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Independent Jazz Labels: Rettung durch die Kleinen

Foto: ACT / Jimmy Katz

Independent-Labels Je kleiner, desto Jazzer

Während amerikanische Musikkonzerne den Jazz ausmustern, halten ihn kleine Firmen am Leben. Auch zwei deutsche Produzenten werden weltweit beachtet - und räumen Preise ab.

Am 20. Juli 1940 veröffentlichte das amerikanische Magazin "Billboard" zum ersten Mal eine "Music Popularity Chart", die wöchentliche Liste der am meisten verkauften Schallplatten. An erster Stelle dieser ersten Hitparade stand ein Titel aus dem Bereich Jazz/Jazzverwandtes: Frank Sinatra und die Bigband von Tommy Dorsey mit "I'll Never Smile Again". Das war vor 70 Jahren. Auch in den folgenden Jahrzehnten interessierte sich ein breites Publikum für Jazz, die großen Musikkonzerne verdienten gutes Geld mit Künstlern wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald und Dave Brubeck.

Heute fristet das als "Musik des 20. Jahrhunderts" gefeierte Genre ein Nischendasein. Plattengiganten wie Sony, Warner und Universal bieten kaum noch Jazz-Neuerscheinungen an. Für sie ist Jazz out.

Doch der Niedergang bietet kleinen Firmen eine Chance: "Independent labels have inherited the earth", schwärmt Jeff Levenson - kleinen, unabhängigen Firmen stehe die Welt offen. Der 58-jährige New Yorker hatte die Jazz-Abteilungen von Warner und Sony / Columbia geleitet, ehe er 2002 Chef bei "Half Note" wurde. Das ist ein Label, das in Zusammenarbeit mit den Blue-Note-Jazz-Clubs in New York, Japan und Italien CDs produziert und vertreibt. So entstand 2009 beim New Yorker Gastspiel des Saxophonisten James Carter das Album "Heaven On Earth". Der Blue-Note-Club wurde sozusagen als Aufnahmestudio genutzt. Da spare man Geld, sagt Levenson. Weil weltweit Plattengeschäfte schließen, müssten auch neue Vertriebswege entwickelt werden. Eine Möglichkeit: der Verkauf von Tonträgern in Jazzkellern und auf Festivals. Da gibt es zur neuen Platte oft auch die Autogramme der Musiker.

US-Stars bevorzugen deutsche Labels

Wie die neue Vertriebsart auch in Deutschland läuft, konnte man beim diesjährigen Festival JazzBaltica in Schleswig-Holstein beobachten. Der Stand des Labels ACT war ständig von Fans umlagert. Sie kauften in drei Tagen Hunderte CDs. ACT gehört zu zwei Independent-Labels aus Deutschland, die weltweit beachtet werden. Siegfried Loch, der am 6. August 70 wird, verfügte als Führungskraft in Konzernen wie Warner über immense Erfahrungen, als er 1992 das Jazzlabel ACT gründete. Inzwischen ist die Münchner Firma international so etabliert, dass der aufstrebende US-Piano-Star Vijay Iyer einen Exklusivvertrag mit ACT abschloss. Das Label gewann in diesem Jahr den Echo-Jazzpreis.

Das andere deutsche Unternehmen, das seit dem Niedergang der amerikanischen Großkonzerne den Jazz auf höchstem Niveau am Leben hält, ist ECM. 1969 wurde das gleichfalls in München ansässige Label von dem klassischen Bassisten Manfred Eicher gegründet. Der 67jährige produzierte in den vergangenen 40 Jahren über tausend Tonträger; berühmt sind seine Alben für ihr klares Klangbild.

Eicher erweiterte den Jazz, indem er stilbildende europäische Musiker wie den norwegischen Saxophonisten Jan Gabarek herausbrachte. Aber auch experimentierfreudige Amerikaner fanden in dem deutschen Label einen verständnisvoll fördernden Partner. Keith Jarrett ist das herausragende Beispiel. In diesem Jahr wurde Eicher mit dem Lifetime Achievement Award des US-Magazin "Down Beat" geehrt, einer Auszeichnung für das Lebenswerk von "Jazzpionieren und -Unternehmern, die unermüdlich daran arbeiten, Jazzmusiker und das Publikum weltweit zu verbinden".

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