HipHop-Band Freundeskreis "Wir wollten die deutsche Musik revolutionieren"
Die Spree schwappt geduldig, die Sonne lächelt huldvoll, die Stimmung ist entspannt. Ein von der Marginalität bedrohter Musikfernsehsender blinzelt verträumt in einen hellen Vormittag, Markus Kavka raucht noch mal schnell eine Zigarette auf der Terrasse der betriebseigenen Kantine. Auf einem zur Bar umgebauten Lastkahn sitzen Max Herre und Philippe Kayser, ein Mikrofon wechselt zwischen den beiden hin und her, eine Kamera sieht ihnen dabei zu. Die Botschaft dieser Szenerie: Der Sommer ist da und Freundeskreis sind zurück.
Wenn man bedenkt, dass MTV seinen eigentlichen Gegenstand, die Musik, mittlerweile recht stiefmütterlich behandelt, ist es kaum zu überschätzen, dass der Rückkehr der schwäbischen HipHop-Institution doch eine vergleichsweise breite Berichterstattung eingeräumt wird. Sieben Jahre waren Freundeskreis weg, keine neuen Songs, keine Konzerte. Nun, da sich zum zehnten Male das Erscheinen ihres ersten und größten Hits "A-N-N-A" jährt, haben sie wieder zusammen gefunden für einige Aufritte bei großen Open-Air-Festivals. Den Auftakt machte das Splash, die große Leistungsschau des deutschen HipHop am vergangenen Wochenende in Leipzig. Unterstützt wird das Comeback von der Best-of-Sammlung "FK 10", die als zusätzliches Verkaufsargument außer den altbewährten Gassenhauern zwei neue Stücke beinhaltet.
Die alten Songs sind tatsächlich längst zu Klassikern gereift. Das liegt auch dran, dass es einem wesentlich länger vorkommt als nur zehn Jahre, dass der deutsche HipHop den Mainstream erreichte, dass die Absoluten Beginner zu Stammgästen in Teeniepostillen wurden, Samy Deluxe die einheimische Reimkunst auf ein ungeahntes Niveau hob und Eins, Zwo hintergründigen Humor massenkompatibel machten.
Auch Freundeskreis erfüllten ihre Aufgabe in diesem Spektrum: Das Stuttgarter Trio bediente die Müsli-Esser, Sozialpädagogen und Dritte-Welt-Aktivisten, die nach einem harten Tag an der Antifa-Front auch mal ausspannen und tanzen wollten. Songs wie "Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte", "Esperanto" oder "Tabula Rasa" vertraten progressive Inhalte, aber trotzdem standen Freundeskreis, erinnert sich Herre, "als einzige aus der Szene mit einem Bein im Pop". Und Herre wurde dank seiner Locken von der "Bravo" zum "Jesus von Benztown" gekürt.
Das Prinzip Hoffnung
Lang, lang ist's her. HipHop ist in Deutschland so erfolgreich wie nie zuvor, aber es ist nicht der HipHop von Freundeskreis. "Die Paradigmen haben sich geändert", sagt Herre, dessen Haare weitgehend einer radikalen Fastglatze zum Opfer gefallen sind, und meint: Weg von den intellektuellen Inhalten, hin zum Gangsta-Rap, zur sogenannten Berliner Härte von Rappern wie Kool Savas, Bushido oder Sido.
Herre, der mit seiner Frau Joy Denalane und den beiden gemeinsamen Kindern in der Hauptstadt wohnt, mag zwar mittlerweile der Nachbar dieser Herren sein, aber vermisst bei ihnen den guten alten "Authentizitätsanspruch" des HipHop: "Viele erzählen nicht mehr ihre Geschichte, sondern die Geschichte ihres übelsten Kumpels." Inhaltlich setzt er deren trister Sicht auf eine von Gewalt und Geld regierte Welt "Das Prinzip Hoffnung" entgegen. So heißt jedenfalls einer der beiden neuen Songs. In dem "strahlt" einem das titelgebende Gefühl "entgegen aus Kinderaugen". Es ist einer dieser Momente, in denen der Texter Herre daran scheitert, "dass die deutsche Sprache nicht so floskelhaft ist wie die englische. Wir hatten keine Vorbilder damals, da liegt man manchmal auch daneben".
Tatsächlich klingen die beiden neuen Lieder ziemlich exakt so wie jene, mit denen der Freundeskreis bekannt wurde. Also stets ambitioniert, aber immer auch an der Grenze zum Kitsch. Heute wirkt das zudem mitunter nicht mehr ganz zeitgemäß, aber es taugt doch als Erinnerung daran, dass es mittlerweile sehr viel selbstverständlicher geworden ist, deutsch zu texten. "Wir haben das vorangetrieben", sagt Herre. "Wir wollten die deutsche Musik revolutionieren", ergänzt der ansonsten vergleichsweise stille Kayser.
Der 34-jährige Herre hat in der Zwischenzeit ohne den Freundeskreis eine recht erfolgreiche Solo-Karriere lanciert, produziert die Alben seiner Frau und betreibt das eigene Label Nesola. Auch Beatbastler Kayser hat zusammen mit der Sängerin Laura Lopez Castro ein zweites Standbein entwickelt. Und der dritte im Bunde, DJ Friction, hat sich zu einem der gefragtesten Plattenaufleger der Republik entwickelt. Doch dass die, so Herre, "wahnsinnige Lust, mal wieder in der Besetzung live zu spielen", nicht der einzige Grund für die drei ist, das Comeback zu wagen, dass die Wiederauferstehung des Freundeskreis durchaus lukrative Seiten hat, geben sie trotzdem gern zu: "Aber ginge es uns nur darum, dann hätten wir die Kuh mit einem neuen Album richtig gemolken."
Die zwischenzeitliche Stilllegung des Freundeskreises habe durchaus "ein Vakuum" hinterlassen, meint Herre. Vor allem, "weil wir auch mal einen politischen Song gemacht haben. Jan Delay ist doch der einzige, der sich das heute noch traut". Falls es dieses Vakuum tatsächlich geben sollte, dann müsste es künftig allerdings von anderen gefüllt werden. Das Comeback, auf diese Mitteilung legen Herre und seine Kollegen wert, soll nur ein temporäres und am Ende des Sommers wieder beendet sein. "Wir wollen alle zurück an unsere eigenen Platten", verspricht Herre.
So werden die Auftritte bei den Festivals ebenso wie das Best-of-Album vor allem die Nostalgie eines mittlerweile mit der Band gealterten Publikums befriedigen helfen. Noch einmal wird es an eine Zeit erinnert werden, in der es schien, als ob der deutsche HipHop mit intellektuellen Inhalten und technischen Finessen auf Dauer erfolgreich sein könnte. Auch andere Protagonisten dieser Zeit haben unlängst Platten veröffentlicht. Toni L., der mit den Pionieren Advanced Chemistry dereinst deutschsprachigen Polit-Rap erfand, hat mit "Funkanimal" eine Platte herausgebracht, die sich sehr unterhaltsam auf die Suche nach den musikalischen Wurzeln von Rap begibt. Und Kinderzimmer Productions, Ulms verspulte Antwort auf die frühen De La Soul, haben mit "Asphalt" ein Album auf gewohnt fantasievollem Niveau gemacht.
Allein: Wen interessiert das heute schon? Das öffentliche Interesse an den Alternativen zu Bushido und Co. geht gegen Null. Oder, wie Max Herre in "Das Prinzip Hoffnung" rappt: "Die Jungen glauben nicht mehr an die alten Rezepte."
Freundeskreis: "FK 10" (Nesola/Four Music/SonyBMG)
Kinderzimmer Productions: "Asphalt"
(Kinderzimmer Records/Rough Trade)
Toni L. & Safarisounds: "Funkanimal (360 Grad/Rough Trade)