Katy Perrys neues Album In der Kitschkrise

Vor zehn Jahren brach Katy Perry Rekorde als überzuckerter Popstar. Jetzt erscheint ihr neues Album "Smile". Sie will damit ihre Krisen weglächeln.
US-Popsängerin Katy Perry

US-Popsängerin Katy Perry

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Universal Music

Katy Perry spielt Katy Perry. Der Popstar sitzt vor einem Computer und hüpft zugleich als aufs Wesentliche gerenderte Videospielfigur-Fassung von sich selbst durch ein Spiel, das so heißt wie der Song zu diesem Musikvideo: "Smile". Im Spiel besteht sie ein paar Abenteuer, und auch wenn es anfangs schlecht um sie bestellt scheint, steht da irgendwann: "YOU WIN!" Das Spiel endet mit einem Happy End, nach dem sich die vorm Computer sitzende Katy Perry selbst eine Sahnetorte ins Gesicht wirft.

Es ist nicht der Song "Smile", das Titelstück von Katy Perrys neuem Album, das an ihre früheren Erfolge erinnert. Es ist die Sahnetorte.

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Katy Perrys Karriere ging erst so richtig los, als sie das Überzuckerte zu ihrem Markenzeichen machte: Sie bewarf sich damals zwar nicht mit einer Sahnetorte, aber räkelte sich auf einer Wolke aus Zuckerwatte, umgeben von monströsen Bonbons und Lollis, während sie im Nummer-eins-Hit "California Gurls" davon sang, ihre sonnengeküsste Haut sei "so hot", dass sie dein Eis am Stiel schmelzen lasse. Das war vor zehn Jahren, als die kalifornische Pastorentochter Katheryn Elizabeth Hudson, heute 35 Jahre alt, ihr drittes Album "Teenage Dream" veröffentlichte, auf dem "California Gurls" enthalten ist. 

"Teenage Dream" brach Rekorde. Es ist bis heute eines von nur zwei Alben in der US-amerikanischen Chartgeschichte, von denen jeweils fünf Single-Auskopplungen auf Platz 1 landeten. Das zweite Album ist "Bad" von Michael Jackson.

Die Hits wichen, sie blieb in den Klatschspalten

Perrys Image bewegte sich in den Anfängen irgendwo zwischen Jungsfantasie und Selbstermächtigungslyrik, zwischen US-Kitsch und Provokation des prüden Amerikas ("I Kissed a Girl", "Ur So Gay"). Und natürlich war der "Teenage Dream" eine Art American Dream, lag dieser Popstar-Erzählung die Geschichte einer mit Gospel sozialisierten Christin aus armen Verhältnissen zugrunde, die es zu was gebracht hatte (also zu Geld). Das Prinzip Katy Perry entsprach vor zehn Jahren irgendwie auch dem Prinzip Faszination für eine vom Plastik zusammengehaltene Welt, in der am Ende die Guten, also die mit dem Colgate-Lächeln, gewinnen. 

Das wirkte klischeehaft und künstlich, aber eher auf die Fernweh-Art. Die Art, die einen heute amerikanische Rom-Coms auf Netflix gucken lässt (und dazu bitte eine Schüssel süßes Popcorn aus der Mikrowelle).

Mit den Jahren und den Alben wichen die Hits aus ihrem Pop, und Perry blieb in den Klatschspalten. 2017 kam "Witness" raus, ihr bislang letztes und unerfolgreichstes Album, das wie ein abschreckendes Kapitel aus einem Pop-Lehrbuch klang, Überschrift: Wie Experimente scheitern können.

Katy Perry bei einem Auftritt im März 2020 in Melbourne

Katy Perry bei einem Auftritt im März 2020 in Melbourne

Foto: Cameron Spencer / Getty Images

Schon vor der künstlerischen und kommerziellen Krise kamen private Probleme, Katy Perry und Orlando Bloom hatten sich getrennt. Vor Kurzem sagte Perry, die wieder mit Bloom zusammen ist und deren gemeinsame Tochter Daisy gerade zur Welt kam, über die Phase nach der Veröffentlichung von "Witness", sie hätte in der Zeit oft ein falsches Lächeln aufgesetzt. Das "Smile"-Video muss in der Katy-Perry-Lesart wohl eine Metapher für das Happy End nach der Krise sein.

Es lässt sich auch anders deuten. Als Abstract von Perrys gleichnamigem sechsten Album, das jetzt erscheint. Darauf klingt Katy Perry, als vertonte sie eine Simulation von Katy Perry; wie die aufs Wesentliche gerenderte Videospielfigur. Bei der Umrechnung ist leider zu viel verloren gegangen.

Eher pflichtschuldig als inspiriert

Dass "Smile" ein Katy-Perry-Album ist, hört man sofort, dank ihrem die großen Gesten nie aussparenden Gesang. Auch die fluffigen Zuckerwatte-Synthesizer kommen einem bekannt vor. Bloß schmeckt das meiste auf "Smile" schlicht fad. 

PR-Bild zu "Smile"

PR-Bild zu "Smile"

Foto: Universal Music

Eher pflichtschuldig als inspiriert dekliniert sie "Krise" im Pop-Sprech durch: Geht es im Opener "Never Really Over" - dem einzigen Hit des Albums - darum durchzuhalten oder im Titelstück darum, nicht aufzugeben, oder an anderer Stelle darum, den Kopf hochzuhalten, mündet das auf "Smile" in Postkartensatzplattitüden wie "It's not the end of the world" oder "Don't lose hope". Das wirkt klischeehaft und künstlich, aber eher auf die Fremdschäm-Art. Ähnlich, wenn sie mit ihrem Liebsten blutleer auf der Harley über einen herzförmigen Highway durch Hawaii fährt.

Geht es ums Verdrängen, ermutigt sie in "Teary Eyes" dazu, einfach weiter zu tanzen, oder will in "Cry About it Later" heute Nacht nur Spaß haben. Und das zu einem Sound, der ziemlich beliebig ballert, aber trotzdem niemanden bei irgendwas stören dürfte, wenn er aus Versehen im Radio läuft, weil er so austauschbar klingt.

Katy Perry in der Show "Good Morning America" im Mai 2020

Katy Perry in der Show "Good Morning America" im Mai 2020

Foto: ABC News / Walt Disney Television / Getty Images

Geht es um Empowerment, steht sie in "Resilient" als Blume in voller Blüte, die es geschafft hat, durch Risse im Beton zu wachsen. Die besungenen Risse vermisst man nach den zwölf Songs dieses Albums so sehr wie "Smile" sich wohl nach einem exzentrischen Pop-Hit aus "Teenage Dream"-Zeiten sehnen muss.

Letztlich offenbart sich die Krise auf "Smile" vor allem an den hohlen Phrasen hinter den großen Gesten und in einem Mangel an kreativem Mut. Man kann es Perry nach den gescheiterten Experimenten von "Witness" nicht wirklich verübeln, dass sie nun offenbar versucht hat, auf Nummer sicher zu gehen. Nur klingt "Smile" auch nicht mehr nach Nummer eins.

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