
Echo-Gewinner 2017: "Wir pushen immer weiter"
Echo-Verleihung 2017 Ü-50-Party ohne Hall
Gegen den renommiertesten deutschen Musikpreis Echo gäbe es theoretisch viel zu sagen. Oder man geht hin. Nach Berlin, Messehallen, um vor Ort zu schauen, ob alles wirklich so schlimm ist. Ja, ist es. Aber der Reihe nach.
Seit Jahren schlingert der Echo. Die Liste negativer Kritiken könnte eine eigene Kategorie sein. Mit der 26. Verleihung sollte das anders werden. Die Deutsche Phono-Akademie und der Privatsender Vox hatten dafür kräftig Werbung gemacht: weniger Preise, mehr Jury-Beteiligung, mehr Show.
Damit ging es schon mal los: "Vergesst Terror, Angst und Krieg / Wir feiern heute die Musik", sangen die Gastgeber Xavier Naidoo und Sasha zu Beginn der Veranstaltung. Dabei standen sie vor einer Container-Kulisse, und eigentlich hätte man die Sause hier schon beenden können. Denn wie soll man eine zeitgemäße Show ernst nehmen, die von der aktuellen Weltlage nichts wissen will?
An welche Art von Sendungs-Reformation Vox nun konkret gedacht hatte, war auch nach gut zwei Stunden nicht klar. Neben hölzernen Dialogen und einem peinlichen Beinahe-Kuss zwischen Sänger Sasha und Naidoo wurde sich für die beiden Moderatoren nichts Weiteres ausgedacht. In der gesamten Show gab es nicht eine Überraschung, keinen gelungenen Gag. Nichts. Alles verpuffte unter dem Hallendach 20. Im Publikum wurde früh Bier geholt. Die Angst, etwas zu verpassen, war nicht sehr groß.
Der Preis ignoriert eine vielfältigere Musikszene
Denn schaut man auf die diesjährigen Preisträger, hat man den Eindruck, die Musikwelt ist stehengeblieben: Udo Lindenberg, Ina Müller, das Hip-Hop-Trio Beginner, Andrea Berg, Marius Müller-Westernhagen. Dazu spielten als Live Acts unter anderem Die Toten Hosen und Linkin Park.
Die Veranstalter selbst rechtfertigen die Entscheidung für die Gewinner mit einer Mischung aus Charts-Platzierungen, Verkaufszahlen und einer Fach-Jury, die aber eher undurchsichtig bleibt. Das mag bei dem selbstauferlegten Modus halbwegs fair sein, sorgt aber auch dafür, dass das Durchschnittsalter der Künstler in Kategorien wie "Album des Jahres" zwischen 50 und 60 Jahren liegt.

Echo-Gewinner 2017: "Wir pushen immer weiter"
Vor allem ignoriert der Preis aber eine vielfältigere deutsche Musikszene, die es ja gibt - jedoch schaffen es Künstler wie Drangsal oder die Antilopen Gang gerade mal als Nominierte in die Kategorie "Kritikerpreis". Letztlich muss der altehrwürdige Echo sich entscheiden, ob er ein bloßer Verkaufspreis bleiben möchte oder eine kreative Musiklandschaft auszeichnen will.
Denn auffällig ist es schon, dass eine Band wie Annenmaykantereit, die an diesem Abend als "Newcomer national" und "Band Pop national" gleich zweifach prämiert wurde, lieber ein Konzert in Saarbrücken spielt, als nach Berlin zu kommen. Da nützte auch ein Alibi-Auftritt der Milchschnitten-Gang Tim Bendzko, Max Giesinger und Wincent Weiss wenig.
"Lieber uncool sein als ein cooles Arschloch"
Irgendwann kann man seine Notizen wegschmeißen. Aber das ist egal. Man hat den weiteren Verlauf der Show genau vor Augen: Auf zwei Leinwänden wurde die Karriere von Marius Müller-Westernhagen gezeigt. Man sah Stadionkonzerte, Lederwesten, Männer, Frauen, Bilder aus den Achtzigerjahren, Bilder aus den Neunzigerjahren, dazwischen Udo Lindenberg.
Das war hübsch, gleichzeitig aber auch wie ein Mosaik vergangener Tage. Fast kein Echo-Gewinner in diesem Jahr hat der Musikwelt etwas signifikant Neues hinzuzufügen. Es ist der bewährte Aufguss grunddeutscher Gemütlichkeitsmusik. Mit seinen Preisträgern 2017 hat der Echo sich zurück in die Vergangenheit katapultiert. Dort verharrt er, friert ein, stirbt aber nicht. Sondern lebt weiter als eine langweilige Verleihung voll mit gefühlten Lebenswerk-Preisen.
Den einzigen Ausreißer in der Show leistete sich übrigens Hosen-Frontmann Campino, der verbal gegen Moderator Jan Böhmermann schoss. Auf der Bühne forderte er alle Musiker auf, sich gegen das "Böhmermannsche Zeitgeistgeplapper" zu stellen und sich "nicht den Schneid abkaufen zu lassen, nur weil man sich sozial engagiert". Der Sänger arbeitet sich offenbar an einem Beitrag von Böhmermann aus dem Jahr 2014 ab, bei dem der Moderator gegen eine Charity-Aktion von Campino ätzte.
Vielleicht sei er alt und konservativ, sagte Campino. "Aber lieber uncool sein als ein cooles Arschloch, das sich nicht konstruktiv einbringen kann." Auf die Hassfigur Böhmermann konnten sich dann offenbar viele im Saal einigen: Der "Neo Magazin Royale"-Moderator hatte kurz vor der Gala von "seelenloser Kommerzkacke" gesprochen, die beim Echo ausgezeichnet werde.
Das alles kann man sich heute Abend als Aufzeichnung auf Vox anschauen. Oder man lässt den Fernseher aus und hört Musik.
Vox zeigt die Verleihung des ECHO 2017 am Freitag, den 7. April 2017, um 20:15 Uhr.