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Mike Oldfield: Meister des Sphärenklangs

Foto: RAFA RIVAS/ AFP

Mike Oldfield über sein neues Album "Doom-Takka-Takka-Doom"

Was wollt ihr hören? Prog-Rock-Superstar Mike Oldfield fragte seine Fans im Internet und machte ein neues Album draus. Hier spricht er über die verlorenen Siebziger und den Sinn von Online-Abmahnungen.
Zur Person

Mike Oldfield, 1953 in englischen Reading geboren, ist möglicherweise verantwortlich für das, was heute als "New Age Music" gilt - ein aus Folk, Klassik, Progressive Rock und Elektronik gespeister Ambient-Sound. Den Durchbruch erlebte diese esoterische Musik 1974 mit Oldfields Debüt-Album "Tubular Bells", ein weltweiter Bestseller, der gleichzeitig die Erfolgsstory der Plattenfirma Virgin startete. In den frühen Achtzigern hatte der Komponist und Multi-Instrumentalist auch Pophits, u.a. "Moonlight Shadow" mit Sängerin Maggie Reilly.

SPIEGEL ONLINE: Herr Oldfield, Ihr neues Album "Return To Ommadawn" entstand in Nassau auf den Bahamas, wo Sie leben. Als Sie das Original, "Ommadawn", Mitte der Siebziger in England einspielten, sollen sich die Nachbarn über den Lärm beschwert haben. Stimmt das?

Mike Oldfield: Ja, die waren total genervt. Ich besaß damals ein kleines Cottage auf dem Land, in dem wir arbeiteten. Mein guter Freund, der Percussionist Pierre Moerlen, wollte dummerweise nur bei geöffneten Fenstern spielen und hatte Schwierigkeiten, den Sound zu finden, den er suchte. Einen Tag lang dröhnte es deshalb gewaltig aus dem Cottage: DOOM-TAKKA-TAKKA-DOOM-DOOM-DOOM... und als der Abend anbrach, hatten die Nachbarn endgültig genug. Zehn von ihnen versammelten sich schließlich vor meiner Haustür und drohten mir. Ich kam raus und schwor, dass ich Verständnis für ihren Ärger hätte, aber es wurde dann leider doch immer wieder laut.

SPIEGEL ONLINE: Sind Ihre Nachbarn auf den Bahamas entspannter?

Oldfield: Das Problem gibt es nicht mehr, da ich hier ein perfekt schallgeschütztes Studio habe. Da kann ich lärmen, so viel ich will. Vielleicht hatte ich deshalb Lust, die Zeit noch mal zurückzudrehen ins Jahr 1975, um alles noch mal so wie damals anzugehen. Ohne dafür beschimpft zu werden.

SPIEGEL ONLINE: Stimmt es, dass Sie dieses Mal jedes Instrument selber spielten?

Oldfield: 99,9 Prozent, dazu kommen zwei alte Samples. Eigentlich ist wohl alles komplett von mir.

SPIEGEL ONLINE: Die Legende besagt, dass Sie sich selber beibrachten, Gitarre zu spielen.

Oldfield: Ich habe nie im Leben Musikunterricht gehabt. Dafür hatte ich meine große Schwester Sally, die mir half. Sie trat regelmäßig in kleinen Folkclubs auf und war mit Marianne Faithfull befreundet, weil sie sich aus der Schule in Reading kannten. Marianne hing oft bei uns zu Hause rum, bis sie dann über Nacht ziemlich berühmt wurde und mit Mick Jagger zusammen kam. Der Gitarrist aus ihrer Band war ein netter Kerl, der mir seine Gitarre samt Verstärker öfter mal zum Üben lieh, da war ich noch ein Kind, zwölf oder dreizehn. Es dauerte nicht lange, bis auch ich in den Folkclubs von Reading spielte. Der Rest ergab sich dann.

SPIEGEL ONLINE: Bei ihrem Debüt-Album "Tubular Bells" spielten Sie mehr als 20 Instrumente selbst. War die Arbeit an Ihrem neuen Album eine Art Déjà-vu?

Oldfield: Das kann man nicht vergleichen. Für "Return To Ommadawn" hatte ich ja alle Zeit der Welt, "Tubular Bells" musste ich dagegen in einer Woche fertig stellen. Das war Musizieren gegen die Uhr, also ziemlich anstrengend. Ich stand enorm unter Druck. Hätte die Plattenfirma es abgelehnt, wäre meine Karriere beendet gewesen.

SPIEGEL ONLINE: Sind Deadlines nicht hilfreich, weil sie einen zwingen, etwas zu Ende zu bringen?

Oldfield: Theoretisch haben Sie Recht, praktisch habe ich in meinem Leben mehr als genug Platten hektisch und unter Druck fertiggestellt. Es gab eine Zeit in meiner Karriere, in der ich in dieser Tretmühle gefangen war - Tour-Album-Tour - und das ist nichts, was ich mir zurückwünsche! Die Siebziger erinnere ich als einen bizarren Strom aus Hotels, Studios und Konzerthallen. Für Familie und meine Kinder blieb keine Zeit. Wenn meine Kinder mich damals sehen wollten, mussten sie mit mir auf Tournee kommen. Wer seine Karriere so wie ich anging, zahlte einen hohen Preis.

SPIEGEL ONLINE: Auf die Idee zu "Return To Ommadawn" kamen Sie angeblich, nachdem Sie in einem Fan-Forum gefragt hatten, was Ihre Anhänger gerne als nächstes von Ihnen hören wollen. Echt jetzt?

Oldfield: Nachdem ich in London an der Zeremonie für die Olympischen Spiele teilgenommen hatte, war ich unsicher, was ich als Nächstes machen könnte. Damals lief in der BBC ein Film über mich, in dem allerlei Kollegen erzählten, wie gut ihnen meine frühen Platten gefielen. Ich war verblüfft, weil insbesondere seit Punk und dem Ende der Siebzigerjahre mein Frühwerk als altmodischer Bombast-Müll galt - und nun plötzlich mit Lob überschüttet wurde. Ich hatte einige meiner Alben aus dieser Zeit fast schon selber vergessen. Aus Spaß stellte ich online die Frage, ob es eine gute Idee wäre, "Ommadawn" aufzufrischen, und die Reaktionen waren überwältigend: Ja! Mach es! Unbedingt! Also legte ich los.

SPIEGEL ONLINE: Sind soziale Netzwerke wichtig für einen Musiker aus Ihrer Generation?

Oldfield: Sie waren mir lange ziemlich gleichgültig, aber vor einigen Jahren hatte ich eine Assistentin, die mir klarmachte, dass ich in der Vergangenheit lebte. Dass Fanclubs für Musiker keine Rolle mehr spielen, sondern das man mit seinen Fans via Facebook oder in Online-Foren kommuniziert. Twittern ist aber eher nicht so meine Sache. Dafür bin ich in drei Gruppen auf Facebook aktiv. Die Fans sind sogar für den Namen des neuen Albums und das Cover mitverantwortlich. Nützliche Sache, dieses Internet. Ich kann abgeschieden auf den Bahamas leben und bin meinen Fans doch beständig sehr nahe. Immer wenn ich eine News veröffentlicht habe, sitze ich vorm Computer und schaue zu, wie rasant die Antworten aus aller Welt darauf eintrudeln: Tack-Tack-Tack-Tack-Tack!

SPIEGEL ONLINE: Würde es Sie stören, wenn ich Ihr neues Album ohne zu zahlen herunterladen würde - oder endet da Ihre Online-Lässigkeit?

Oldfield: Das würde mich sogar sehr stören. Meine Anwälte mahnen beständig Menschen ab, die meine Musik im Netz frei verteilen. Was mich nicht stört, sind Fans, die zu meiner Musik interessante Sachen inszenieren; das ist kreativ und spannend. Aber ein Plattencover zu nehmen und dazu einen Link zu posten, um Musik zu verschenken, die einem nicht gehört, ist problematisch. Das ist Diebstahl. Zuletzt habe ich rund 800 illegale Download-Links zu "Tubular Bells" sperren lassen. Und trotzdem wird gerade diese Platte am laufenden Band wieder ins Netz gestellt. Ich fühle mich nicht wohl damit, so hart eingreifen zu müssen, aber das alles zuzulassen geht eben auch nicht. Vor allem jungen Musikern wird so die Existenzgrundlage entzogen.

SPIEGEL ONLINE: Wird man Sie je wieder auf einer Konzertbühne erleben?

Oldfield: Puh, momentan ist das kaum realistisch. Mein Auftritt bei den Olympischen Spielen lief so gut, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie das noch zu toppen sein könnte. Ich bin hier in Nassau eigentlich ziemlich zufrieden.

Mike Oldfield: "Return to Ommadawn" (Virgin/EMI) ist am 20. Januar erschienen.

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