Gründer von Fania Records Salsa-Pionier Johnny Pacheco ist tot

Johnny Pacheco 1996 bei einem Konzert in New York
Foto: Jack Vartoogian / Getty ImagesEinen der schönsten Tage seines Lebens hatte Johnny Pacheco wahrscheinlich am 23. August 1973. An dem heißen Sommertag fanden sich 40.000 Musikfans im Baseballstadion der New York Yankees ein, um die Fania All Stars zu feiern – ein zu jener Zeit populäres Kollektiv lateinamerikanischer Musiker und Musikerinnen, die der Flötist und Songwriter Pacheco bei seiner Plattenfirma Fania herausbrachte.
Als Bandleader sorgte er damals im Yankee-Stadion nicht nur für eine hitzige, alsbald legendäre Show, das Konzert markierte auch den Höhepunkt der in New York und anderen US-amerikanischen Großstädten grassierenden »Salsa-Craze«; der Sound Kubas und Lateinamerikas, urbanisiert von Einwanderern in New York, hatte es in den Pop-Mainstream geschafft, auch dank Johnny Pacheco.
Jetzt ist der Salsa-Pionier im Alter von 85 Jahren gestorben. Das teilten Fania Records am Montagabend mit. Laut Berichten von US-Medien, die sich auf Angehörige Pachecos, darunter seine Ehefrau Maria Elena Pacheco berufen, verstarb er in einem Krankenhaus in Teaneck, einem Vorort von New York im Bundesstaat New Jersey unweit seines Wohnorts Fort Lee. Zur Todesursache gab es zunächst keine Angaben.
Pacheco wurde im März 1935 als Juan Azarías Pacheco Knipping in der dominikanischen Stadt Santiago de los Caballeros geboren, zog aber schon im Alter von elf Jahren mit seiner Familie nach New York. Sein Vater war in dem Karibikstaat ein bekannter Bandleader und Klarinettist, seine Mutter stammte von französischen Kolonialisten ab. In Brooklyn wollte Pacheco zunächst Elektro-Ingenieur werden, studierte dann aber an der renommierten Juilliard Musikschule. Er lernte neben Flöte auch Akkordeon, Saxofon und Klarinette zu spielen und war Musiker in mehreren Bands.
1960 gründete er seine erste eigene Formation, Pacheco y Su Charanga. Das gleichnamige Debütalbum wurde ein Hit und verkaufte sich allein im ersten Jahr nach seinem Erscheinen auf Alegre Records mehr als 100.000 Mal. Es gilt bis heute als ein Bestseller lateinamerikanischer Musik und löste unter anderem den Tanz-Trend Pachanga aus. Pacheco wurde ein international gefeierter Star und tourte durch die USA, Europa, Asien und natürlich Lateinamerika.
Das Motown des Salsa
1964 gründete Pacheco dann sein eigenes Label, Fania Records. Dabei half ihm sein Partner Jerry Masucci, ein ehemaliger New Yorker Polizist, der als Anwalt arbeitete und auf Kuba seine Liebe zu lateinamerikanischer Musik entdeckt hatte. Zusammen verkauften sie die ersten Fania-Veröffentlichungen auf der Straße, aus dem Kofferraum ihres Autos heraus. Junge Künstler wie Celia Cruz, Willie Colón, Rubén Blades oder der puerto-ricanische Sänger Hector Lavoe versammelten sich auf Pachecos Label. Sie fusionierten afrokubanische und südamerikanische Musik mit Jazz, Blues, Funk und R&B – und benannten diesen scharfen, brodelnden Dance-Sound, eine »hot sauce«, nach dem spanischen Wort für Soße: Salsa.
Das Fania-Label wird oft als »Motown of Salsa« bezeichnet, analog zu dem Popularitätsschwung, den afroamerikanische Musik, Soul und R&B, in den Sechzigerjahren durch das Label in Detroit erfahren hatte. In den Texten der Fania-Künstler ging es vielfach um Rassismus, kulturellen Stolz und die Beschäftigung mit den politisch angespannten Zeiten Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre. Salsa sei genauso einheimische und gewachsene amerikanische Musik wie Jazz und Hip-Hop, schrieb die Kritikerin Jody Rosen 2006 in der »New York Times«. Damals waren die Masterbänder, verstaubt und halb vermodert nach der Pleite des Labels zu Beginn der Achtzigerjahre, gerade wieder restauriert und wiederveröffentlicht worden.
Johnny Pacheco blieb bis zu seinem Tod der Spiritus rector der New Yorker Salsa-Szene. In den Neunzigerjahren trug er Musik zu erfolgreichen Kino-Filmen wie »Mambo Kings« bei und arbeitete viel mit Musikern aus anderen Genres zusammen – darunter David Byrne, Sänger der Talking Heads. Mit zahlreichen Ehrungen und Preisen ausgestattet, wurde Pacheco 1998 in die Latin Music Hall of Fame aufgenommen. Er schrieb in seiner Karriere mehr als 150 Songs, viele davon Klassiker des Genres.
Zu seinem Vermächtnis gehört nicht nur das 1975 als Album veröffentlichte Salsa-Woodstock im Yankee-Stadion, sondern auch das nach ihm benannte Johnny Pacheco Latin Music and Jazz Festival, das alljährlich am Lehman College in der New Yorker Bronx stattfindet. Das Festival gilt als Sprungbrett für junge lateinamerikanische Musiker, die an New Yorker Schulen studieren.