
Stefan Raab: "Das ist ein Lena-Sieg"
Interview mit Lena-Mentor Stefan Raab "Sie hätte mit jedem Song gewonnen"
SPIEGEL ONLINE: Herr Raab, was ist am Samstagabend in Oslo eigentlich genau passiert?
Raab: Lena hat gewonnen, Deutschland hat gewonnen, Europa hat gewonnen. Die ganze Woche habe ich geschwankt. Ich dachte, das könnte gut laufen. Dann wieder nicht. Nachdem ich die Halbfinals gesehen und gemerkt habe, wer da alles weitergekommen ist, fand ich, das könnte schwer werden.
SPIEGEL ONLINE: Wann haben Sie wieder an einen Sieg geglaubt?
Raab: Na ja, öffentlich habe ich kleinlaut getan, aber am Morgen vor dem Contest selbst, las ich von einer Umfrage in Schweden, dass die Leute dort "Satellite" gut finden - da wusste ich, das kann was werden.
SPIEGEL ONLINE: Und Sie haben selbst gewettet?
Raab: Die Kohle vom Bayerischen Fernsehpreis, die ich eigentlich für eine Party meines Teams ausgeben wollte, habe ich dann auf Lena gesetzt - in Wettbüros. 10.000 Euro! Das wird jetzt 'ne noch schönere Party.
SPIEGEL ONLINE: Was war ausschlaggebend für den Sieg?
Raab: Zum großen Teil Lena selbst. Das ist ein Lena-Sieg! Wahrscheinlich hätte Lena mit jedem Finalsong gewonnen. Die Leute lieben Lena. In meiner medialen Karriere hat dieser Sieg eine große Bedeutung. Ich war vorher dreimal dabei, bei Guildo Horn 1998, selbst auf der Bühne 2000 und mit Max Mutzke 2004 - mir hat es immer Spaß gemacht, junge Talente zu unterstützen. Wenn das klappt wie jetzt bei Lena, macht mich das stolz.
SPIEGEL ONLINE: Auf Lena?
Raab: Auf das ganze Team. Wir haben mit Leidenschaft Unterhaltung gemacht - und wenn das mit Erfolg gekrönt wird, ist das super. Was man aber nicht vergessen darf: Wir machen nur Unterhaltung, nur Musik. Ich hoffe für Lena, dass der Hype auch wieder ein bisschen abnimmt - weil der auf die Dauer kaum zu ertragen wäre. Aber das wird sich schon einpegeln.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie erwartet, dass Lena im Finale die beste Performance überhaupt hinlegen wird?
Raab: Bei Lena weiß ich, dass sie, wenn's drauf ankommt, elektrisiert ist. Was sie braucht, um richtig abzugehen, ist die Unterstützung des Publikums. Und sie merkte, als sie in die Arena kam, dass die Leute total abgingen, als sie sie sahen. Die ganze Halle hat ja gejubelt und mitgesungen. Das motivierte sie - und wurde zur Sensation.
SPIEGEL ONLINE: Sie brauchte noch Motivation?
Raab: Ist in jedem Sport, in jedem Wettbewerb das A und O. Das ist ein wichtiger Punkt.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind nach diesem Sieg noch nicht satt?
Raab: Was heißt schon satt? Ich halte nichts von der Theorie, dass man aufhören soll, wenn's am schönsten ist.
SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?
Raab: Dafür bin ich noch zu jung - und zweitens weiß ich nicht, ob es nicht noch schöner wird. Deswegen ist es mein Ernst, wenn ich sage, Lena muss nächstes Jahr den Titel verteidigen. Bei der EM im eigenen Land. Das ist die Aufgabe. Ich kann mir vorstellen, dass die Zuschauer sie unterstützen werden - das wird der Hammer.
SPIEGEL ONLINE: Was reizt Sie überhaupt am Eurovision Song Contest?
Raab: Der Wettbewerb. Wettbewerb mag ich immer. Hier werden nicht zwei Fußballmannschaften verglichen, sondern Äpfel mit Birnen und Aprikosen und Trauben und Bananen. Der eine Song ist eine Ballade, der andere ein Up-Tempo-Song - so eine Veranstaltung gibt es sonst kein zweites Mal auf der ganzen Welt, und das macht sie spannend. Und lustig. Mich interessiert am Song Contest der Spaß.
SPIEGEL ONLINE: Wie "Shalali Shalala" aus Holland?
Raab: Ist ja nicht die Crème de la crème gewesen, aber man kann doch trotzdem Spaß haben, oder? In Kombination mit Wettbewerb ist das alles die geilste Entertainment-Sache, die es so gibt. Vor allem mit dem Voting - die Leute hauen sich Furchen in die Schenkel, wenn ihr Land gewinnt. Es ist elektrisierend. Dass man über die Qualität immer streiten kann, das ist genau die Qualität des Wettbewerbs, dass es so ist, wie es ist.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben den Schatten Ralph Siegels verscheucht - er war es, der "Ein bisschen Frieden" schrieb, der einzige deutsche Titel, der bei dem Grand Prix Eurovision je gewann.
Raab: Er hat große Hits geschrieben - und mir geht es niemals darum, irgendwelche Schatten oder musikalische Nachlässe zu verscheuchen. Ich spiele niemals gegen andere, sondern immer nur für mich. Oder immer nur mit anderen für uns. Wir sind nicht gegen Griechenland oder Norwegen angetreten, sondern mit anderen - aber für Deutschland und für uns.
SPIEGEL ONLINE: Ist es jetzt noch Ihre Aufgabe, Mentor von Lena Meyer-Landrut zu sein?
Raab: Natürlich. Der Wissensdrang vieler Medien ist groß, und man zieht sich Unmut zu, wenn man Fragen nicht beantworten will - aber ich finde, im Zweifel muss man in Kauf nehmen, dass der eine oder andere sauer wird.
SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel RTL und die "Bild"?
Raab: Wir versuchen, alles seriös zu machen, ob bei Max Mutzke, Stefanie Heinzmann oder jetzt bei Lena. Manchmal muss man den einen oder anderen Journalisten vor den Kopf stoßen, aber das ganze Leben eines Künstlers kann nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Unsere Verantwortung ist, unsere Künstler zu schützen.
SPIEGEL ONLINE: Ein glücklicher Abend?
Raab: Es gibt keinen Grund, traurig zu sein, nein wirklich nicht. Es ist eine Sensation passiert, ich bin schockiert.
SPIEGEL ONLINE: Die Kooperation mit der ARD geht ja erklärtermaßen weiter.
Raab: Ja, das steht fest. Um Ungewöhnliches zu erreichen, muss man ungewöhnliche Kooperationen eingehen.
Das Interview führte Jan Feddersen
Die Ergebnisse des Eurovision Song Contests 2010
Rang | Land | Interpret | Titel | Punkte |
---|---|---|---|---|
01. | Deutschland | Lena Meyer-Landrut | Satellite | 246 |
02. | Türkei | maNga | We Could Be The Same | 170 |
03. | Rumänien | Paula Seling Ovi | Playing With Fire | 162 |
04. | Dänemark | Chanée N'evergreen | In A Moment Like This | 149 |
05. | Aserbaidschan | Safura | Drip Drop | 145 |
06. | Belgien | Tom Dice | Me And My Guitar | 143 |
07. | Armenien | Eva Rivas | Apricot Stone | 141 |
08. | Griechenland | Giorgos Alkaios Friends | OPA | 140 |
09. | Georgien | Sofia Nizharadze | Shine | 136 |
10. | Ukraine | Alyosha | Sweet People | 108 |
11. | Russland | Peter Nalitch Friends | Lost And Forgotten | 98 |
12. | Frankreich | Jessy Matador | Allez Olla Olé | 98 |
13. | Serbien | Milan Stankovic | Ovo Je Balkan | 82 |
14. | Israel | Harel Skaat | Milim | 71 |
15. | Spanien | Daniel Diges | Algo Pequeñito (Something Tiny) | 68 |
16. | Albanien | Juliana Pasha | It's All About You | 62 |
17. | Bosnien-Herzegowina | Vukain Brajic | Thunder And Lightning | 51 |
18. | Portugal | Filipa Azevedo | Há Dias Assim | 43 |
19. | Island | Hera Björk | Je Ne Sais Quoi | 41 |
20. | Norwegen | Didrik Solli-Tangen | My Heart Is Yours | 35 |
21. | Zypern | Jon Lilygreen The Islanders | Life Looks Better In Spring | 27 |
22. | Moldawien | Sunstroke Project Olia Tira | Run Away | 27 |
23. | Irland | Niamh Kavanagh | It's For You | 25 |
24. | Weissrussland | 3+2 | Butterflies | 18 |
25. | Großbritannien | Josh | That Sounds Good To Me | 10 |