
Echo-Verleihung 2016: Das sind die Preisträger
Echo-Jubiläumsshow Selbst Barbara Schöneberger war überfordert
Es ist natürlich sehr leicht, sich über Preisverleihungen, diese notorisch überernsten Selbstbeklatschungen, lustig zu machen. Und mit einer Veranstaltung wie dem Echo wird es noch mal eine ganze Nummer leichter. Zum 25. Mal wurde der Preis - dessen Vergabe vom kommerziellen Erfolg und nicht von einer Jury abhängt - verliehen, wie auch gelegentliche Leuchtzahlen an den Wänden einer Berliner Multifunktionshalle verkündeten.
Zum historischen Anlass wird gleich zu Beginn die ganze deutsche Musikelite aufgefahren: Klaus Meine pfeift "Wind of Change", dann kommen Tim Bendzko, Peter Maffay, Sido und Lena Meyer-Landrut auf die Bühne. Allerdings nicht miteinander, sondern nacheinander, um dann während kurzer Einspieler auch gleich wieder zu verschwinden, damit das nächste "Ach stimmt, kenn ich doch"-Gesicht seinen oder ihren Hit ein paar Sekunden lang singen darf.
Bei den Grammys wäre das der Moment für einen gemeinsamen Jam oder wenigstens ein Selfie gewesen, bei den Echos wird daraus eine lieblose Nummernrevue, die Barbara Schöneberger anschließend trotzdem mit "Was für eine Eröffnung!" kommentiert. Selbst die Moderatorin, die sonst den Spagat zwischen lebhaft und unangestrengt beherrscht, schafft es nicht, der Show irgendein Thema oder Struktur zu geben.
Vielleicht sind die Echos für große Momente auch einfach die falsche Show. Die historische Montage mit Ausschnitten aus den letzten 25 Jahren jedenfalls hat nicht einen Augenblick zu bieten, der im Gedächtnis geblieben wäre, im positiven oder negativen Sinne. Am ehesten ist das noch der nackte Flitzer, der vor über 15 Jahren mit der Bloodhound Gang auf der Bühne stand, wie sich die Kastelruther Spatzen in einem Einspieler erinnern.
Die Kastelruther Spatzen neben der Bloodhound Gang: Was sich auf dem Papier wie große Show-Dialektik liest, ist in der Realität immer eher ein mulmiges Aneinandervorbeirreden gewesen. Tatsächlich müssen die Preise als Industrieveranstaltung die gesamte Spannbreite deutscher Musik abdecken. Nicht unbedingt auf deutsch, aber es scheint zu helfen. Dass die Delmenhorsterin Sarah Connor mit "Muttersprache" ihr erstes Album auf Deutsch aufgenommen hat, wird als eine Art Rückkehr in die Gemeinde gefeiert und mit dem Preis für die beste Künstlerin Rock/Pop ausgezeichnet.
Mit unhandlichen Kategorien wie "Nationaler Act im Ausland" kann so eine Veranstaltung gerne als nationaler Liederabend enden. Und tatsächlich gab es vor drei Jahren einen Skandal, als die nominierte Band Frei.Wild ein- und dann nach Protesten anderer Künstler wegen vermeintlich rechten Gedankenguts wieder ausgeladen wurde. Dieses Mal sind sie tatsächlich da, und gewinnen auch noch. In ihrer Dankesrede beschwören sie den Wert von "Ehrlichkeit, Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen gegen Engstirnigkeit und Ausgrenzung". Von kurzen Buhrufen lassen sie sich nicht unterbrechen.
"Das fleißigste Bienchen der Musikindustrie"
Übergeben wurde der Preis von Alexander Wesselsky von der Band Eisbrecher, der alle Bands der Kategorie "Bester Künstler Rock/Alternative" dafür lobte, neben dem Mainstream zu sein. Mit Mainstream ist vermutlich jemand wie Helene Fischer gemeint, die in der ersten Reihe saß wie eine Königin aus "Game of Thrones", der bei einem Bankett alle Komplimente machen - O-Ton Gregor Meyle: "das fleißigste Bienchen der deutschen Musikindustrie" -, damit ihnen nicht der Kopf abgeschlagen wird. Für ihr Album "Weihnachten" gewinnt sie vier Preise, inklusive Album des Jahres.
Die einzige Musik in Deutschland, bei denen sich positive Feuilletonaufmerksamkeit und Verkaufszahlen annähernd proportional zueinander verhalten, ist Deutschrap, der aber immer noch, wie Kollegah (bester Act Hip-Hop/Urban national) kritisch anmerkt, ans Ende der Show gepackt wird. Zu wünschen gewesen wäre der Preis der Hamburger 187 Strassenbande, die verdammt lässig mit weiblicher Begleitung im Publikum saßen. Andreas Bourani, bester Künstler Rock/Pop national, spielte derweil einfach mit seinem Handy.
Damit passten beide gut in die lethargische Show. Viele Teilnehmer traten auf, als wären sie kurz vor der Sendung aus dem Tiefschlaf geweckt und dann fünf Minuten zu früh auf die Bühne geschubst worden. Keiner der Gags der Moderationen kommt an, einzig Max Raabe (in der Sprachmelodie inzwischen deutlich an Max Goldt erinnernd) erntet ein paar Lacher und Applaus mit einem kurzen Verweis auf den posthum nominierten Roger Cicero. Zusammen mit Glenn Frey, Slavso Avsenik, Kurt Masur (aber nicht Nikolaus Harnoncourt) und David Bowie ist Cicero einer der Musiker, an die in einer "In Memoriam"-Sektion mit zehnsekündigen Musikausschnitten erinnert wurde. Einzig Bowie wurde mit einer eigenen Nummer (der Chamber Choir of Europe mit "Space Oddity") geehrt.
Nicht nur wegen des absurd hochfrequentierten Prominentensterbens hing sanfter Abschied über den Echos. Es ist der Abschied vom Mainstream, den es nicht mehr gibt. Sie selbst sind der Beweis dafür: Schlager neben Volksmusik, Deutschrap neben Alternativerock, alle leben in ihrer eigenen Nische. Monokultur und Crossover-Künstler sind tot, jeder Künstler ist ein Nischenkünstler. "Lasst uns das Album worshippen, solange wir noch können", sagt Smudo, bevor er den Echo für das Album des Jahres an Helene Fischer verleiht. Als Motto funktioniert das für die ganze Veranstaltung: Ein schläfriger Ball auf dem Schiff der Musikindustrie, das schon längst gegen den Eisberg geprallt ist und trotzdem einfach nicht untergehen will.