Punk-Hymne "Ça Plane Pour Moi" Schwindel um One-Hit-Wonder?

1977 galt französische Popmusik als denkbar uncool - doch dann kam "Ça Plane Pour Moi", einer der kommerziell erfolgreichsten Songs der Punk-Ära und der größte Hit des Belgiers Plastic Bertrand. Aber hat er das Lied überhaupt selbst gesungen? Darüber tobt gerade ein heftiger Streit.
Plastic Bertrand bei einem Auftritt 2007: "Du willst, dass ich gestehe?"

Plastic Bertrand bei einem Auftritt 2007: "Du willst, dass ich gestehe?"

Foto: Kristian Dowling/ Getty Images

Brüssel/Hamburg - Wer hätte gedacht, dass man bei "Ça Plane Pour Moi", der unvergesslichen Bubblegum-Punk-Hymne aus dem Jahre 1977, einmal an Milli Vanilli denken müsste? Doch ähnlich wie deren Produzent Frank Farian zwei hübsche Tänzer auf die Bühne schickte, die zum Playback von Studiosängern zu singen vorgaben, so soll auch Plastic Bertrand seinen mit Abstand größten Hit - sogar in den englischen Charts war er damals in den Top Ten - nicht selbst gesungen haben. Das behauptet jedenfalls sein damaliger Produzent Lou Deprijck. Er sagt, er sei es selbst gewesen.

Zum Thema wurde dieser mutmaßliche Etikettenschwindel 2006 in einem Gerichtsverfahren. Der heute in Thailand lebende Produzent hatte eine neue Version von "Ça Plane Pour Moi" veröffentlicht - und dafür angeblich die originalen 24-Spur-Studio-Tonbänder aus dem Jahre 1977 verwendet, so der Vorwurf der Firma AMC, in deren Besitz die Originalbänder sind.

Im Zusammenhang mit diesem Verfahren wurde festgestellt, dass Plastic Bertrand im juristischen Sinne der einzige Interpret des Songs sei; schließlich sei er auf dem Plattencover zu sehen gewesen und habe den Plattenvertrag unterschrieben. Dennoch schaltete der mit dem Fall betraute Richter Experten ein, die die Aufnahmen von 1977 und 2006 genau vergleichen sollten.

"Ich bin kein Gauner, ich bin Künstler"

Am Montag zitierten nun belgische Zeitungen aus dem Bericht eines Linguisten, der feststellte, bei beiden Aufnahmen sei derselbe Sänger zu hören, zudem falle bei der Stimme der nordfranzösische Ch'ti-Akzent auf (unlängst durch den Spielfilm "Willkommen bei den Sch'tis" populär geworden). Lou Deprijck stammt aus dem südbelgischen Lessines, wo man diesen picardischen Dialekt spricht, müsste also vertrauter damit sein als der aus Brüssel stammende Plastic Bertrand.

Jenseits solcher regionalen Spitzfindigkeiten gab sich der Produzent, der in den Achtzigern auch große Erfolge mit der Sängerin Viktor Laszlo hatte, erleichtert. In einem Interview mit der Tageszeitung "La Dernière Heure" tönte er: "Ich bin der Ursprung von [Plastic Bertrands] Erfolg. Sogar seinen Namen habe ich ausgewählt." Plastic Bertrand, der als Roger Jouret zur Welt kam, habe zwar zu singen versucht, aber es habe schrecklich geklungen - woraufhin die Plattenfirma Deprijck gebeten habe, auch auf den folgenden Alben zu singen.

Doch im Pop zählt nicht nur die Stimme, sondern auch das Aussehen. Während der Produzent einen Schnauzbart trug und eher gemütlich aussah, brauchte der Song "eine entfesselte Persönlichkeit, total extrovertiert, arrogant im besten Sinne", wie der französische Rockexperte Gilles Verlant der Zeitung "Le Parisien" sagte. Demselben Blatt gegenüber verteidigte sich Plastic Bertrand am Dienstag mit den Worten: "Er will mich zum Gauner machen. Ich bin kein Gauner, ich bin ein Künstler."

"Ich wollte singen, durfte aber nicht."

Am nächsten Tag klang das ganz anders: Die belgische Tageszeitung "Le Soir" berichtete, Plastic Bertrand habe den Schwindel zugegeben. "Ich will gerne sagen, dass es nicht meine Stimme war", zitiert das Blatt den Star. Lou Deprijck habe ihm ein halbes Prozent der Songwritingrechte angeboten dafür, dass er seinen Mund halte.

Zudem habe Deprijck versprochen, mit seiner Stimme eine neue Version aufzunehmen - was er nie tat. "Ich bin das Opfer", sagte Plastic Bertrand: "Ich wollte singen, aber er untersagte mir den Zugang zum Studio. Ich hing fest, ich steckte in der Scheiße." Erst nach vier Alben mit Plastic Bertrands Namen und Lou Deprijcks Stimme trennten sich die Wege der beiden. "Gut, dass er endlich aufhört, das Gegenteil zu behaupten", sagte der Anwalt des Produzenten zu Plastic Bertrands Geständnis.

Am Donnerstag bestritt Plastic Bertrand plötzlich wieder, nicht der wahre Sänger des Hits von 1977 zu sein. Dem Radiosender "Europe 1" sagte er, die Äußerung sei vertraulich gewesen, der Journalist von "Le Soir" sei ein alter Freund, der solange gedrängt habe, bis er gesagt habe: "Du willst, dass ich gestehe? Ich gestehe dir, was du willst, damit man mich dann in Frieden lässt." All das habe er in einem ironischen Tonfall gesagt: "Zynisch. Zum Lachen. Aber es gibt nichts Neues zu sagen."

Der "Dernière Heure" sagte er: "Meine Version der Tatsache ist unverändert seit 33 Jahren: 1977 hat Lou Deprijck "Ça Plane Pour Moi" komponiert und produziert; ich bin ins Studio gekommen und habe meinen Gesang aufgenommen. Ob er danach noch an dem Song herumgebastelt hat, fällt in seine Verantwortung. Ich jedenfalls singe das Lied seit 33 Jahren auf den Bühnen der Welt."

Und wir? Sind verwirrt.

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