspiel kleinere Gastrollen sprechen oder als Zombies keuchen, wie im Falle von Andreas Dorau und Dirk von Lowtzow. Aus diesem Grund kann man über die musikalische Qualität der CD getrost das gnädige Tuch des Schweigens decken. Letztendlich sind die Songs eine Verbeugung vor dem beeindruckenden Werk Rellergerds, und das ist aller Ehren wert.
CD: A John Sinclair Tribute: Dark Symphonies, tonpool Medien GmbH, 18,99 Euro (im SPIEGEL-Shop erhältlich)
