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Nana Mouskouri: Der ewig unterschätzte Weltstar

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Nana Mouskouri im Interview "Wer sich als Frau durchsetzt, wird zwangsläufig weise"

Die griechische Königin des deutschen Schlagers wird 80 - und feiert auf der Bühne. Im Interview spricht Nana Mouskouri über harte Arbeit, leichte Muse und ihre Karriere als Jazzsängerin in den USA.

SPIEGEL ONLINE: Nana Mouskouri, am 13. Oktober werden Sie 80 - und feiern auf der Bühne. Eine offensive Art, mit dem Alter umzugehen.

Mouskouri: Wissen Sie, ich habe die Welt bereist in den letzten 50 Jahren. In Asien gelten die alten Damen als Hüterinnen der Weisheit. Man begegnet ihnen mit großem Respekt. Ganz anders in der westlichen Welt: Hier ist es sehr schwer, als Frau in der Männerwelt Erfolg zu haben. Andererseits: Wer sich als Frau durchsetzt, ist dann zwangsläufig weise im Alter.

SPIEGEL ONLINE: Wie schwer war es, sich durchzusetzen?

Mouskouri: Ich lebe nach einem heute fast in Vergessenheit geratenen griechischen Arbeitsethos. Ich habe doppelt so hart gearbeitet für meinen Erfolg wie jeder Mann an meiner Stelle. Wenn ich spreche, spricht meine Lebenserfahrung. Ich muss gar nicht groß nachdenken. Es ist gut, Lebenserfahrung zu teilen. Wenn man mir heute freundlich begegnet, kann ich das annehmen. Ich weiß einfach: Es ist nicht nur Höflichkeit, sondern Respekt.

Zur Person
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Im Oktober unternimmt Nana Mouskouri, die am 13.10.1934 auf Kreta geboren wurde, ihre vielleicht letzte große Tournee durch Deutschland. Hierzulande ist sie vor allem für Schlager bekannt, so "Weiße Rosen aus Athen". Nach Madonna ist Mouskouri die weltweit erfolgreichste Künstlerin - ein internationaler Star. Ihrer Mehrsprachigkeit widmet sich auch Nana Mouskouris neue Doppel-CD "Meine Reise". Sie enthält Lieder auf englisch, französisch, griechisch und sogar koreanisch.

SPIEGEL ONLINE: In Deutschland kennt man Sie vor allem als Schlagersängerin. "Weiße Rosen aus Athen" bedeutete damals Ihren Durchbruch hierzulande. War das für Sie, nur wenige Jahre nach dem Krieg, nicht verstörend?

Mouskouri: Ich bin der festen Überzeugung, dass das Leben uns aus gutem Grund zusammenwürfelt. Erst wurde Griechenland von den Deutschen besetzt, dann kämpften Griechen gegen Griechen. Auf eine Art haben die einfachen Menschen die gleichen Probleme geteilt, ob sie nun Deutsche oder Griechen waren. Es mag ein Treppenwitz der Geschichte sein, dass ausgerechnet Deutschland das erste Land war, in dem ich zu einem Star wurde. In Deutschland schlug mir eine Sympathie entgegen, die unbeschreiblich war. Ich konnte gar nicht anders, als mein Geschichtsbild zu revidieren. Die Deutschen liebten mich - und ich begann sie auch zu lieben. Ich habe ungezählte Schlager für den deutschen Markt eingesungen - so, wie ich für den französischen Markt Chansons und für den amerikanischen Markt Lieder wie "Scarborough Fair" eingesungen habe.

SPIEGEL ONLINE: Was, würden Sie sagen, war im Rückblick das größte Glück Ihres Lebens?

Mouskouri: Dass ich all diese großen Menschen treffen durfte, mich mit ihnen auseinandersetzen konnte. Menschen wie Maria Callas und Aristoteles Onassis, Künstler wie Bob Dylan und Miles Davis - und noch viel mehr einzigartige Persönlichkeiten, die nie berühmt geworden sind, auf ihre Weise aber erfahren und weise waren. An ihnen bin ich gewachsen. Das Schöne am Altern ist ja, dass man nie auslernt, es immer noch etwas mehr zu lernen gibt. Auf der Straße, auf der Bühne, zu Hause. Kein Buch, kein Fernsehen ersetzt die echten Begegnungen.

SPIEGEL ONLINE: In den USA, wo sie damals waren, haben Sie ihre Karriere in den Sechzigerjahren begonnen. Sie haben dort mit Künstlern wie Quincy Jones oder Harry Belafonte zusammengearbeitet.

Mouskouri: Quincy war ganz entscheidend für mein Leben. Er produzierte nicht nur mein Album "The Girl From Greece Sings". Nein, er führte mich auch fortwährend aus. Mit ihm bin ich durch alle Jazzklubs von Harlem getingelt. Beeindruckt hat mich nicht nur die Musik im Apollo, sondern ich war auch schockiert von dem damals tief in der Gesellschaft verankerten Rassismus. Das haben wir uns ja in Europa damals gar nicht vorstellen können - wie man sich überhaupt wenig vorstellen kann, bevor man es hautnah zu Gesicht bekommt. Nicht ohne Grund sind damals so viele schwarze Jazzmusiker nach Paris ausgewandert. Ich bin sehr dankbar, dass Quincy mir alle Jazzmusiker persönlich vorstellte: "Nana, you have to come and listen to the masters first!", sagte er mir gleich zu Anfang. Und bevor wir mit den Aufnahmen begannen, schleppte er mich erst einmal mit.

SPIEGEL ONLINE: Sie verbrachten quasi fürs Studio gebuchte Zeit mit Feldstudien?

Mouskouri: Na klar. Quincy arbeitete damals sogar noch mit Duke Ellington zusammen! Ich kaufte mir alle Platten, die ich kriegen konnte: Ella Fitzgerald, Dinah Washington, Nat King Cole, Sam Cooke… Und ich wollte unbedingt ins Studio und anfangen zu singen. Aber Quincy führte mich erst mal ein paar Nächte aus. Ich pflege bis heute viele Freundschaften mit diversen schwarzen Musikern - und sie alle sind auf diese Zeit zurückzuführen.

SPIEGEL ONLINE: Und wie war es, Miles Davis zu treffen?

Mouskouri: Sowohl Miles als auch Quincy haben in Europa gelebt und auf diese Weise erfahren, dass es auch eine andere Form des Zusammenlebens geben kann als die Segregation. Und ich weiß noch genau, dass Miles mich ausgefragt hat. Er hatte von Quincy gehört, dass ich 7/8-Takte, 19/8 und andere krumme griechische Rhythmen singen konnte, die viel weiter gingen als Dave Brubecks 5/4 in "Take Five". Er wollte diese andere Welt der Rhythmik unbedingt begreifen. Er sagte zu mir: "So, you are Greek. Now tell me about your rhythms!" Also sang ich ihm die Rhythmen vor, damit er sie nachvollziehen konnte.

SPIEGEL ONLINE: Wo haben Sie die Rhythmen gelernt? Auf dem Konservatorium in Athen?

Mouskouri: Nein, das sind Rhythmen, die gehören zur griechischen Kultur. Die lernt man gewissermaßen auf der Straße. Und interessanterweise stoße ich in vielen Kulturen der Welt auf ähnliche Rhythmen. In vielen arabischen Ländern zum Beispiel. Ich komme von Kreta - die Insel grenzt über das Meer hinweg an Nordafrika, die Türkei und an Arabien. Es ist die letzte Insel im offenen Meer. Musiker wie Quincy oder Miles, die sind um die Welt gereist, auf der Suche nach neuen Rhythmen und Harmonien. Ihre Ohren sind offen. Gerade die afroamerikanische Musiktradition ist reich an Rhythmen, die von Dritten übernommen wurden. Alles amalgamiert in der afroamerikanischen Musik. Und dank dieser Neugierde, die mir entgegenschlug, lernte ich sie alle kennen, all die Protagonisten des Schwarzen Amerika.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es einen Rhythmus, die Sie mehr lieben als alle anderen?

Mouskouri: Ich liebe Rembetiko. Aber wenn Sie mich fragen, sind die Afroamerikaner die wahren Meister des Rhythmus. Alles, was in ihre Hände fällt, wird zu genialen, neuen Rhythmen. Man muss sich nur die Alben anhören, die Quincy mit Michael Jackson aufgenommen hat. Quincy ist auch ein Meister der Vereinfachung, die aus dem Wissen des Komplexen kommt. Immer, wenn ich mit Quincy zusammengearbeitet habe, suchte er zuerst nach einem Rhythmus, nie nach der Melodie. Das war immer die Basis. In Europa arbeitet man selten so.


Nana Mouskouri ist ab dem 2. Oktober 2014 auf Deutschlandtour, an ihrem Geburtstag, dem 13. Oktober tritt sie in Hamburg auf.

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