EM-Songs aus ganz Europa Und sie singen trotzdem!

Es wird eine seltsame Fußball-EM, also ist auch die Begleitmusik der verspäteten »Euro 2020« kurios: Es gibt Rap-Streit in Frankreich, einen mazedonischen Mähdrescher und aus Belgien einen Hammer.
Alphabeat-Gitarrist: »Danish Dynamite« zündet

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Normalerweise sind die Lieder, die von Fußballverbänden zu großen Turnieren in Auftrag gegeben werden, dazu da, um den Schulterschluss zu üben zwischen den Teams und den Fans, oder gar zwischen Nationalmannschaft und Nation. Wenn es gut läuft, werden die Songs so angenommen, dass sie im Stadion nicht nur aus der Lautsprecheranlage schallen, sondern auch gesungen werden – das ewige Ideal sind die »Three Lions« von den Lighting Seeds und Baddiel & Skinner bei der EM 1996 in England: »It's coming home, it's coming, football's coming home«.

Doch diesmal begibt sich der Fußball auf lange Reisen durch ganz Europa (und nach Aserbaidschan). Fans werden deutlich weniger in den Stadien sein. Und hoffentlich wird denen, die da sind, nichts passieren. Statt die Rückennummer der Turnierkader auswendig zu lernen, schauen die Daheimgebliebenen sorgenvoll auf Coronafälle und »Reserveblasen«. Aber dennoch bemühen sich Verbände, Sender und Sponsoren, wenigstens etwas Vorfreude zu schüren für diese seltsame EM 2021 – auch mit Musik.

Der Turniersong

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Zu den Seltsamkeiten des Turniers gehört sein aus der Zeit gefallener offizieller Name »Uefa Euro 2020«. Der europäische Verband hatte schon eine ganze Weile vor dem eigentlich geplanten Datum den Auftrag für den offiziellen Song an den niederländischen DJ und Produzenten Martin Garrix vergeben, eine Art sanftmütiger David Guetta. Der holte sich für »We Are The People« prominente Unterstützung von Bono und The Edge von U2 aus dem für die EM nicht qualifizierten Irland.

Erstaunlicherweise erkennt man die Arpeggio-Sounds des Gitarristen The Edge treffsicherer als die Stimme von Bono, aber auch die gehen bald unter in einem keyboardsatten Wohlklangsound. Zeilen wie »Streets of Dublin to Notre Dame« und »Broken Bells and a Broken Church« legen nahe, dass der Text eher mit einer Brandkatastrophe als mit einem Fußballturnier im Sinn geschrieben wurde. Aber man wird sich das im Verlauf von vier Wochen schon schönhören.

Bei der Eröffnungsfeier im Stadio Olimpico von Rom werden Garrix und die U2-Stars allerdings nur virtuell aufspielen, wie die Uefa vorab mitteilte: Zu den Klängen von »We Are The People« werde das Spielfeld in eine weißblaue Flamme verwandelt, aus Millionen Lichtern werde ein Energiefeld erzeugt, hieß es. Sänger Bono werde auf die Bühne projiziert. Vorfreude?

Die Neuen

Schweres Gerät aus Nordmazedonien (Videostill)

Schweres Gerät aus Nordmazedonien (Videostill)

Wirkliche Vorfreude versprühen hingegen die offiziellen Songs der erstmals qualifizierten Länder. Nordmazedonien schickt die Gruppe Vis Risovi mit einem angepunkten Gröhl-Rocksong ins Rennen. Im Video  ist das ganze Land in rot-orange Farben getaucht, vom Mähdrescher bis zum futuristischen Mini-Atomium, Altstar Goran Pandev schaut gelassen in die Kamera, und im Text heißt es, wenn der Google-Übersetzung zu glauben ist: »Lass jetzt ganz Europa erschüttern von einem starken, mächtigen Mazedonien«.

Der andere EM-Neuling ist Finnland. In der traditionellen Eishockeynation bemüht man sich ganz ausdrücklich darum, etwas Euphorie um die als »Uhus« bezeichneten Fußballer zu schüren. In einem Werbeclip kicken Kinder in Nationaltrikots anderer Länder und werden aufgerufen, sich lieber in Weiß und Blau zu kleiden. Dazu läuft der Song »Sukupolvien unelma «, eine musikalisch vergleichsweise komplexe Komposition des in Berlin lebenden Sängers Niila. Er kam an den Auftrag auf dem kurzen Dienstweg: Niilas Bruder ist Paulus Arajuuri, Abwehrchef und manchmal sogar Mannschaftskapitän der Finnen.

Der Ärger

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Frankreich präsentierte den Song »Ecris mon nom en bleu« bei der Vorstellung des EM-Kaders Mitte Mai. Der ziemlich hypnotische Track des Rappers Youssoupha passte allerdings nicht jedem: Ein führender Politiker des rechten Rassemblement National hatte gezürnt über die Wahl des Rappers, von »Abschaum« gesprochen. Die Ministerinnen für Sport und für Kultur erklärten zwar ihre Unterstützung, doch der Präsident des Fußballverbandes FFF, der 79-jährige Noël Le Graët, distanzierte sich  – die Musik zur Teampräsentation sei die Idee von jungen Leuten in der Werbeabteilung gewesen, er brauche das nicht, und überhaupt: »Manche mögen Rap, andere weniger.«

Auch in England soll ein Rap-Track die neue Spielergeneration repräsentieren – die BBC drehte sogar einen Dokumentarfilm  um die Entstehung von »We Are England«, in dem die Rapper Krept and Konan auch mit Spielern und Trainer Gareth Southgate darüber sprechen, wie ein passender EM-Song sein sollte. Wahrscheinlich wird er den Stadionbesuchern, die die englischen Spieler bereits für ihre antirassistische Kniegeste ausbuhten, eher nicht gefallen.

Die Cover

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Als Schottland sich zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren wieder für ein großes Turnier qualifizierte, feierten die Spieler angemessen ausgelassen in der Kabine. Die Runde in den sozialen Medien machte ein kurzer Clip, in dem die Fußballer mit herrlichstem schottischen Akzent »Yes Sir, I Can Boogie« sangen. Prompt wurde der Discosong des spanischen Duos Baccara aus den tiefsten Siebzigern zur neuen Hymne des schottischen Teams – zum Turnier gibt es nun eine elegante Coverversion  der Glasgower Rockband The Fratellis.

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Eleganz ist eher nicht die Stärke der Hymne, die die sogenannten roten Teufel aus Belgien anfeuern soll: Reichlich stumpf, aber ziemlich treibend ist der Beat von »Deviltime«, der Hammer aber ist, dass es MC Hammer zitiert, natürlich dessen Klassiker »U Can't Touch This«.

Für die Slowakei wiederum hat man hingegen die alte Partisanenhymne »Bella Ciao« umgedichtet. Allein mitten auf dem großen Fußballfeld kauert die Sängerin Dália Migaľová in traditionellem Kostüm und singt »Daj góla, daj!« – im Zwischenschnitt treffen Marek Hamšík & Co. ins Tor.

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Die Spaßvögel

Was »Three Lions« ja auch bewiesen hatte, war, dass eine Portion Humor dem Fußballlied als solchem ganz guttun kann. Mehrere Länder beherzigen das in dieser ansonsten nicht ganz so lustigen Zeit. Für Tschechien gibt es Akkordeon-Punk garniert mit einem charmanten Musikvideo  um einen Familienvater auf dem Weg zur Fußballkneipe (vor 2021 gedreht?) – Special Guest: eine Schildkröte namens Nedvěd.

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Italien hingegen hat das Making-of zum Song gleich selbst gemacht: »Coro Azzurro« vom Sport-Comedy-Trio Gli Autogol strotzt nur vor Referenzen (Zidanes Kopfstoß, Luca Tonis Ohrschrauber), Nationaltrainer Roberto Mancini tritt auch auf, und ein ziemlicher Ohrwurm ist es trotz allem.

Die beste Laune allerdings macht der Beitrag von Dänemark, er stammt von der Band Alphabeat und spielt mit der Nostalgie der Fußballfans: Der Slogan vom »Danish Dynamite« aus den glorreichsten Tagen des dänischen Fußballs wird wieder aufgegriffen. Die Nationalspieler singen auch selbst mit – wie zu Zeiten von Udo Jürgens . Und wenn das Gitarrensolo kommt, spielt Mittelfeldregisseur Christian Eriksen sogar Luftgitarre.

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Die Deutschen

Apropos Udo Jürgens: Der DFB bringt ja schon seit etlichen Jahren kein offizielles Lied mehr zu Turnieren heraus (wenngleich es bei »Jeder für Jeden« von Felix Jaehn und Herbert Grönemeyer 2016 eine enge Kooperation gab). Deshalb kommen die deutschen EM-Songs in diesem Jahr von den übertragenden Fernsehsendern – was ja bei der WM 2014 und Andreas Bouranis »Auf uns« zum Beispiel eine erfolgreiche Paarung war.

Diesmal hat die ARD für ihre EM-Berichterstattung den Song  »Die guten Zeiten« von Wincent Weiss und Johannes Oerding ausgewählt. Der Fußballbezug hält sich in Grenzen: »Ich kann das Gestern und das Morgen eh nicht lenken/ Also denk' ich in Momenten« – denkt das der Stürmer, der allein auf den Torwart zuläuft? Auch im Video, das erst am Sonntag veröffentlicht wird, ist Bro-Romantik auf dem Campingplatz wichtiger als Fußball.

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Ein bisschen mehr Fußballkitsch-Potenzial hat da der Titel, den der Neu-Rechteinhaber Magenta TV als sein offizielles Lied präsentiert: »On the Field of Dreams« heißt der Song von Daniel Hall, und im Video rollt sogar mal der Ball.

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