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Neue Jazz-Diven: Elfe mit überlangen Beinen

Foto: Minor Music

Neue Jazz-Diven Als blättere man durch die "Vogue"

Appell an die Augen statt an die Ohren: Stärker als je zuvor werden Vocal-Jazz-CDs über das vorteilhafte Aussehen ihrer Sängerinnen vermarktet - zum Glück lassen sich einige davon auch sehr gut anhören.

"Ist das Magazin "Vogue" etwa ins Jazz-CD-Geschäft eingestiegen?", fragt der Amerikaner Ted Gioia. In einer "Bestandsaufnahme über Vocal Jazz heute" entdeckt der renommierte Musikautor und Kritiker "eine überwältigende Masse von dargestellter Schönheit"; niemals zuvor hätten Jazzsängerinnen so gut ausgesehen. Gioia erwähnt Diana Krall und Jane Monheit. Er schreibt mehr über ihr Aussehen auf den Plattenhüllen als über ihre Stimmen - das spricht Bände.

Hat Gioia nur Amerika und die Stars der Branche im Auge? Wir schauen hier mal auf die Cover der Vocal-Jazz-Neuerscheinungen: Sechs von sieben Alben mit Sängerinnen, die - aus rein musikalischen Gründen! - in dieser Tageskarte auftauchen, zeigen schöne Frauen: Die Deutsche Lisa Bassenge, eine Elfe mit überlangen Beinen, hängt abhebbereit an Luftballons. Die Französin Anne Ducros lächelt von einem Luxussofa. Die Schwedin Caroline Henderson schmachtet den Betrachter in Großaufnahme mit weiten Augen und halb geöffneten Lippen an. Offenbar sollen die männlichen Käufer vor dem Hören sehen: ein Appell an die Augen statt an die Ohren.

Die Zahl der Sängerinnen im Bereich Jazz und Artverwandtem steigt kontinuierlich, und das bedeutet logischerweise auch mehr Konkurrenz, während andererseits der Markt schrumpft. Scharen von jungen Frauen veröffentlichen ihre Mischung aus Pop, Folk, Weltmusik, Schlager und Jazz. Manche Stimmen klingen gut; manche Stimmen werden mit Hilfe moderner Technik aufgemotzt - was selbstverständlich bei der männlichen Konkurrenz nicht anders ist. Und Gesang beiseite: Produzenten und PR-Agenten bauen auch auf das Aussehen ihrer Künstlerinnen. Wobei man sagen muss, dass auch Jazz-Sänger wie Michael Bublé, Amos Lee oder auch der deutsche Jazz-Trompeter und -Sänger Till Brönner mit ihrem smarten Aussehen Käuferinnen gewinnen wollen.

Man singt deutsch

Lisa Bassenge sieht toll aus und singt toll - auf ihrem neuen Album ausschließlich auf Deutsch. Begleitet von ihrem Quartet aus Jazzmusikern bringt die Berlinerin Lieder von Hildegard Knef, Udo Lindenberg und eigene Kompositionen. Ihre melancholische CD "Nur fort" beweist einmal mehr, dass Englisch nicht mehr die universelle Sprache des Pop und Jazz ist. Und das gilt auch für Soul Music. Die Sängerin Fola Dada - Name exotisch, aber in Stuttgart geboren und Musikstudium in Mannheim - hat für ihr Debüt-Album "Dada" (Rodenstein Records) zwölf Titel komponiert und dazu Texte in ihrer Muttersprache geschrieben: Soul-Jazz auf Deutsch. Klingt gut.

Ella Fitzgerald

Wie gehabt auf Englisch singen die Skandinavierinnen Caroline Henderson und Jessica Pilnäs. Die beiden gehören zum nie versiegenden Strom von Talenten aus Nordeuropa. Ihre jazzigen CDs "Keeper of the Flame" und "Bitter and Sweet" zählen zu den besseren Neuerscheinungen. Im traditionellen Idiom des Jazz trällert auch die Französin Anne Ducros auf ihrer Hommage an "Ella... My Dear". Ein 45-köpfiges Orchester sorgt für einen satten Soundteppich. Dass Fans die Ducros "weiße Ella" nennen, ist übertrieben. Aber gut ist die französische Diva allemal.

Vom Disneyland in den Friedrichstadt-Palast

Die US-Sängerin Twana Rhodes begnügt sich auf ihrer CD "Home" (Redwind Records) mit minimalistischen Arrangements. Meist nur von Gitarre, Bass und Drums begleitet, präsentiert sie mit kraftvoller Stimme ihre eigenen Songs. Die Tochter eines US-Offiziers war Darstellerin in Disneyland, hat auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik gesungen und im Berliner Friedrichstadt-Palast getanzt. Rhodes' Lieder offenbaren ihre Lebenserfahrung.

Im Angebot von Vocal-CDs fehlen niemals Bossa-Nova-Alben. Jetzt erschien gerade "Love, Tears & Joy" der Sängerin und Gitarristin Ulla Haesen. Stücke von Antonio Carlos Jobim singt die Kölnerin auf Portugiesisch. Den Welthit "Spinning Wheel" von Blood, Sweat & Tears interpretiert sie mit brasilianischen Rhythmen. Originell. Und die Hülle von Haesens CD zeigt, klar, ein Glamour-Foto der Künstlerin.

Zukünftig finden Sie die KulturSPIEGEL-Tageskarten Jazz und Klassik im Wechsel samstags auf SPIEGEL ONLINE; erstmals am 12. Februar. Mittwochs gibt es dafür ab kommender Woche die Theater-Tageskarte.

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