
Oboenzauber: Céline Moinet und Albrecht Mayer auf Expedition
Oboenzauber mit Céline Moinet und Albrecht Mayer Romanzen mit dem Liebling
Sein Lieblingskomponist sei Robert Schumann, ließ sich der Kritiker Joachim Kaiser (1928-2017) einmal entlocken. Man darf sicher sein, dass der meist als Klavierpapst etikettierte Experte dabei nicht nur die Pianowerke des Romantikers Schumann (1810-1856) im Ohr hatte, sondern auch dessen eigenwillige Kammermusik.
Was nun die französische Oboistin Céline Moinet mit den einschlägigen Werken Schumanns anstellt, hätte den Kaiser verblüfft, ebenso wie jene, die Schumann nur mit der allgegenwärtigen "Träumerei" in Verbindung bringen.
Dass Moinet auf "Romances" (Berlin Classics/edel) ausgerechnet diesen leisen Hit der ewigen Klassikcharts in ihre Kollektion aufgenommen hat, überrascht. Aber auch der Pianist an ihrer Seite meistert diesen heiklen Part eigenwillig und bravourös.
Florian Uhlig als kongenialer Pianopartner
Mit dem Schumann-Experten und kenntnisreichen Klavierdenker Florian Uhlig wählte Céline Moinet einen künstlerischen Partner von Rang, hat der deutsche Pianist doch soeben das Gesamtwerk für Klavier von Robert Schumann auf CD (Hännssler Classic) eingespielt. In ihm fand Moinet das fordernde Gegenüber, mit dem sie Entdeckungen machen, aber auch das scheinbar allzu Bekannte durch raffinierte Bearbeitung und abenteuerlustige Neusicht frisch darstellen konnte. Dennoch gab es genug Originales in Schumanns Schatzkisten aufzupolieren. Dazu bot die Familie Schumann weitere Werke, die es wert sind.
Schumanns Ehefrau Clara (1819-1896), selbst eine ambitionierte Musikerin, komponierte mit Können und Inspiration, doch sie stand meist im Schatten ihres umtriebigen Mannes. Clara oblag jedoch eine so umfang- wie erfolgreiche Konzerttätigkeit, deren Gagen wesentlich zum Einkommen des Schumann'schen Haushaltes beitrugen. Was Robert nicht immer begeisterte, war die Musikwelt damals doch eine vorwiegend maskuline. Die drei hier vertretenen Romanzen von Clara Schumann bestehen mit federleichter Virtuosität und melodisch-harmonischer Fülle mühelos neben Robert Schumanns meist tiefsinnig verwobenen Kompositionen.
"Kinderszenen" gekonnt bearbeitet
Gleich zu Anfang meistern Moinet und Uhlig drei Romanzen op. 94, die sofort Céline Moinets Stilwillen und Gestaltungskraft förmlich explodieren lassen. Die Verbindung von betörend süßem Oboen-Ton, flinker, fast übermütiger Stimmführung plus traumwandlerischem Gespür für Dynamik und Dramatik reißt den Hörer mit. Die verführerische Leichtigkeit der Oboe findet mit Moinets Spiel eine Überhöhung, die an größte Momente von derzeit (noch) berühmteren Kollegen denken lassen. Da kann nur ein ebenso ausgefuchster Schumann-Erkenner und -Durchleuchter wie Florian Uhlig Paroli bieten und die dunklen Unterströmungen herausarbeiten.
Aus den "Kinderszenen" haben Moinet und Uhlig neben der "Träumerei" auch die Miniatur "Am Kamin" ausgewählt, das Pendant nach Maß zur Stimmung des biedermeierlichen Traumes. Von anderem Kaliber sind die Abgründe in den "Sechs Stücken in kanonischer Form" op. 56, bei denen der Cellist Norbert Anger die beiden Virtuosen mit innigem Ton zum Trio ergänzt. Die klug gewählten Stücke stürmen in Richtung Schumanns elegantester und melancholischster Kammermusik, eine berührende Tour durch die Tiefen seiner Seele, die seinerzeit auch Claude Debussy zu einer Bearbeitung für zwei Klaviere inspirierte.
Premiere bei Albrecht Mayer
Hätte Moinets Holzbläser-Kollege Albrecht Mayer den "Fundbüro"-Titel nicht schon bei einem vorherigen Album ("Lost And Found") verbraten, bei "Tesori d'Italia" (Deutsche Grammophon), seiner neuen CD, träfe er in Teilen wieder zu. Die "Lieblinge" ("Tesori") umfassen neben dem obligaten Vivaldi-Stück zu Beginn auch weniger bekannte Komponisten wie etwa Giuseppe Sammartini (1695-1750), dessen knapp gefasste Oboenkonzerte zu den fortschrittlichsten und virtuosesten ihrer Zeit gehören. Selbst ein Könner auf der Oboe, schrieb Sammartini griffige Melodien, verpackte sie in samtige Harmonien und Strukturen, die von Ferne schon die Klassik erahnen ließen.
Eine Premiere gibt es auch: Albrecht Mayer lässt mit überlegener Phrasierung Domenico Elmis a-Moll-Konzert hier erstmals glänzen. Der Spaß bei den Aufnahmen, von dem Mayer in den Liner Notes zu seiner CD pflichtschuldigst kündet, hier macht er ihn hörbar. Nicht zuletzt auch dank der routinierten Sekundanz des Traditions-Ensembles I Musici di Roma, die Raritäten auf Anhieb wie etablierte Klassiker klingen lassen.
Das zu erleben, macht auf jeden Fall Spaß. Im Konzert könnte das sogar noch direkter wirken: Ab dem 3.12. ist Albrecht Mayer gemeinsam mit den I Musici di Roma auf Deutschland-Tour.
Tourneedaten Albrecht Mayer: 03.12. Wiesbaden / 04.12. Bielefeld / 07.12. Rendsburg / 08.12. Hamburg / 09.12. Lübeck / 11.12. Düsseldorf / 12.12. Bremen / 13.12. Köln / 14.12. Berlin / 15.12. Braunschweig / 16.12. Hannover / 17.12. Freiburg (weitere Daten Anfang 2018).