Musikstars von morgen Top of the Blogs
MENOMENA
Oft reicht eine schlichte Ankündigung neuer Musik, um in der Welt der Blogs Wellen der Begeisterung auszulösen. Deshalb kann momentan ein aufstrebender Act wie Menomena aus Portland, Oregon, allein mit einer Handvoll Songs von 2003/4 für einen Sturm der Begeisterung sorgen. Damals entstand ihr Debüt "I Am The Fun Blame Monster", ein spielerisches Anagramm für "The First Menomena Album". Mit "Under an Hour" schoben sie dann ein verblüffendes Instrumentalwerk nach, für Januar nächsten Jahres ist das neue Album "Friend and Foe" geplant.
Im Zentrum des unvorhersehbaren Menomena-Sounds schlägt ein elektronisches Herz: Ein eigens erstelltes Computerprogramm fasst die Improvisationen der Band in rotierend-wackelige Loops, die zur Basis ihrer ständig mutierenden Pop-Experimente werden. Deswegen sind Referenzen zu anderen, bekannteren Acts bei Menomena im Grunde auch zwecklos: Sie sind mittlerweile mit Sicherheit schon wieder ganz woanders, selbst innerhalb eines einzelnen Songs schwanken die Stimmungen beständig. Man muss sich beeilen, um hinterherzukommen, aber es lohnt sich.
Die Karriere des Brüderpaars Malice und Pusha-T aka Clipse hat im Laufe der Jahre dramatische Wendungen genommen: Die beiden hochbegabten MCs treffen 1993 auf das Produzententeam The Neptunes, die gemeinsamen Bemühungen werden entweder im Giftschrank der Plattenfirma verschlossen (beim ersten, inoffiziellen Album) oder entwickeln sich zu Multi-Sellern (beim zweiten Album). Danach werden sie in den gierigen Schlund undurchschaubarer Labelpolitik gesogen, ihr drittes Album "Hell Hath No Fury" entwickelt sich mit den zahllosen Veröffentlichungsverschiebungen zum bösartigen Running Gag der HipHop-Industrie. Allein diese Historie ist natürlich ein gefundenes Fressen für die Blogosphäre, die sich momentan entweder in obskuren Verschwörungstheorien verstrickt oder ihren geballten Hass auf die Labels niederregnen lässt. Tatsächlich ist Clipse mit "Hell Hath No Fury" eines der härtesten und kompromisslosesten HipHop-Alben der vergangenen Jahre gelungen, vergleichbar mit den ersten Platten von Mobb Deep. Die mittlerweile behäbig-etablierten Neptunes haben ihrem Trademark-Sound die glitzernden Oberflächen in Fetzen abgezogen, übrig bleibt eine düstere, skelettierte Rhythmik, auf dessen Oberfläche die beiden MCs stets zwischen ohnmächtiger Wut und komplexen Moralbegriffen tänzeln. Grandios.
http://www.clipseonline.com
http://myspace.com/clipse
EXPLOSIONS IN THE SKY
Ein Teenager-Footballfilm zieht wohl eher nicht die zartbesaiteten Feingeister, die sensiblen Freidenker an. Und vielleicht war es gerade diese Diskrepanz zwischen visueller Offensichtlichkeit und musikalischer Zurückhaltung, die die Welt der Blogs aufhorchen ließ. Für Explosions in the Sky aus Austin (Texas) zumindest war ihr Score zu "Friday Night Lights" der Durchbruch in virtuellen Kreisen. Tatsächlich bieten sich die epischen, weitestgehend instrumentalen Sounds des Quartetts zwar durchaus als Soundtrackbegleitung an, stehen dabei aber stets auch für sich selbst. Mit ihrer klassischen Postrock-Besetzung konstruieren Explosions in the Sky dynamische Arrangements, die durch das an- und abschwellende, marschierende Schlagzeug nie in die klassische Falle wabernder Eso-Hintergrundbeschallung tappen. Die formale Strenge drückt sich exemplarisch auf dem Album "The Rescue" aus, dessen Songs momentan als freie mp3s auf der Band-Homepage bereitstehen. Die in nur acht Tagen aufgenommenen acht Stücke widmen sich ganz dem Spannungsaufbau. Dass es dabei nur selten zur - nun ja - Explosion kommt, scheint bewusst so konstruiert zu sein. Nicht nur Mogwai und Godspeed You Black Emperor, die Paten dieses Sounds, dürften beeindruckt sein.
Auch für die Stars von gestern ist Platz in der Blogosphäre: Eine Zeitlang schwärmten Franz Ferdinand in jedem Interview ungefragt von ihren älteren Brüdern im Geiste, hin und wieder nuschelte auch Strokes-Sänger Julian Casablancas Gedankenschweres von den schottischen Post-Punk-Heroen Josef K. Der Weg war also geebnet, mittlerweile wird die neue, alte Referenzgröße auch in den Blogs als unabdingbares Geheimwissen weitergereicht. Bis jetzt. Denn nun füllt dankbarerweise das Franz-Ferdinand-Label Domino Records mit einem munteren schottischen Wiederveröffentlichungsreigen die Lücken der Zuspätgeborenen: Nach Orange Juice und den Fire Engines erhält nun auch Josef K mit "Entomology" eine Anthology. Die beiden auf der Label-Website bereitgestellten MP3s geben erste Aufschlüsse: Sänger Paul Haig verdichtet mit stoischer Ernsthaftigkeit die splitternd-schrägen Gitarren und die hektische Hyperaktivität des Schlagzeuges. Gerade dieser Gestus ist es, den sich Bands wie Interpol, die Editors oder eben auch Franz Ferdinand zu Eigen gemacht haben. Der Band selbst war nur ein kurzes Aufflackern vergönnt - Josef K, gegründet 1979, trennten sich bereits zu Beginn der Achtziger Jahre.