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Schlager-Rapper Romano Straight outta Köpenick

Sein Compton liegt in Ost-Berlin: Der auffällig bezopfte Rapper Romano, Kunstfigur wie einst der Hauptmann von Köpenick, begeistert die Hauptstadt-Szene. Wir haben ihn auf ein Plasteglas Rotkäppchen in seiner "Hood" besucht.

Der Wurstbuden-Betreiber am S-Bahnhof Berlin-Köpenick guckt irritiert zu Roman Geike rüber, erst misstrauisch, dann lachend. Ein typisches Berliner Kopfschütteln, Junge, Junge, dann bekommt der an der Bude stehende Bettler für ein paar Romano-Dollar tatsächlich sein Bier. Geike zieht noch ein paar grüne Dollarscheine mit seinem Konterfei aus dem Bund seiner Jogginghose und verteilt sie an Passanten, als wäre er ein Robin Hood von Ost-Berlin.

Einige, wie der Wurstbuden-Mann, kennen die hibbelige Gestalt mit der aufgeplusterten Bomberjacke und den beiden geflochtenen Blondzöpfen bereits. Der Rapper, Sänger und DJ trifft hier am Bahnhof in letzter Zeit öfter mal Journalisten, um sich in seiner "Hood" zu zeigen. Zur Begrüßung, "zum Lockermachen", gibt es für alle erst mal ein Gläschen Rotkäppchen-Schaumwein aus dem mitgebrachten Plaste-Sektglas.

Wenn es gut läuft mit Romanos Debütalbum "Jenseits von Köpenick", das jetzt erscheint, könnte Romano bald bekannter sein als Köpenicks ewiger Top-Promi Friedrich Wilhelm Voigt, der sich einst als Hauptmann ausgab und das Rathaus des Berliner Bezirks im Südosten besetzte. Ein Schelm wie Voigt ist Roman Geike allemal. In einem seiner Lieder nennt er sich "Der schöne General", die Hierarchie-Frage wäre also schon mal geklärt.

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Szene-Rapper Romano: Erdbeersekt im Plastikglas

Foto: Virgin Records

Kreuz und quer laufen wir mit Romano durch Köpenick, vorbei am Stammimbiss am Rande einer Brache an der vielbefahrenen Mahlsdorfer Straße, auf ein Pläuschchen mit Wirtin Margitta, die sich um die Zukunft ihrer Bude sorgt; auch in Köpenick beginnt langsam die Gentrifizierung.

Hinter der kleinen Bude sitzen ein paar ältere Urköpenicker. Einer steht auf und will uns wegscheuchen. "Lügenpresse. Haut ab!", ruft er. Vielleicht hat Romano hier schon einmal zu oft versucht, Hipster-Berlin mit der Realness des Berliner Randbezirks zu konfrontieren. Er will lieber Rücksicht auf seine Nachbarn nehmen. "Lasst uns mal weitergehen", sagt er und bittet uns, Margitta nicht zu filmen.

Wir gehen. Aber nicht in Richtung der langen, tristen Plattenbau-Reihen im Allende-Viertel, lieber wandert Fremdenführer Romano durch die ansehnlichere Altstadt bis zum Spreeufer, wo er sich im Eiscafé gerne einen "Schwedenbecher" servieren lässt, seinen schön altmodischen Lieblingssnack.

Romano - "Klaps auf den Po":

Virgin Records

Auf dem Weg grüßt er mal hier, mal dort, probiert ein paar Früchte am Obststand, überlegt, ob er sich beim Friseur im Einkaufszentrum kurz die Haare machen lassen soll: Geikes durchtrainierter Körper wirkt wie unter Dauerstrom; im wiegend-ausholenden Mackergang flaniert er durch die Nachbarschaft, unentwegt berlinernd, Stakkato-schnatternd und fototaugliche Locations vorschlagend.

Es ist eine großartige, perfekt choreografierte Show, die der Mittdreißiger für uns inszeniert: Romano, der Proll-Rapper aus Köpenick, ist eine Kunstfigur wie Horst Schlämmer oder Lady Gaga, aber man hat nicht das Gefühl, dass Geike viel schauspielern muss. Er wirkt auf unheimliche Weise authentisch, ganz bei sich.

Mit Metal-Band gescheitert

Schon in der Schule, erzählt er, habe er sein Showtalent entdeckt und vor seinen verdutzten Mitschülern George Michaels "I Want Your Sex" zum Besten gegeben. Später, in den Neunzigern, entdeckte er den damals boomenden Gangsta-Rap von der US-Westküste für sich: Tupac und Snoop Dogg wurden seine Helden.

Noch heute bevorzugt er den "roughen Straßensound", findet diese Authentizität aber heute eher in der britischen Grime-Bewegung. Köpenick wurde sein Compton; die idyllischen Gassen der Altstadt imaginierte sich der junge Rap-Fan als gefährliches Getto-Pflaster, dazu braucht man schon eine ungezügelte Fantasie.

Daran mangelte es Geike nie. Neben hartem HipHop hört er Death Metal und hat, wie er sagt, "immer eine Satyricon-Scheibe im Auto, zum Runterkommen". Ende der Neunziger war er Sänger einer Crossover-Metalband namens Maladment, etwas härter als die Guano Apes, die einen Plattenvertrag bei BMG bekam. Das Debütalbum wurde jedoch nie veröffentlicht, das Label habe "eher so was wie eine Boyband" aus ihnen machen wollen, sagt Geike, "wir wollten uns aber nicht anpassen".

Aus der Rockstarkarriere wurde also vorerst nichts. Der gelernte Mediengestalter schlug sich vor allem in Osteuropa als Drum'n'Bass-DJ durch, später als Schlagersänger: Ein vom Berliner DJ Jan Driver produziertes Album namens "Blumen für Dich" erschien 2009 (Video "Halt mich" auf YouTube ansehen ). Man kennt Geike, einen Meister der eigenen Neuerfindung, als MC Ramon, Cornerboy, Left Coast, Dayton the Fox oder eben Romano, je nach musikalischer Ausprägung.

Romano from the Block

Als er 2013 im Videoclip "Itchy/Cornerboy" (auf YouTube ansehen ) seines Freundes Moritz Friedrich alias Siriusmo erstmals lässig durch den Köpenicker Alltag schlenderte, wurde auch der Komponist und Musikmanager Jakob Grunert auf Romano aufmerksam, der kurz darauf mit dem viralen Edeka-Hit "Supergeil" einem anderen Berliner Original, dem Musiker Friedrich Liechtenstein, zum Durchbruch verhalf.

Geike und Grunert wurden Freunde. Zusammen entwickelten sie den bunte Starter-Jacken tragenden Zopfträger Romano, der im vergangenen Sommer mit dem Gassenhauer "Metalkutte" und dem zugehörigen Videoclip, in dem Romano erneut durch Köpenick streift, erstmals für Furore sorgte: Ein rauer, sehr moderner Minimal-Elektro-Sound prallt auf Metal und HipHop-Elemente und im Sprechgesang vorgetragene Refrains, die unmittelbar im Gedächtnis haften bleiben.

Romanos Debüt-Album ist voller solcher Instant-Hits: Die Ballade "Romano & Julia" erinnert an LL Cool Js Schmachter "I Need Love", "Klaps auf den Po" und "Heiß Heiß Baby" taumeln auch textlich hart am Partyschlager-Abgrund, "Marlboro Mann" ist eine monotone, aber durchaus tiefsinnige Dada-Übung übers Rauchen, "Brenn die Bank ab" und "Straße" gar subversiver Autonomen-Pop.

Konzerte des Hobby-Balletttänzers werden schnell zu schwitzig-johlenden Angelegenheiten, bei denen Po-Klapser ebenso reichlich ausgeschenkt werden wie Schnäpse. Mit seiner entwaffnend sympathischen Romano-from-the-Block-Attitüde, seinem ulkig gebrochenen Getto-Outfit und seinem auf Herz und Hüfte zielenden Hybrid-Pop macht er Schlager-Rap camp genug für hippe Großstädter.

Nähe erzeugen, Hüllen fallen lassen

Bei seinen Auftritten träfen sich, "Techno-Mäuse, HipHopper und Metaller", weiß Romano, "aber wenn die sich nackig ausziehen, sind das alles Menschen. Darum geht's: Nähe erzeugen, Hüllen fallen lassen, Grenzen fallen lassen."

Schubladen und Genres waren ihm immer schon zu eng. "Die einen sagen, ich mach auf Alexander Marcus, die anderen finden, ich mach auf Deichkind", aber eine Masche sei das alles nicht, erklärt er: "Klar wird das Leben auch mal mit einem Augenzwinkern betrachtet, aber alles, was ich mache, nehme ich extrem ernst." Romano sei "keine Ulknummer, kein Comedyprogramm".

Von selbsternannten Szenegurus will er sich daher nicht geschmäcklerisch ausdeuten lassen: "Ich mach mir meine Welt einfach schön, so bunt, wie ich sie haben möchte. Da gehört der Homie aus South Central genauso dazu wie der Opernsänger, der daneben steht und ein paar Ballett-Moves macht." Ein Szenenwanderer sei er, der sich das Recht nimmt, aus allen Stilen und Epochen "das herauszufiltern, was ich liebe".

Ob er mit dem schönen General aus Köpenick nach langer Suche endlich die letztgültige Künstlerfigur gefunden hat, in der endlich alle widersprüchlichen Persönlichkeiten vereint sind, darauf mag er sich nicht festlegen; um an langfristigen Erfolg zu glauben, ist Geike schon zu lange im Musikgeschäft. So groß wie mit Romano kommt er vielleicht nie wieder raus, sein Album erscheint beim Majorlabel Virgin, das gerade sehr viel Geld in eine PR-Kampagne steckt.

Allein deshalb will sich Geike auf keinen Fall beschränken: "Heute bin ich mal der HipHop-Freak, morgen aber vielleicht der romantische Ritter, der 'ne Frau erobert mit 'nem Handkuss. Warum nicht?", sagt er und schenkt zum Abschied noch mal Rotkäppchen-Sekt ins Plastikglas nach.

Romano: "Jenseits von Köpenick" (Virgin) erscheint am 11. September
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