Getöteter IS-Kämpfer Denis Cuspert Vom Rapper zum Mörder

Denis Cuspert (Archivbild von 2005): Erst Rap, dann Krieg
Foto: picture alliance / dpaJetzt hat es ihn doch erwischt. Zwei Mal wurde Denis Cuspert alias Deso Dogg alias Abu Malik oder Abu Talha al-Almani, wie er sich zuletzt nannte, schon totgesagt, doch jedes Mal tauchte er wieder auf, unzerstörbar, so schien es - wie der "Islamische Staat" (IS), für den er kämpfte, sich selbst auch fühlt und präsentiert.
Nun scheint er wirklich tot zu sein. Die ersten Gerüchte kursierten schon vergangene Woche, am Montag vermeldeten es auch Anti-Assad-Kämpfer aus Rakka, die sich dort Gefechte mit dem IS liefern; inzwischen hat es das Pentagon bestätigt. Cuspert ist bei einem Raketenangriff auf sein Auto ums Leben gekommen.
Er war Berliner Kleinkrimineller, Gangsta-Rapper und Kreuzberger Lokalheld. Martial-Arts-Kämpfer, Prediger und gesuchter Islamist. IS-Posterboy und Kopfabschneider. Denis Cuspert hatte ein Leben, wie man es aus Deutschland sonst nicht kennt.
Rappen, um sich aus dem Elend zu befreien
Sein Vater war ein afrikanischer Asylbewerber, der abgeschoben wurde, bevor Cuspert 1975 auf die Welt kam. Sein Stiefvater war ein US-Soldat, seine Mutter mit der Erziehung oft überfordert. So wuchs Denis Cuspert auf den Westberliner Straßen auf. Dort gab es einige mächtige Gangs in den späten Achtzigern, Cuspert rutschte in die Kleinkriminalität, landete schließlich im Gefängnis, wo er den Hip-Hop entdeckte - ein Mittel, sich aus seinem Elend zu befreien.
Er fing damals an zu rappen. Cuspert schien auch ein vielversprechender Künstler zu sein: schwarz, gutaussehend, charismatisch. Es gelang ihm, vor DMX aufzutreten, einem berühmten US-amerikanischen Kollegen. Aber das war's. Höher zu fliegen, gelang ihm nicht.

Terrorismus: Die Verwandlung des Denis Cuspert
Heute wäre das womöglich anders. Heute gibt es professionelle Marketingmechanismen, die Rapper von der Straße in die Charts bringen. Damals, Anfang der Nullerjahre, war der deutsche Hip-Hop noch nicht so weit. Zudem war Cuspert kein wirklich guter Rapper. Seine Wut war authentisch, aber ihm fehlte das libidinöse Verhältnis zur Sprache. Er versuchte, es mit Kraft wettzumachen, das klappte aber nicht wirklich. Und Hip-Hop ist eine Gewinnerkultur. Der Loser zählt hier nichts.
Cuspert fühlte sich verraten von dieser Musik, die ihn eigentlich retten sollte. Er, der echte Gangsta, konnte nicht verstehen, warum Leute wie Bushido an ihm vorbeizogen, Leute, die nur so taten. Er wandte sich dem Kampfsport zu. Doch er war zu alt, um wirklich nach oben zu kommen. Cuspert absolvierte ein paar Kämpfe, gab auf, verschrieb sich der Suche nach spiritueller Reinheit. Die fand er erst im Islam, dann im Islamismus.
Spricht man mit Cusperts alten Weggefährten aus der Kreuzberger Szene, kann sich niemand erklären, wie es dazu kommen konnte. Hip-Hop in Kreuzberg ist links, multikulturell und humanistisch. Als klar ist, dass Cuspert für die Szene verloren ist, gehen ein paar von ihnen los und kratzen alle Tags ab, die Cuspert mal an Kreuzberger Wände gemalt hat. Nichts soll an ihn erinnern.
In Videos kann man ihm beim Irrewerden zuschauen
Cuspert durchlief eine Radikalisierung wie aus einem grausigen Bilderbuch. Er brach den Kontakt zu seinen alten Freunden ab. Seine Beziehung ging in die Brüche, weil seine Freundin sich weigerte, den neuen islamischen Kleider- und Verhaltensregeln zu folgen. Cuspert legte seinen alten Namen ab, nannte sich nun Abu Malik und rückte rasch ins Zentrum des deutschen Salafismus.
In den Videos, die im Internet kursieren, kann man ihm buchstäblich beim Irrewerden zuschauen. Am Anfang, etwa in Aufnahmen, die ihn mit dem Salafisten-Prediger Pierre Vogel zeigen, sprach er noch wie der Straßenrapper, der er gerade noch gewesen war, eher ein unsicherer Zuhörer. Dann fand er seinen Weg, fing an, seine Naschids zu singen und zu predigen. Immer mehr arabische Worte fanden den Weg in seine Sprache, immer klarer schien sich ihm die Welt zu ordnen. Kein grimmiger Blick mehr, meist schaute er verstrahlt und glücklich strahlend in die Kamera. Cuspert wusste jetzt, was er will: den Schmutz, der sich angesammelt hat, mit Blut abwaschen. Wie ein Wanderprediger zog er von Moschee zu Moschee.
Im November 2011 gründete er die militante Gruppe Millatu-Ibrahim mit. Bei den Krawallen am Rand einer antiislamischen Demonstration in Bonn im Mai 2012 war er mit einer Dachlatte in der Hand bei den Straßenschlachten dabei, einer seiner Gesinnungsgenossen griff einen Polizisten mit einem Messer an und verletzte ihn schwer, Cuspert schrieb danach ein Loblied auf den Angreifer. Millatu-Ibrahim wurde verboten, der Geheimdienst observierte ihn; es gibt auch Gerüchte, der Verfassungsschutz habe ihn anwerben wollen. Cuspert tauchte unter, er verließ Deutschland.
Rascher Aufstieg beim "Islamischen Staat"
Erst in Richtung Ägypten wohl, dann nach Syrien. Dort landete er dann beim "Islamischen Staat". Anders als die meisten deutschen Kämpfer, die vor allem Kanonenfutter sind oder sich um die Logistik der wirklichen Fighter kümmern müssen, stieg Cuspert rasch auf. Er war bei Einsätzen dabei, ließ sich einmal dabei filmen, wie er Menschen den Kopf abschneidet.
Irgendwo in der Wüste: Ein gefesselter Mann liegt auf dem Boden. Eine Hand. Ein Messer. Ein langer Schnitt, der die Kehle durchtrennt. Cuspert sagt: "Sie haben den 'Islamischen Staat' bekämpft. Wir haben die Todesstrafe über sie verhängt. Sie haben bekommen, was sie verdient haben." Er kniet nieder und legt den Kopf auf die Leiche.
Mit Geschichten wie der von Denis Cuspert wurde in Deutschland klar, dass dieser Krieg auch unser Krieg ist. Dass die meisten Deutschen denken, die Flüchtlinge aus Syrien würden vor dem "Islamischen Staat" fliehen, hat sicher auch mit seinen Bildern zu tun.
Was Cusperts genaue Funktion beim IS war, wurde nie richtig bekannt. Nur, dass er nicht zurückkommen würde, das war klar.
Denis Cuspert wurde 39 Jahre alt.