Abgehört - neue Musik Geölt wie eine Drecks-Maschine
(ZickZack/Broken Silence, seit 6. März)
Maurice Summen, Betreiber des Berliner Indie- und Avantgarde-Labels Staatsakt, Sänger und Frontmann bei den Türen, Gelegenheits-Songwriter bei Deichkind, hat eigentlich genug zu tun. Und er wusste, worauf er sich einließ, als er ins kleinere, aber altehrwürdige Berlin in Ostholstein aufbrach, um dort fünf Tage lang das Debüt der Gruppe Oil aufzunehmen. "Ich bin zu jung für diese Band. Es ist keine gute Idee, mit Ü50-Leuten eine neue Band zu gründen. Es wird Gründe geben, warum Menschen über 50 es nicht geschafft haben im Rock’n’Roll-Geschäft. Oder das, was bei uns davon übrig geblieben ist: ein Bass, eine Gitarre, eine alte Korg-Rhythmusmaschine und ein MacBook", schreibt Summen, auch schon Mitte vierzig, im Roman, der zeitgleich zum gleichnamigen Album "Naturtrüb" im Verbrecher Verlag erschienen ist. Das Album wurde auf ZickZack veröffentlicht, Alfred Hilsbergs mythisch umrankten Imprint, auf dem einst NDW-Untergrund-Acts und die frühen Blumfeld erschienen.
Aus der Hamburger Szene stammt auch Summens Text- (und Saxofon-)Partner bei Oil, der Plattenladen-Chef Gereon Klug (Hanseplatte), dessen Newsletter zum Besten gehört, was Pop-Prosa in Deutschland zu bieten hat. Musikalisch verstärkt werden die beiden vom "Reverend" Christian Dabeler, der einst in "Rollo Aller" den Daddel an der Seite Rocko Schamonis spielte und ein Magier an der Hammondorgel ist, sowie vom Comic-Zeichner und Bassisten Timur "Mosh" Çirak. Eine Supergroup der hanseatisch-hauptstädtischen Off-Kultur also, könnte man sagen, inszeniert von erwiesenen Meistern des gespielten Musiker-Witzes.
Im Bandlogo wird John Lydons Band PiL zitiert, Public Image Limited, doch das ist eine referentielle Sackgasse im reichhaltig beblätterten Zeichenwald, über den sich diese vier Szene-Veteranen mit dem fliegenden Teppich vom Cover erheben. Womit man schon wieder beim "Magic Carpet Ride" von Steppenwolf ist, der alten Hippie-Band, deren psychedelischer Sponti-Rock hier ebenso zitiert wird wie Krautrock-Gedaddel, das Blues-Mäandern über die "Tobacco Road" von Eric Burdons "War" (im 20-Minuten-Titelstück) und das lethargische Telefongesäusel von Trios "Sabine Sabine Sabine" in "Du, ich meld mich später". Den Post-Punk besorgt hier neben dem allgegenwärtigen Basslauf der verlässlich vor sich hin patternde und zischende Drumcomputer. Die Basis aber ist ein nach Jahrzehnten des Rock'n'Roll-Bramarbasierens müffelnder Endless-Boogie-Bodenbelag, auf dem Summen und Klug einen zuverlässig glitschigen, dadaistisch inspirierten Texterguss verteilen.
Und worum geht’s da so? Um alles und nichts natürlich. Instant-Wortspiele, deren Entstehung im höchst unterhaltsamen Oral-History-Roman nachzulesen sind, werden zur vordergründig cleveren, manchmal aber auch nur albernen Alltagsdiagnostik überhöht. Früher Höhepunkt des Albums ist "Frack It", ein Jazz-Disco-Funk mit Verneigung vor Donnie Hathaway, der abgeht "wie eine Drecks Machine" (Muahaha) und sich ansonsten darauf beschränkt, möglichst oft die ins ökologisch Bedenkliche oszillierende Titelidee zu reproduzieren: "Frack dich selbst/ Sonst fracken sie dich", und so weiter. WTF?