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Jazz in Deutschland: Zugabe oder Abgesang

Foto: Boris Breuer

Jazz in Deutschland Zugabe oder Abgesang

Eine Hochschule nimmt Jazz aus dem Lehrplan, ein Branchenriese reduziert sein Jazzangebot; gleichzeitig überrennen anderswo Publikumsmassen ein Festival. Widersprüchliche Signale kennzeichnen die Lage des Jazz in der Republik.

Freitag, der 13., kann auch Glück bringen. An diesem Tag dieses Monats strömten Massen zu einem Jazz-Fest, das selbst seine Veranstalter als ein Ereignis für Insider betrachtet hatten. Denn beim "Winter Jazz" im Kölner Kulturzentrum "Stadtgarten" fehlten Zugnummern wie die weithin bekannten und mit Köln verbundenen Till Brönner oder die WDR Big Band. Stattdessen musizierten 13 Bands aus der lokalen Szene. In Fachkreisen hoch angesehene Spitzenjazzer waren dabei. Aber wer außerhalb der Szene kennt schon die Saxofonistin Angelika Niescier oder den Bassisten André Nendza? Dennoch wurde der Stadtgarten knüppelvoll, und draußen warteten geduldig Menschen in Schlangen. Ja, der Eintritt war frei. Aber die überwiegend jungen und mittelalten Besucher hätten jederzeit gehen können, statt schwitzend den zum Teil avantgardistischen Klängen zu lauschen. "Der Hauptdarsteller dieses Festivals, das Publikum", schrieb die "Frankfurter Rundschau", "hat die Musiker nachhaltig überrascht."

Das Wunder von Köln fällt in eher trübe Tage. Angesichts schwindender CD-Verkäufe hat der Branchenriese Saturn seine Jazz-Abteilungen erheblich verkleinert. In Hamburg kann sich das in ganz Deutschland als Jazz-Club mit Livemusik bekannt gewordene "Stellwerk" nicht mehr halten. In Frankfurt stellt die Musikhochschule in diesem Sommer den Studiengang "Jazz und Popularmusik" ein.

Der unterforderte Jazz

Solche Nachrichten unterstreichen die Klage im "JazzMusikerAufruf", den die Prominenten der Zunft fast vollzählig unterschrieben haben. Ihre Musik werde "weder gesellschaftlich, noch kulturpolitisch ausreichend anerkannt", schreibt die "Initiative für einen starken Jazz in Deutschland". Es sollte "ebenso viele öffentlich geförderte Spielstätten für Jazz und improvisierte Musik" geben, wie für die 84 öffentlich geförderten Opern- und Konzerthäuser in 81 deutschen Städten. Zudem fordern die Jazzmusiker Zuschüsse für Auslandstourneen. Das sei "peinliches Heranwanzen an die Honigtöpfe der öffentlichen Förderung", findet ein Kommentator im "Freitag". Für ihn ist dem Jazz in Deutschland "die Relevanz abhanden gekommen".

Dem kann widersprochen werden, denn es gibt auch gute Nachrichten: Das Münchner Label ACT, das in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiert, erzielte 2011 höhere Umsätze als je zuvor. Und für das Elbjazz Festival in Hamburg Ende Mai wurden bereits über 1.900 Karten verkauft, obwohl das Programm noch gar nicht bekannt ist. Das Event in der Hansestadt, das auch in Richtung Pop offen ist, arbeitet neuerdings mit dem Moers Festival zusammen, dem führenden deutschen Spielort für Avantgarde-Musiker.

Aus einer Initiative aus Deutschland resultiert auch das Jazz-Ereignis am 28. Januar in Brüssel. Dort spielen auf dem Winterfestival im Konzerthaus Flagey 20 junge Jazzmusiker aus sieben europäischen Ländern. Sie sind die besten aus einer Serie "jazzplayseurope",  die vor fünf Jahren in Dortmund begann. Dort organisierte die Kulturmanagerin Nadin Deventer, den ersten von etlichen internationale Workshops ("jazzplayseurope-laboratories"): Nachwuchsmusiker aus verschiedenen Ländern erarbeiten in drei Tagen ein Programm, mit dem sie anschließend auf Tournee gehen. Deventer ist ausgebildete Musikerin und verfügt als Absolventin des Studienganges European Studies über die Verbindungen zu Musikern und potentiellen Finanzquellen.

Mit dem Konzert in Brüssel findet ein Jazz-Projekt seinen Abschluss, das vom Ruhrgebiet aus nach Europa getragen wurde.

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