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Ulrich Schröder: "Hauptberuflich Stones-Fan"

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Deutsches Rolling-Stones-Museum Der Zungenhüter von Lüchow

Als Ron Wood ihn fragte, ob er sein Geld als Banker oder mit Sex, Drugs and Rock'n'Roll verdienen wolle, war Ulrich Schröders Entscheidung klar: Er wurde Galerist des Rolling-Stones-Gitarristen. Jetzt sammelt der Fan Exponate für das allererste Stones-Museum - mitten in der norddeutschen Provinz.
Von Roxana Wellbrock

Die Wände sind mit Rolling-Stones-Bildern getäfelt, eine der Mauern ist von etwa 2500 ordentlich sortierten Schallplatten verdeckt. Mittendrin sitzt ihr Besitzer auf einem Sofa, daneben sind signierte Stones-Gitarren postiert wie wachsame Dobermänner, die auf die kostbare Sammlung aufpassen: Das Bild, das Ulrich Schröder im Erdgeschoss seiner riesigen Jugendstilvilla im Norden von Niedersachsen abgibt, wirkt erhaben.

Er selbst erinnert in seinem Kostüm an ein Relikt vergangener Stones-Zeiten, als Sänger Mick Jagger noch in Anzug und mit Zylinder unterwegs war: Sein schwarzer Frack ist übersät mit Anstecknadeln der Band, auf der Rückseite bahnen sich Aufnäher der Stones-Zunge ihren Weg von der Schulter über die Hose bis zu den Schuhen. Der Hut, ebenfalls mit Aufnähern der Rockgiganten und einem Federbüschel bestückt, ist mit kleinen Leuchtdioden versehen und lässt sich mit einem Knopfdruck anschalten - Schröders persönliche Interpretation des Stones-Songs und gleichnamigen Soundtrack-Albums "Shine a Light".

Seit 1965 sammelt der heute 60-Jährige alles, was mit den Stones zu tun hat. Als 16-Jähriger sparte er sein Taschengeld, trug Zeitungen aus - und investierte in Fan-Artikel. Über eintausend Stones-Exponate befinden sich inzwischen in seiner Villa und in angemieteten Lagerräumen: Konzerttickets, 3D-Brillen, Buttons, Marionetten, Schallplatten, signierte Gitarren, Gemälde der Rocker, T-Shirts, Schals, Musikboxen, Flipper, Tassen, Uhren - sogar Schnipsel des Konfettis, das am Ende der Konzerte auf das Publikum niederrieselt.

Außerdem nennt Schröder sein eigen: Die weltweit größte Sammlung von Ron-Wood-Bildern. Über 100 Stück besitzt er. Die Original-Lithographien des Stones-Gitarristen schlummerten bis Mitte der Neunziger unter Schröders Gästebett, zusammengetragen aus zahlreichen Auktionen rund um den Globus. Er selbst arbeitete zu diesem Zeitpunkt seit 30 Jahren als Angestellter bei der Sparkasse. Richtig wohl gefühlt habe er sich im Anzug nie, erzählt Schröder. Aber mit seinen langen Haaren habe er ein bisschen Rock'n'Roll in die Uelzener Filiale gebracht.

"Geld als Banker oder als Woods Galerist verdienen?"

1995 lernte Schröder Nick Mason, den Schlagzeuger von Pink Floyd, kennen, für den er in Maranello Ferraris fotografierte, eine weitere Leidenschaft des Niedersachsen. Er erzählte dem Musiker von seiner Sammlung, fragte nach Ron Woods Nummer und bekam die seines Managers. Einige Wochen später erreichte Schröder ein Anruf. Ron Wood lud ihn persönlich zu seinem 50. Geburtstag in Irland ein.

Der Fan flog hin, landete im Laufe des Abends neben Ron Wood auf dem Sofa. Ein paar Drinks später nahm ihn der Gitarrist zur Seite: "Er fragte mich, ob ich bis zur Rente bei der Bank versauern oder mein Geld lieber mit Sex, Drugs und Rock'n'Roll verdienen will", erzählt Schröder. Die Antwort lag auf der Hand: Er beendete seine Banklaufbahn und wurde bis Ende der Neunziger einer von fünf Galeristen für Ron Wood. Seitdem ist er "hauptberuflich Stones-Fan, der aus Spaß ohne Bezahlung arbeitet."

Eine Million Euro wurden dem Sammler für seine Stücke geboten, doch verkaufen würde er sie nie. Die Lösung für sein akutes Platzproblem soll nun ein über 600 Quadratmeter großes Fachwerkgebäude im Wendland, genauer gesagt in Lüchow-Dannenberg, Ortsteil Lüchow werden: Die ehemalige Filiale des Supermarkts Plus, in der Ulrich Schröder sein Rolling-Stones-Museum einrichten will. Es sei das erste Deutschlands. Die Bauarbeiten sind im vollen Gange.

Aufbauhelfer des Wendlands

Schröders Vorhaben ist kühn. Bislang war die Gegend nur bekannt wegen der Castor-Behälter, die nach Gorleben rollten. Die Kleinstadt Lüchow im ehemaligen Zonenrandgebiet ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast nicht erreichbar, der Bahnhof gegenüber Schröders Wohnsitz seit Jahren verrammelt. Die nächstgelegene größere Stadt Lüneburg ist über 60 Kilometer entfernt. Aber der Museumsbauer ist überzeugt: "Die Fans kommen da hin, wo das Museum steht. Da ist es egal, ob es sich in einer Großstadt oder auf dem Land befindet."

Nicht wenige Einheimische betrachten den Stones-Fan als Sonderling, dessen Traum vom eigenen Museum zum Scheitern verurteilt ist. Schröder selbst sieht sich als eine Art Aufbauhelfer Ost der Lüneburger Heide. Er möchte der strukturschwachen Region helfen, die touristisch bisher nur mit kurios anmutenden Rundlingsdörfern und Kartoffelhotels aufwartet.

Nach dreijähriger Verhandlung bezuschusste die Stadt Lüchow immerhin die Museumsimmobilie mit 100.000 Euro, im Gegenzug verpflichtete sich der Stones-Verrückte dazu, das Museum zehn Jahre lang zwischen Ostern und Ende Oktober an sechs Tagen für je sechs Stunden zu öffnen. Bleiben die Türen verschlossen, muss er der Stadt pro verbleibendem Jahr jeweils 10.000 Euro zurückzahlen.

Das Risiko liegt letztendlich bei Schröder, der das Projekt fast vollständig aus eigener Tasche bezahlt: Es geht das Gerücht um, dass er eine halbe Million Euro Eigenkapital investiert. Konfrontiert mit dieser Zahl gibt Schröder sich reserviert, leitet lieber zur nächsten Anekdote über.

Keith Richards schenkte Karton voll mit Batterien

Seine Augen leuchten, und ein Grinsen kann er sich auch nicht verkneifen, als er von einem Stones-Konzert in Düsseldorf berichtet. Dort stand er direkt vor der Bühne, schaltete seinen Illuminationsanzug an - und hätte Keith Richards so zum Lachen gebracht, dass dieser beim nächsten Lied seinen Einsatz verpasst habe, erzählt Schröder. Hinterher sei jemand aus der Begleittruppe gekommen, habe ihm Plektrons gebracht und einen schweren Karton, ein Geschenk von Richards, voll mit Batterien sämtlicher Art. "Keith konnte ja nicht wissen, dass meine Lichtanlage mit Akkus läuft", sagt Schröder schmunzelnd.

Ein wenig gerührt wirkt der selbsternannte Hardcore-Fan, als er beginnt, von der Unterstützung anderer Stones-Verrückter zu erzählen. So gibt es den Malermeister aus Leipzig, der seine Arbeit stehen ließ, um bis zur Museumseröffnung nach Lüchow zu ziehen und für eine "sporadische Bezahlung" bei den Renovierungsarbeiten zu helfen. Ein älteres Ehepaar aus Magdeburg plane, seinen Ruhestand in Lüchow zu verbringen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es ehrenamtlich für das Museum arbeiten dürfe.

Täglich Post von Fans

Täglich erreicht Schröder Post. Stones-Begeisterte schicken ihm Umzugskartons voll mit Merchandising-Artikeln, viele schneiden Artikel über die Altrocker aus Zeitungen und Zeitschriften aus und senden sie ihm zu. Der Museumsbauer muss die unzähligen Exponate nach chronologischer Reihenfolge sortieren, schließlich soll im Museum die Geschichte der Rolling Stones erzählt werden.

Ostern 2011 soll das "Stones Fan Museum Lüchow", so der geplante offizielle Name, eröffnen. Ron Wood und Bill Wyman, der ehemalige Bassist der Band, gäben sich interessiert, sagt er, sie würden regelmäßig von ihm auf dem Laufenden gehalten werden. Er hofft auf einen Auftritt seiner Idole, eine Bühne hat der Lüchower schon besorgt. Als eingefleischter Stones-Fan ist ihm aber auch bewusst: "You can't always get what you want."

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