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Rodriguez-Soundtrack: Comeback aus dem Reich der Toten

Foto: Courtesy of Rodriguez

Folk-Pop-Legende Rodriguez Tote Helden leben länger

Der Folk-Pop-Sänger Rodriguez verschwand nach zwei großartigen, aber erfolglosen Alben spurlos. In Südafrika wurde er, ohne es zu wissen, zum Superstar. Nun erzählt eine Dokumentation sein Leben - mit toller Rodriguez-Musik.

Es gab Augenzeugen, die beteuerten, der US-amerikanische Singer-Songwriter Rodriguez habe sich auf der Bühne erschossen. Andere sagten, er habe sich verbrannt. Gemeinsam war beiden Versionen des Dramas nur, dass der rätselhafte Musiker irgendwie unter tragischen Umständen verstorben war. Andere behaupteten, er sei Drogen oder Depressionen zum Opfer gefallen. Sicher war hingegen, dass Rodriguez Anfang der siebziger Jahre zwei feine Folk-Pop-Alben einspielte, die in den USA gute Kritiken bekamen und vom Publikum ignoriert wurden. Und dass Rodriguez auf Nimmerwiedersehen von der Bildfläche verschwand.

Das machte als traurige, aber letztlich austauschbare Geschichte über eine dieser obskuren Kult-Figuren für Plattensammler die Runde. Doch dann recherchierte der junge schwedische Filmemacher Malik Bendjelloul dem Verschwundenen hinterher. Dessen toller Dokumentarfilm "Searching For Sugar Man" über die Suche nach dem Verbleib des Musikers Rodriguez ist eine Mischung aus Detektivgeschichte, Wirtschaftskrimi und Märchen und sorgte in den USA und Großbritannien bereits für Furore. In Deutschland ist schon jetzt die tolle Soundtrack-CD "Searching For Sugar Man" mit wiederentdeckten und restaurierten Rodriguez' Songs wie "Sugar Man", "I Wonder" und "Inner City Blues" erschienen. Die Dokumentation soll im Dezember in die deutschen Kinos kommen, ist aber für Ungeduldige auf Englisch bereits als DVD zu haben.

"Wir verkauften in den USA vermutlich fünf Exemplare"

Der mysteriöse Barde namens Rodriguez wurde Ende der sechziger Jahre in seiner Heimatstadt Detroit, wo er in dubiosen Pinten seine Songs klampfte, von Talentjägern aus dem Motown-Umfeld entdeckt. Die prophezeiten ihm eine strahlende Zukunft, weil seine Musik an Dylan und Donovan erinnerte und trotzdem individuell klang. Sein 1970 veröffentlichtes Debüt-Album "Cold Fact" mit fabelhaften von ihm verfassten und gesungenen Folk-Pop-Songs, bestätigte das Talent des 1942 als Sixto Diaz Rodriguez als Sohn mexikanischer Immigranten in Detroit geborenen Musikers, fand aber kein Publikum. "Wir verkauften in den USA vermutlich fünf Exemplare", erinnert sich der Chef seiner damaligen Plattenfirma im Film.

Auf noch weniger Interesse stieß ein Jahr später das zweite, ebenso herrliche Rodriguez-Album "Coming From Reality". Daraufhin setzte ihn die Plattenfirma vor die Tür. Danach, so hieß es, schlug sich Rodriguez fortan als Hilfsarbeiter auf Baustellen durch und trat bis zu seinem Tod noch sporadisch in abgetakelten Kneipen auf. So trist schien bislang diese Geschichte zu enden, dabei begann sie da eigentlich erst. Denn auf verschlungenen Wegen gelangten einige Rodriguez-Alben nach Südafrika, wo sie auf wundersame Weise zu Super-Bestsellern wurden, im Radio rauf und runter liefen und sich millionenfach verkauften. Vom Rest der Welt, dank des Apartheidregimes, überwiegend abgeschottet, stieg Rodriguez in Südafrika zum Held der Widerstands-Bewegung auf, die seine Texte als Protest-Songs deutete. In den Siebzigern wurde Rodriguez dort der Champions League von Dylan, den Beatles und Rolling Stones zugeordnet. Er war ein Held, den sein Millionen-Publikum für tot hielt.

Der verantwortliche Künstler jedoch war quicklebendig und bekam davon nichts mit, hielt sich immer noch für gescheitert. Er war weder verbrannt, noch hatte er sich erschossen, noch war er Drogen und Depression zum Opfer gefallen. Er schleppte Schutt auf Baustellen. Den spannenden Fragen, wieso er in einer Parallelwelt ein Star war, ohne es zu wissen, wo seine Millionen versackten und warum er für tot gehalten wurde, geht der Film "Searching For Sugar Man" nach. Er bietet außerdem bewegende Bilder von den ersten Südafrika-Konzerten des Totgeglaubten vor einigen Jahren. Letztlich ist der Film ein schönes Pop-Märchen mit Songs, die weltweit Klassiker sein könnten.

Im November ist Rodriguez übrigens zum ersten Mal in Großbritannien auf Tournee. Die Konzerte in großen Hallen sind ausverkauft. Davon, dass er sich auf der Bühne etwas antun könnte, ist also nicht auszugehen.

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