
Propaganda: Pop-Export der achtziger Jahre
Propaganda-Gründer Ralf Dörper "Deutsche galten als cool"
SPIEGEL ONLINE: Herr Dörper, vor 25 Jahren erschien "A Secret Wish", das erste Album Ihrer Band Propaganda, und wurde zum internationalen Bestseller. Wie kamen Sie zu einem Vertrag mit dem damals superhippen Londoner Label ZTT?
Ralf Dörper: Der britische Musikjournalist Chris Bohn schrieb viel über kontinentaleuropäische Musik in der Post-Punk-Phase. Der lobte im "New Musical Express", der da noch sehr wichtig war, DAF, die Einstürzenden Neubauten und kurioserweise auch obskurste Sachen, die ich gemacht hatte. Meine 1979 erschienene erste Single, eine Art Klangcollage, besprach Bohn sehr euphorisch. Die und meine nachfolgenden Singles hatten eine Auflage von jeweils 500 Stück, wovon dann immer mindestens 450 in England und Amerika weggingen. Als Trevor Horn und Paul Morley damals ZTT planten, vermittelte Chris Bohn den Kontakt, und wir waren bereits mit denen im Gespräch, bevor die Firma ZTT überhaupt existierte. Propaganda, Art Of Noise und Frankie Goes To Hollywood waren dann die ersten ZTT-Veröffentlichungen.
SPIEGEL ONLINE: "A Secret Wish" erscheint jetzt als umfangreich erweiterte und restaurierte Doppel-CD. Wie erfolgreich war die Platte denn damals?
Dörper: Weltweit ging das Album so an die zwei Millionen mal weg.
SPIEGEL ONLINE: War das überzeichnete teutonische Image, das Propaganda mit Hits wie "Dr. Mabuse" und "Duel" inszenierten, Ihre Idee oder die des ZTT-Marketing-Meisters Paul Morley?
Dörper: Ich war immer ein Leser von Morleys Texten, als er noch Musikkritiker beim "New Musical Express" war. Als er mich mal daheim besuchte, war er erstaunt, dass meine Plattensammlung sehr viele seiner Empfehlungen enthielt. Aber sein Image als Ideengeber wird überschätzt, Morley war auch immer ein Ideennehmer. Wenn Sie schauen, wo ich herkomme - vor Propaganda musizierte ich mit Die Krupps - sollte klar sein, wo das Propaganda-Image seinen Ursprung hat.
SPIEGEL ONLINE: Heißt das etwa, dass es auch Ihre eigene Idee war, "Sorry For Laughing", einen Song der obskuren schottischen Gitarrenband Josef K., auf dem Album zu covern?
Dörper: Nein, das war tatsächlich mal eine Morley-Idee. Eine, von der ich nicht angetan war. Das war bestenfalls ein B-Seiten-Song. Aber egal, wir haben diese Schotten wohl reich gemacht, was Tantiemen angeht. Bedankt haben sie sich nie.
SPIEGEL ONLINE: "Pop Made in Germany" galt lange als schlechter Scherz. Wie wurden Sie damals in England aufgenommen?
Dörper: In England wurden wir sehr respektvoll behandelt. Deutsche wie DAF, Malaria und die Einstürzenden Neubauten galten als cool. In Südeuropa, das kaum von den britischen Medien beeinflusst war, wurden Propaganda nicht mal als "deutsch" wahrgenommen, sondern eher als kontinentaleuropäisch. Für die USA waren Propaganda aber zu schräg, zu komplex und sperrig. Die waren so ratlos, dass unser Album in den USA einen Aufkleber bekam, der groß verkündete, dass Steve Howe, der Yes-Gitarrist, mitspielen würde.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben in Düsseldorf begonnen?
Dörper: Genau, in der Punkszene. Danach experimentierte ich allein viel mit Elektronik. Dann kamen die Krupps. Es gab diese Düsseldorfer Szene: den Ratinger Hof mit DAF, Liaisons Dangereuses, davor natürlich Kraftwerk und Neu!. Mit Kraftwerk gab es zu Punkzeiten auch Kontakte, die waren sehr daran interessiert, was an neuer Musik passierte.
SPIEGEL ONLINE: Stimmt es, dass Sie nebenher noch bei einer Bank arbeiteten?
Dörper: Stimmt, das tue ich immer noch, und in England war das auch immer ein Kuriosum. Dabei war Martin Gore von Depeche Mode auch bei einer Bank angestellt, der stand sogar wirklich am Schalter, ich nie.
SPIEGEL ONLINE: Es klingt natürlich trotzdem extrem unglamourös. Hatten Sie das Geld so nötig?
Dörper: Solch ein Job verschafft Unabhängigkeit gegenüber einer Plattenfirma, künstlerische Entscheidungen können freier getroffen werden. Außerdem war es erschütternd wie wenig selbst manche erfolgreiche Musiker in England damals aufgrund ungünstiger Verträge tatsächlich verdienten. Die lebten teilweise auf Hartz-4-Niveau.
SPIEGEL ONLINE: War Ihr Job als Banker der Grund, wieso so viele deutsche Kritiker ihre Band nicht ausstehen konnten?
Dörper: In Deutschland hatten wir generell ein Problem mit der Medienresonanz. Es kam nicht gut an, dass Propaganda direkt über England entdeckt wurden. Und in Deutschland gab es eben keinen Paul Morley - nur Journalisten, die davon träumten.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt Gerüchte, dass es zum Jubiläum eine Propaganda-Reunion geben soll. Stimmt das?
Dörper: Nein, wir sind doch nicht Spandau Ballet! Das würde auch nicht funktionieren. Propaganda hatten effektiv ja nur drei Hits: "Dr. Mabuse", "Duel" und "p:Machinery". Aber Claudia Brücken, die Propaganda-Sängerin, die in London lebt, treffe ich ab und zu noch zum Kaffeetrinken, wenn ich dort als Banker einen Geschäftstermin habe.
Das Interview führte Christoph Dallach