

Ja, man hat sich daran gewöhnt, dass der Eurovision Song Contest seinen Siegern nicht mehr die Weltkarrieren garantiert, die Abba, Udo Jürgens oder France Gall einst einschlugen. Doch wenigstens im eigenen Land, wenigstens für eine gewisse Zeit, sind sie doch irgendwie die Größten.
Umgekehrt ergeht es den Verlierern, die ausnahmslos und überall zunächst verlacht oder gar beschimpft werden. Und wie mag es da erst den ultimativen Verlierern gehen? Denen, die null Punkte bekamen. Die gedemütigt wurden von ganz Europa.
Diese Frage stellte sich der Londoner Autor Tim Moore, nachdem seine Landsleute Jemini, ein Gesangsduo, 2003 mit null Punkten Letzter beim Liederwettstreit wurden. Er begann, ein Buch darüber zu schreiben, und versuchte, alle Interpreten, die seit 1975 mit dieser Höchststrafe belegt wurden, zu treffen und zu interviewen.
1975 wählte er als Startdatum, weil damals die bis heute gültige Punkteskala von eins bis zwölf eingeführt wurde. Zuvor gab es häufiger Nullrunden, da die Länder weniger Punkte zu vergeben hatten.
Inspiriert von Moores Buch stellen wir Ihnen die Kandidaten vor, die voller Optimismus antraten und mit null Punkten nach Hause fuhren: in der Nul-Points-Fotostrecke.
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Die Anzeigetafel zeigt null zu null bei einem NHL-Eishockeyspiel. In Finnland würde man sagen, es stehe "Kojo-Kojo" - in Anlehnung an den Null-Punkte-Auftritt von Timo Kojo bei der Eurovision-Show 1982. Kojo sang einen Anti-Atomkriegs-Song, "Nuku Pommiin" (Video). Damals siegte ein anderer Friedensappell - der von Nicole, "einer hässlichen deutschen Jungfrau", wie Kojo am Tag danach gesagt haben soll.
Remedios Amaya (hier bei einem Konzert jüngeren Datums) war die zweite Unglückliche im Jahrgang 1983. "Quién maneja mi barca?" (Video), war ein sehr spezielles Stück Flamenco-Funk-Rock, dem nicht mal Glück brachte, dass die Sängerin barfuß auftrat wie einst Sandie Shaw. Dass sie nicht weinte, verdankte sie den anderen Sängern, sagte sie anderntags - besonders dem norwegischen. Und das war Nul-Points-Veteran Jahn Teigen. Später machte Remedios Amaya Karriere mit Flamenco pur.
Wilfried Scheutz beim Bier, während eines Konzerts im Jahre 1986. Der Oberösterreicher war ein Veteran des Austro-Pop (auch als Sänger der frühen Ersten Allgemeinen Verunsicherung), als er 1988 für Österreich bei der Eurovision auftrat. Er trug einen quadratisch wirkenden Anzug und krönte seinen Vortrag von "Lisa, Mona Lisa" (Video) mit einem zünftigen "Wooaah"-Schrei. Europas Jurys verschreckte er damit offenbar - null Punkte.
Das Schicksal von Gunvor Guggisberg war dem renommierten Schweizer Dokumentarfilmer Paul Riniker sogar einen Film wert, "Gunvor - eine Mediengeschichte". Denn die ehemalige Steptanzmeisterin wurde vom Boulevard erst hochgeschrieben, dann wurden Aktfotos und andere Schlüpfrigkeiten aus ihrer Vergangenheit herausgekramt. Nach dem letzten Platz beim ESC mit dem selbstgeschriebenen "Lass ihn" (Video) titelte der "Blick": "Null Punkte: Am Schluss stand Gunvor nackt da". Bis heute spielt Gunvor dieses Spiel mit, berichten Zeitungen über ihre wechselnden Beziehungen und Projekte.
Dieser letzte Platz brachte den Londoner Autor Tim Moore dazu, sein Buch "Nul Points" zu schreiben: 2003 erwischte es das stolze Pop-Land Großbritannien; das Duo Jemini aus (ausgerechnet!) Liverpool wurde mit einem Null-Punkte-Ergebnis bestraft für einen missglückten Auftritt, bei dem die Melodie von "Cry Baby" (Video) nur von weitem besichtigt wurde. Ihr Wikipedia-Eintrag endet mit dem bitteren Satz: "Das Duo löste sich kurz darauf auf und ein geplantes Album wurde nicht mehr veröffentlicht."
Moore besucht in seinem Buch auch noch die Null-Punkte-Interpreten Seyyal Taner (Türkei 1987, Video), Ovidijus Vysniauskas (Litauen 1994, Video) und Célia Lawson (Portugal 1997, Video).
Seit 2004 werden die chancenlosesten Teilnehmer im Halbfinale herausgesiebt - bisher mit Erfolg: Seither musste kein Finalist mehr mit null Punkten nach Hause gehen. Aber auch die Vorrunde kann ja zur Nullrunde werden - so erging es 2004 Piero Esteriore aus der Schweiz, der zusammen mit den Music Stars den Titel "Celebrate!" (Video) sang. Hinterher gab's wenig zu feiern.
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