Interview mit José Padilla "Ein DJ ist wie ein Stierkämpfer"
SPIEGEL ONLINE:
Herr Padilla, wann ist der perfekte Moment, um Ihre Musik zu hören?
José Padilla: Kommt auf deine Stimmung an. Du kannst die Songs beim Essen, Autofahren oder beim Sex hören. Natürlich auch bei einem Sonnenuntergang auf Ibiza. Allein oder zu zweit.
SPIEGEL ONLINE: Würde es Sie ärgern, Ihre Songs im Fahrstuhl zu hören?
Padilla: Nicht, wenn es ein Fahrstuhl in einem von Philippe Starck designten Hotel in London oder Paris wäre. Wenn es der Fahrstuhl in einer amerikanischen Shopping-Mall wäre, dann schon.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind einer der ersten DJs, der zum Popidol wurde, ein Pionier sozusagen. Wie fühlen Sie sich dabei?
Padilla: Ich fühle mich weder als Vorbild noch als Popstar noch legendär. Ich bin ein einfacher Plattenaufleger und habe angefangen zu einer Zeit, als es das Wort "DJ" noch gar nicht gab. Ich habe große Zeiten im Café del Mar erlebt, ich habe viel Spaß gehabt, und das einzige, was ich auch heute noch will, ist, den Menschen mit meiner Musik die Zeit zu zerstreuen. Aber irgendwie lässt man mich nicht in Ruhe.
SPIEGEL ONLINE: Woran liegt das?
Padilla: Vielleicht doch daran, dass Menschen etwas in meine Person hineininterpretieren, dass ich gar nicht bin oder darstellen will. Durch die vielen Jahre im Café del Mar bin ich eine Spur zu öffentlich und mir selbst fast fremd geworden. Es wurde wirklich Zeit, dort aufzuhören.
SPIEGEL ONLINE: Als DJ ist man das Bindeglied zwischen Club und Publikum und damit immer öffentlich.. Das allein kann also nicht der Grund gewesen sein, im Café del Mar aufzuhören.
Padilla: Richtig. Ich habe mich mit den Besitzern zerstritten.
SPIEGEL ONLINE: Angeblich, weil Sie zuviel Geld gefordert haben.
Padilla: Nein, dass stimmt nicht. Man wollte mich in meiner künstlerischen Freiheit beschneiden und hat mich zu Dingen gedrängt, die ich nicht mehr tun wollte. Ich sollte plötzlich wieder Partys organisieren, das wollte ich aber nicht. Als man merkte, dass das Café del Mar eine Marke wurde, redeten mir immer mehr Menschen in meine Musik rein. Das war's dann, da wollte ich nicht mehr.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich einmal darüber beklagt, dass Ibiza vom vielen Tourismus kaputt gemacht wurde. Andererseits haben Sie mit Ihren heute legendären "Moondance"-Partys seit den siebziger Jahren selbst dazu beigetragen.
Padilla: Es konnte ja damals niemand ahnen, welche Ausmaße das annehmen würde. Ich verdamme ja auch nicht den Tourismus im allgemeinen. Ich finde es nur fürchterlich, wenn Engländer für zwei Wochen im Jahr hierher kommen, sich den Schädel dicht saufen, einen Haufen Drogen nehmen und sich einen Scheißdreck um die Kultur des Landes kümmern, das sie bereisen. Früher war Ibiza verrückter und elitärer, diese Zeiten vermisse ich. Heute zählt nur noch, wie viele Partys du in deinen zwei Wochen abreißt.
SPIEGEL ONLINE: Drogen hat es ja nun auch früher schon gegeben...
Padilla: Drogen hatten früher einen anderen Stellenwert. Drogen waren Ausdruck eines Lebensgefühls, auch von Vertrauen, und wurden bewusster genommen. Heute nimmt doch jeder Diskobesucher jede Tablette, jedes Pulver oder Pille, die ihm hingehalten wird, ohne zu wissen, was da drin ist. Das wird alles nicht gut enden.
SPIEGEL ONLINE: Könnten Sie an einem anderen Ort leben als Ibiza?
Padilla: Nicht wirklich. Ich habe es einmal mit der Nachbarinsel Formentera versucht. Da war es mir zu ruhig, und es gab zu wenig Abwechslung. Letztlich bin ich doch immer rüber nach Ibiza. Griechenland kann ich mir vorstellen, aber da ist es an manchen Orten noch heißer als auf Ibiza. Außerdem ist es zu weit weg vom ganzen Business. Da bleibe ich doch lieber gleich hier.
SPIEGEL ONLINE: Auf Ibiza sind Sie ein Markenzeichen, sie machen diesen Job seit fast 30 Jahren. Wie lange können Sie noch Platten auflegen, ohne dass es peinlich wird?
Padilla: Ich glaube nicht, dass es jemals peinlich wird. Ein DJ ist wie ein Stierkämpfer. Wenn er seine Würde verliert, muss er abtreten. Aber man bescheinigt mir immer noch ein hohes Maß an Würde. Frank Sinatra hat noch mit 80 gesungen. Warum soll ich mit 80 keine Platten mehr auflegen können?
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen sich doch nicht ernsthaft mit Frank Sinatra vergleichen, oder?
Padilla: Warum denn nicht? Sinatra hat man für seine Kunst geliebt, mich verehrt man ebenso dafür. Warum soll ich meinen Job dann nicht auch bis ins hohe Alter ausführen? Ohne meine Musik wäre ich Nichts, die Musik hat mein Leben gerettet. Das möchte ich noch lange an die nächste Generation weitergeben.
SPIEGEL ONLINE: Was hören Sie zu Hause, wenn Sie entspannen?
Padilla: Goa und Heavy Metal - ein wunderbarer Kontrast zu meiner Musik.
José Padillas erstes Solo-Album "Navigator" (Eastwest) wurde am 25. Juni 2001 veröffentlicht