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Zum Tod von Pete Burns: Aus der Klubszene an die Chartspitze

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Zum Tod von Pete Burns Ein Freak - im guten Sinne

Leopardenanzüge, Make-up und Schönheitsoperationen: Pete Burns war einer der flamboyantesten Popsänger der Achtzigerjahre. Der Einfluss des Dead-or-Alive-Partyhits "You Spin Me Round" reicht bis in die Gegenwart.

In seinem großen Jahr, dem Jahr 1985, schaffte es Pete Burns gleich zwei Mal auf die Titelseite von "Smash Hits", der britischen Teenagerbibel der Achtzigerjahre. Einmal allein, im Halbprofil, mit freiem Blick auf seine mit dunklem Make-up bemalten Augen. Spektakulärer war das andere Cover: Da kauerten Burns und sein Sängerkollege Morrissey aneinander, die Titelzeile sagte alles: "The very odd couple".

Denn dieses "sehr seltsame Paar" verkörperte, zumindest auf den ersten Blick, die größtmöglichen Gegensätze des britischen Pop jener Epoche. Da war der Sänger der Smiths, die mit Gitarrenklängen, Blumen in der Jeanstasche und Texten über Mobbing und Moormorde die Antithese gaben zur vorherrschenden Künstlichkeit. Und auf der anderen Seite Pete Burns, der diese Künstlichkeit auf die Spitze trieb.

1985 war Pete Burns mit seiner Band Dead Or Alive der große Wurf gelungen, diese eine große Hitsingle, die zum Evergreen wurde, für so eine bestimmte, ziemlich hysterische Stimmung, wenn die Partynacht schon weit fortgeschritten ist: "You Spin Me Round (Like A Record)". Eine Nummer eins in England, Kanada und der Schweiz. In Deutschland kam die Single auf Platz zwei der Charts.

"You Spin Me Round" war der erste Top-Hit für das Produktionsteam Stock-Aitken-Waterman, das die Hitparaden der zweiten Hälfte der Achtziger bestimmte: mit einem nach signalfarbenem Plastik klingenden Soul-Surrogat, das strahlenden jungen Menschen wie Kylie Minogue oder Rick Astley Hits am Fließband einbrachte. Doch bei Dead Or Alive waren noch einige interessante Flecken auf der später so schmutzabweisenden Stock-Aitken-Waterman-Oberfläche.

Das lag natürlich vor allem an Pete Burns, einem äußerst flamboyanten Charakter, der schon auf dem Cover des ersten Dead-Or-Alive-Albums in einem Leopardenanzug und auf allen vieren kriechend in die Kamera schnurrte. Im Video zu "You Spin Me Round" präsentierte Burns eine schwarze Augenklappe zum wild hochtoupierten Haar - wenn er nicht gerade im violetten Kimono unter einer Diskokugel die Hüften zum Hi-NRG-Beat schwenkte.

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Doch Flamboyanz war ja - es sollte sich bald ändern - in jenen Jahren schon fast Voraussetzung, um den Weg in die Teenagerherzen zu finden. Man denke nur an Culture-Club-Sänger Boy George, der in seiner Autobiografie "Take It Like A Man" beschreibt, dass Burns schon Ende der Siebziger in der Klubszene von Liverpool einen derart legendären Ruf hat, dass dieser bis zu ihm ins ferne London hallte.

Der Rock-Sänger Julian Cope, der ebenfalls seine Sozialisation im Liverpooler Eric's Club hatte, beschreibt seinen ersten Eindruck so: "Ein übergewichtiges Mädchen, das in ihr schwarzes Kleid gegossen war, stand da mit dem schwuchteligsten Typen, den ich je gesehen hatte. Beide hatten schwarzgefärbtes Haar, weiße Theaterschminke und Lack-und-Leder-Klamotten. Das Mädchen war wirklich sexy und hieß Lynne. Der Typ war wunderschön und war Peter Burns." Sie waren damals, 1976, ein Paar, beide 17. Bald darauf heirateten sie und verkauften Punkkleidung, wobei Pete Burns die jungen Punks, seine Kundschaft, gern mal verspottete. Burns' scharfe Zunge bekam auch Boy George zu spüren: Als sich die beiden 1982 kennenlernten, warf Burns Boy George vor, seinen androgynen Look geklaut zu haben.

"Ein Gütesiegel der britischen Musik"

Musikalisch hinkte da Burns' Band dem seelenvollen Pop des Culture Club aber noch ein ganzes Stück hinterher: Dead Or Alive debütierte 1980 mit einer New-Wave-Single ("I'm Falling") und fühlte sich der Gothic-Szene nahe, in der das zeitweilige Bandmitglied Wayne Hussey mit Sisters of Mercy und The Mission später zum Helden wurde. Doch eine Coverversion des Siebzigerjahre-Discohits "That's The Way (I Like It)" bahnte dann 1984 den Weg, auf dem die Band mit "You Spin Me Round" zur Chartspitze tanzte.

Morrissey und Pete Burns, die so gegensätzlichen Stars des Jahres 1985, sie kamen dann in dem "Smash Hits"-Doppelinterview natürlich ganz prächtig miteinander aus. Ja, sie sagten sogar voneinander, sie seien Freunde. "Er hat mir 26 Rosen zu meinem Geburtstag geschickt", sagte Morrissey über Burns, "und ich ihm 48 nackte Matrosen." Dann nannte Morrissey "You Spin Me Round" noch "ein Gütesiegel der britischen Musik, das niemals alt werden wird." - "Du provokatives kleines Luder!", lautete Burns' Antwort.

Doch Morrissey hat ja recht gehabt, irgendwie. Der deutsche DJ Westbam erzählte in seinen Memoiren, wie er den Basslauf des Songs immer mal wieder dazwischenmixte, von seinen Anfängen im Berliner Metropol bis zur Mayday. Und noch 2009 nahm der US-Rapper Flo Rida den Refrain, um seinen wohl größten Hit, "Right Round", zu landen.

Für Pete Burns ging es allerdings nicht so strahlend weiter. Zwar hatten Dead Or Alive Mitte der Achtziger noch einige, kleinere Nachfolgehits; "Brand New Lover" zum Beispiel schaffte es 1986 noch zur Nummer eins der US-Dancecharts, und auch in Japan gab es noch Erfolge. Doch in den Neunzigern machte Burns weniger mit neuen Hits als mehr mit missglückten Schönheitsoperationen von sich reden. So ist es fast logisch, dass er 2006 ins britische "Promi Big Brother"-Haus einzog. Folge: "You Spin Me Round" kehrte in die Charts zurück. Was Burns mit den Worten kommentierte: "Es ist, als würde man mit 46 Jahren seine Schuluniform wieder tragen."

Über seine sexuelle Orientierung schrieb Burns in seiner Autobiografie "Freak Unique": "Ob ich schwul, bi oder trans bin? Vergesst das alles. Man bräuchte eine ganz andere Terminologie, und ich weiß nicht, ob die schon erfunden ist. Ich bin einfach Pete." Am Montagabend ließen seine Ex-Frau Lynne, sein zeitweilig eingetragener Lebenspartner Michael Simpson und sein Manager Steve Coy via Twitter wissen, dass Pete Burns am Sonntag einem Herzstillstand erlegen ist. Er wurde 57 Jahre alt.

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