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Peter Alexander ist tot: Entertainer mit Leib und Seele

Foto: HANSJOERG KRAUSS/ ASSOCIATED PRESS

Nachruf auf Peter Alexander In der kleinen Kneipe geht das Licht aus

Peter Alexander war der größte deutschsprachige Popstar der Wirtschaftswunderjahre, jetzt ist er im Alter von 84 Jahren gestorben. Die Vaterfigur im Glamoursegment setzte auf ein einziges Rezept: "Das Nette zu sehen, das in allen Menschen steckt."
Von Jan Feddersen

Noch 1987, als er in Wien die Eröffnung des Austria Centers moderierte, wirkte er so telegen wie jugendlich. Besser gesagt, Peter Alexander kam wahrscheinlich schon als jener Charakter zur Welt, den viele Deutsche und Österreicher stets in ihm erkennen wollten. Ein Lausbub, der es faustdick hinter den Ohren habe; spitzbübisch und freundlich in einem, niemals aggressiv, immer lustig und zum - harmlosen - Scherzen aufgelegt.

Da war Peter Alexander längst ein Herr, der das Altenteil vor sich wusste - aber die Aura des Kecken und Frechen, die sich mit einem Zug von Melancholie, ja Sentimentalität eins wusste, die war ihm immer noch eigen. Seinen Erfolg verklärte er in einem SPIEGEL-Interview aus dem Jahre 1971 zu einem Rätsel: "Es klingt vielleicht ein bisserl geschwollen. Aber ich betrachte ihn als eine Gnade, als ein Geschenk des lieben Gottes."

In Wahrheit fußte die grandiose Karriere des Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer auf dem Willen zum Erfolg, auf Fleiß, auf jeder Menge Talent - und auf der Neigung des Publikums, gerade solche Bühnenarbeiter sehr lieb zu haben, die ihr Publikum zurückliebten. Peter Alexander, wie der 1926 in Wien geborene Spross eines Bankangestellten und eines Kindermädchens sich im Unterhaltungsgewerbe nannte, war ein Teil seiner Auditorien, er erhob sich nie, er war die ästhetische Wunscherfüllung des Publikums selbst.

Hatte er eine Vorstellung von seinen Fans? Peter Alexander 1971, auf dem Zenit seiner Laufbahn, erwiderte entwaffnend: "Es sind die nettesten Leute, die man sich vorstellen kann. Bürgerlich nett und anständig. Man fragt sich überhaupt, warum so schreckliche Dinge auf der Welt passieren können, wenn es solche netten Leute gibt."

Konterrevolution zu Kritik und Kabbelei

Dieser Mann hatte insofern keine Identitätsprobleme - er konnte singen, tanzen, Klavier spielen, parodieren, schauspielern, spontan sein. Kurz: Er konnte alles, was nötig war, um Fernsehshows als, wie es in den Sechzigern hieß, "Showmaster", als Dirigent eines ästhetischen Potpourris, das sich "Peter-Alexander-Show" nannte, zu machen. Dieser Wiener war in Österreich wie in Deutschland der Mainstream schlechthin, wer im Gewerbe des Populären reüssieren wollte, kam an ihm nicht vorbei.

Peter Alexander, das war mehr als eine Gute-Laune-Maschine, das war die Vaterfigur im Glamoursegment, die kein anderer Entertainer geben konnte. War Lou van Burg ("Der goldene Schuss") eine Spur zu gutgelaunt, Vico Torriani (ebenfalls "Der goldene Schuss") eine schweizerische Prise zu steril, Peter Frankenfeld und Rudi Carrell zu anarchisch und Hans-Joachim Kulenkampff immer auch eine Note zu kühl, gab Peter Alexander den Liebling als solchen.

So einer sollte der Schwiegersohn sein, der Filius überhaupt, der Nachbar, der gute Onkel, der Vater, der Bruder - dieser Wiener war in den quirligen Fünfzigern das abgespeckte Programm zur beginnenden Amerikanisierung durch Elvis Presley und andere. Er war in den rauen und ätzend-oppositionellen Sechzigern die Konterrevolution zu Kritik und Kabbelei.

Peter Alexander baute, stets eisern beschützt von seiner geliebten Frau Hilde, auf ein einziges Rezept: "Das Wichtigste im Leben ist, dass man das Gute sieht." Er hat diesem Credo zufolge alles integriert: Hat die Beatles gut gefunden, hat aus seiner fanatischen Neigung zu Swing und Jazz keinen Hehl gemacht, hat in seine Shows die Opposition immer mit eingebaut.

Hilfe von Dieter Bohlen

Den Qualtinger schätzte er ebenso wie die Invektiven André Hellers, er mochte das bösartige Wienerische Kabarett wie das von Georg Kreisler nicht weniger als das von Gerhart Bronner. Hass auf "Gammler, Pinscher, Uhus" (Unionskanzler Ludwig Erhard) war ihm fremd, er bevorzugte, so sagte er, "das Nette, das doch in allen Menschen steckt".

Nie wirkte eine Peter-Alexander-Show so ölig und triefig wie ein "Musikantenstadl" oder ein "Frühlingsfest der Volksmusik" - der Bühnen-Maniac Peter Alexander wäre im Traum nicht auf die Idee gekommen, die kulturellen Gegenkräfte der Sechziger und Siebziger zu diffamieren.

Dass Peter Alexander gerade für die Oppositionellen eine Provokation war, eine Antianarchie in Smoking, gebügeltem Hemd und mit fescher Frisur, erreichte ihn als Anwurf nie. Peter Alexander ging gern angeln, und zwar in seinem Österreich. Amerika? War ihm zu weit weg, es fehlte ihm dort, so sagte er, an diesem Gefühl, beim Heurigen zu sitzen und das Leben zu genießen, in Ruhe und Freundlichkeit.

Dieser Schuster blieb bei seinem Leisten, er kannte keine anderen, er hatte keinen Hunger nach Riskantem und einer Fremde, in der er sich nicht zu Hause fühlen würde. Sein Publikum honorierte diese auch ästhetische Heimattreue inbrünstig. Peter Alexanders Erfolg ist frappierend, er liest sich in der Bilanz für alle seine Erben einschüchternd. 156 Singles, knapp 50 Millionen verkaufte Tonträger, die letzte Produktion aus dem Jahre 1991 mit Hilfe von Dieter Bohlen, mehr als 120 Alben, Rollen in 38 Unterhaltungs- und Revuefilmen und immer wieder, seit den Sechzigern Präsenz im Fernsehen, dem Medium der Masse schlechthin.

Peter Alexander hat "Mandolinen und Mondschein" (1959), "Ich zähle täglich meine Sorgen" (1960) oder "Der letzte Walzer" (1968) zu Hits gemacht, er hat Titel von Tom Jones eingedeutscht ("Delilah", "Komm und bedien dich") - und sich in den Siebzigern auf Nachbarschaftliches verlegt.

Die Welt als Familientreffen

"Die kleine Kneipe" avancierte zur Hymne gegen die große, weite Welt, zum sentimentalen Schlager wider die unruhigen Zeiten, gegen Ölkrise und Kritik an allem Vertrauten: "Die kleine Kneipe in unserer Straße / da wo das Leben noch lebenswert ist / dort in der Kneipe in unserer Straße / da fragt dich keiner was du hast oder bist. / Die Postkarten dort an der Wand in der Ecke / das Foto vom Fußballverein. / das Stimmengewirr / die Musik aus der Jukebox / all das ist ein Stückchen Daheim."

Peter Alexander, der "Prater-Buffo", der in alles den "Charakter eines Familientreffens" einzog, wie SPIEGEL-Autor Arnd Schirmer 1982 notierte, und sei es vor 40 Millionen Menschen vor den TV-Schirmen, zog sich nach dem Tode seiner Frau Hilde im Jahre 2003 mehr und mehr ins Nichtöffentliche zurück; der Unfalltod seiner Tochter Susanne 2009 soll, so Freunde, ihm endgültig das Leben verdrossen haben.

Teil des Nostalgiegewerbes wollte er nie werden, Oldieshows und Schlagermoves waren ihm ein Graus'. Er suchte den Abschied aus Öffentlichem. In der Nacht zum Sonntag ist er in Wien mit 84 Jahren gestorben. Der österreichische Bundeskanzler kondolierte. Dagmar Koller, Musical-Sängerin und Freundin des Hauses Alexander, sagte: "Wenn wir für seine Show engagiert wurden, dann wussten wir: Wir haben die Spitze erreicht."

Er hat sie nun, in Peter Alexanders Worten, "verlassen müssen". Er konnte wirklich alles, was es auf der Bühne brauchte. Er hat alle Preise erhalten, er nahm sie gerne an, er war nach Auskunft von Kollegen, ein Bescheidener und Freundlicher, ein der Missgunst Unfähiger und ein begnadeter Selbstironiker. Er war ein Star, gegen den sich in jenen Wirtschaftswunder- und Krisenjahren fast alle anderen zu seiner Zeit wie Schnuppen ausnahmen.

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