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Pop-Literatur: Von Kiffern und Künstlern

Foto: Ian Gavan/ Getty Images

Pop-Literatur Von Kiffern und Künstlern

Das gibt Diskussionsstoff am Weihnachtsbuffet: Zwei Branchenkenner verkünden in einem aufwendig angelegten Buch das generelle Ende der Pop-und Rockmusik. Zu Recht?

"Wem gehört die Popgeschichte?" heißt ein neues Buch, und es könnte passieren, dass der nicht gerade elektrisierende Titel einige mögliche Leser verschreckt. Das Wort "Popgeschichte" klingt nach verstaubter Vergangenheit, so ähnlich wie "Der Untergang des Römischen Reichs". Dabei ist die Geschichte, die hier auf mehr als 350 eng beschriebenen Seiten verhandelt wird, durchaus spannend, denn die beiden Autoren zählen zum größer werdenden Kreis interessierter Beobachter, die die Popmusik auf eine gewisse Art und Weise für abgehakt, abgeschlossen und erledigt halten.

Oder zumindest ein wichtiges Kapitel der Popmusik. Die "erste Phase der globalen Poprockmusik" sei beendet, verkünden die Autoren gleich zu Beginn des Buches. Gemeint ist damit dieses schillernde, unberechenbare Kulturphänomen, das mit dem Hüftschwung von Elvis begann und sich nun ein gutes halbes Jahrhundert später, nach Michael Jacksons Abgang und kollabierenden Tonträgerumsätzen, so langsam wieder auflöst. Eine These, die dieser Tage durch allerlei Feuilletons und Internetforen geistert. Bislang wurden nur in schöner Regelmäßigkeit einzelne Genres beerdigt: mal HipHop, dann Techno oder Punk und am laufenden Band der Rock'n'Roll, aber nun ist es gleich die ganze Welt der Popmusik, die angeblich dem Untergang geweiht ist.

"I wanna die young at a very old age"

Die Autoren dieses Werkes sind kompetente und erst zu nehmende Branchenkenner. Jürgen Stark arbeitete als Journalist und Buchautor und entwickelte das deutsche Fachblatt "Metal Hammer". Gerd Gebhardt war mal Europa-Chef des Branchenriesen Warner Music (Madonna, Neil Young, etc.), war im Vorstand der deutschen Phonoverbände und verantwortet den deutschen Musik-Oscar namens "Echo".

Jimi Hendrix

Eric Clapton

Das Buch des Duos ist eine aufwendige Fleißarbeit, eine als Collage angelegte Geschichte der populären Musik. Die Kapitel - denen jeweils Playlists mit einzelnen Songs als eine Art Soundtrack vorangestellt werden - kombinieren Aufsätze und Interviews, Erinnerungen und Zitate, eingebettet in einen gesellschaftlich-politischen Rahmen. So werden und zitiert, aber auch Insider-Helden wie Country-Großmeister Charlie Louvin mit dem feinen Satz: "I wanna die young at a very old age".

Heinz Rudolf Kunze

Den Start macht ein Interview mit , dann folgen Episoden über den Blues, den Rock'n'Roll, Krautrock, Punk und die Neue Deutsche Welle. Wie bei allen Geschichtsschreibungen ist dieses Werk am unterhaltsamsten, wenn Zeitzeugen an ihren Erinnerungen teilhaben lassen. So schwärmt zum Beispiel der amtierende Warner-Boss Bernd Dopp von drogenvernebelten Abenteuern im legendären Hamburger Club Grünspan: "Dieser Laden war das schärfste Ding im Europa der Kiffer und Künstler, neben dem Londoner 'Round House' und dem 'Ufo' und dem 'Paradiso' in Amsterdam - das war die musikkulturelle Avantgarde dieser Zeit."

Bushido

Darüber, ob mit "Fuck You Bürgerschreck-Rappern" wie oder der Online-Zerfaserung der Musik in ein Wirrwarr von Mikro-Trends nun tatsächlich die "Poprockmusik" verendet, lässt sich endlos palavern: Darüber ob sie noch zum Aufbegehren taugt, ob und wie sie entwertet wurde und ob Videospiele der neue Pop sind. Dass in die Jahre gekommene Fachleute behaupten, dass früher alles besser war, gehört zu den Ritualen der Popmusik. Wer dieses umfangreiche Buch bewältigt hat, kann zwischen den Feiertagen herrlich mit der interessierten Verwandtschaft zanken.

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