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Dylan-Entdeckung: Rätselhafte Antworten

Foto: Evening Standard/ Getty Images

Dylan-Entdeckung Akkordknappe mit Cordkappe

Bob Dylan hatte noch keine Platte veröffentlicht, als er 1962 bei einer New Yorker Radiosendung auftrat. Der Mitschnitt der Sendung, in der er sang und fröhlich schwindelte, erscheint nun auf CD.

Bob Dylan

Als Musikerin ist die Amerikanerin Cynthia Gooding, die in den Fünfzigern einige Folklore-Platten für das coole "Elektra"-Label einspielte, lange vergessen. Als Moderatorin der in New York übertragenen Radiosendung "Folksinger's Choice" schrieb Gooding Geschichte, als sie im Frühjahr 1962 einen unbekannten Barden namens in ihr Studio einlud. Die knappe Stunde, in der Dylan dort plauderte und aufspielte, ist in hervorragender Qualität erhalten und nun auf der CD "Folksinger's Choice" zu bestaunen.

Als diese Aufnahme entstand, hatte Bob Dylan noch keine Platte veröffentlicht, er gab regelmäßig in New Yorker Clubs Lieder seiner Blues- und Folk-Idole zum Besten und versuchte sich neuerdings auch an eigenen Stücken. Gooding kannte Dylan von den kleinen Bühnen in Greenwich Village, wo ihr sein außergewöhnliches Talent aufgefallen war.

Zu ihrer Radioshow tanzte Dylan mit Mundharmonika, Gitarre, Zigaretten und Cordkäppi an. Lässig klampft er Songs seiner Helden Woody Guthrie ("Hard Travelin' "), Bukka White ("Fixin' To Die") und Big Joe Williams ("Baby Please Don't Go") nach. Dazu führte er frühe Dylan-Originale wie "The Death of Emmett Till" (sein wohl erster Protestsong) oder "Hard Times In New York Town" auf.

Dylan behauptete, sechs Jahre mit einem Zirkus herumgereist zu sein

Historisch wertvoll ist diese Show auch, weil Dylan einige der hier vorgetragenen Songs nicht wieder spielte. Aber ein gewaltiges Vergnügen ist dieser Auftritt vor allem wegen der Interviewpassagen zwischen den Songs. Denn unter Dylan-Verehrern sind des Meisters frühe Interviews legendär, seine Kunst, konkreten Fragen auszuweichen, sie rätselhaft zu beantworten, ins Absurde zu drehen und so nichts zu sagen und letztlich den eigenen Mythos zu pflegen. Dass Dylan die Kunst, alle Details seiner Biografie zu vernebeln, bereits als Unbekannter praktizierte, belegen diese Aufnahmen aufs Herrlichste: "You must be twenty?", fragt ihn da die hörbar beeindruckte Moderatorin, worauf Dylan amüsiert antwortet: "Yeah, I must be twenty." Im Verlauf des Gesprächs lügt "His Bobness" dann vergnügt das Blaue vom Himmel herunter, behauptet zum Beispiel, dass er sechs Jahre mit einem Zirkus umhergereist sei, und muss sich mitunter das Lachen verkneifen.

Dass dieses für Dylan-Fans spektakuläre Dokument nicht mit großem Wirbel beworben wird, liegt auch daran, dass die Urheberrechte in einer Grauzone liegen. Die traditionell für Dylan zuständige Plattenfirma Columbia/Sony hat mit dieser Veröffentlichung nichts zu tun. Dass diese seit Jahren illegal kursierende Aufnahme nun legal zu haben ist, ist wohl den etwas undurchsichtigen Copyright-Regeln in Europa zu verdanken. Fest steht, dass diese CD für Dylan-Fans essentiell ist, gut klingt und sogar mit einem informativen Booklet ausgestattet ist. Sie taugt auch als Intro für all die aufpolierten und restaurierten Dylan-Frühwerke, die rechtzeitig zu Weihnachten demnächst von Sony präsentiert werden.

Ob Dylan sein Cordkäppi noch tragen werde, falls er mal reich und berühmt würde, fragt ihn die Moderatorin am Ende der Sendung, worauf "His Bobness" antwortet: "Oh, I'm never gonna become rich and famous."

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