Seeed-Sänger Peter Fox Dickes B allein an der Spree

Katertage und Turnschuh-Schlendereien: Seeed-Frontmann Pierre Baigorry singt auch als Peter Fox über sein Leben in Berlin. Dass sein Soloalbum dennoch so anders klingt, liegt vor allem an den tollen Sound-Spinnereien. Sogar ein Orchester hat er mit ins Beat-Boot geholt.
Von Stefan Krulle

Soloprojekte haben es meistens schwer. Wenn Mitglieder einer erfolgreichen und nicht öffentlich zerstrittenen Band plötzlich allein auf einem Cover zu sehen sind, reagieren Kritiker und selbsternannte Experten gerne mit gepflegter Häme im Unterton. Sie dozieren dann, dass dieses Werk zwar nicht per se misslungen, aber im gewohnten Bandgefüge ebenso gut realisierbar gewesen wäre – mindestens. Bei Seeed-Frontmann Pierre Baigorry greift diese Logik nicht.

Leicht verspätet schlendert der Berliner ins Konferenzzimmer seiner Hamburger Plattenfirma, nimmt Platz und scheint zu wissen, was ihn nun erwartet. Noch besser weiß er natürlich, dass es ihn nicht bekümmern muss.

Mit seinem ersten Solo-Album, das ursprünglich mal "Hunde, Tauben, Stadtaffen" heißen sollte und jetzt nur noch "Stadtaffe" heißt, bleibt er bestenfalls an der Stimme und manchmal noch an seinen baumstarken Beats als das zu erkennen, was er vorher war: Gründungsmitglied, Groove-Master und einer von drei Shoutern der Erfolgs-Formation Seeed. Er war "Enuff", einziger weißer Sänger der Berliner Dancehall-Könige.

Wunschkandidat Gnarls Barkley

Baigorry grinst. "Zunächst muss ich ja sagen, dass ich überhaupt nicht vor hatte, ein Solist zu werden. Ich wollte bloß ein paar Sound-Ideen, die mit der Seeed-Besatzung einfach nicht funktionieren, mal umsetzen und hoffte dabei auf den einen oder anderen guten Sänger." Zum Beispiel auf Cee-Lo Green, "der bloß eben schnell ein paar Tracks mit seinem Kumpel Danger Mouse fertig machen wollte". Ihr kleines Side-Project nannte sich dummerweise Gnarls Barkley, ging durch die Decke und strich folglich den Wunschkandidaten von Baigorrys Gästeliste.

Und weil Baigorry kein Mensch ist, der seine Ideen gern auf die lange Bank schiebt, stand er eben irgendwann selbst vor dem Mikrofon. "Klar hätte ich da gern eine Luxus-Limousine ins Licht gestellt", untertreibt er charmant. "Jetzt steht da halt der Golf." Der heißt Peter Fox, das soll er selbst sein, wir müssen auch ein bisschen grinsen.

Seine deutschen und dafür ungemein flapsigen, nicht selten durch surreale Geschichten irrlichternden Verse sind aber nicht die eigentliche Überraschung auf "Stadtaffe". Vielmehr wuchert der 34-Jährige mit seinen Sound-Spinnereien, die er sich von zwei Schlagzeugern und dem Filmorchester Babelsberg hat umsetzen lassen.

Keine leichte Aufgabe, zumal nicht mit den stechuhrgewohnten Orchester-Musikanten. Baigorry grinst erneut, "die sind natürlich beileibe keine homogene Masse, wie man das vielleicht erwartet. Einige von denen fanden die Idee toll und spannend, andere standen pünktlich zur Mittagspause einfach auf und gingen essen. Aber immerhin sitzen da gut 40 Leute, die echt ihr Instrument beherrschen und das, was du ihnen vorlegst, sofort spielen können." Eine Souveränität, die sich auf Peter Fox’ Album nacherleben lässt.

Die meiste Arbeit indes, so scheint es, hat Baigorry auf den Feinschliff seiner Texte verwendet. Ob er nun verkaterte Tage nach dem Beziehungsende oder – stets wiederkehrend – seine Innenansichten aus dem Dicken B, Berlin also, zu Reimen formt wie außer ihm bestenfalls 2raumwohnung.

Mal abgesehen von der präpubertär peinlichen Anmach-Schmonzette "Zucker" – Textprobe: "Bin Ingenieur für Baggertechnik, bagger an, verleg' ein Rohr" – sind vor allem die Turnschuh-Schlendereien zwischen Kottbusser Tor und alter Kreuzberger Herrlichkeit ein schönes Vergnügen.

"Aus dem Alter bin ich raus"

"Ich hatte schon den Anspruch", sagt Baigorry, "Texte auf höchstem Rap-Niveau zu reimen. Nur eben ohne die typischen Rap-Inhalte, weil ich ja aus dem Alter raus bin, wo man auf dem Schulhof peinlich herumstammelt. Was du rappst, darf nicht dumm, aber ebenso wenig zu schlau klingen. Man muss sich da manchmal auch von Worten verabschieden, die man liebt und lieber solche nehmen, die auch tatsächlich jemand nachmittags auf der Straße benutzt." Das klappt auf Baigorrys Solo vorzüglich, er muss sich dafür nicht einmal das Aggro-typische Lispeln zulegen.

Das Konzept des Berliners scheint aufzugehen, seine Single "Alles neu" läuft bereits rauf und runter im Radio, sogar im formatierten, und kommt lediglich ein paar Sonnentage zu spät, um noch zum Sommerhit des Jahres zu werden.

Bleibt schließlich nur die Frage, was mit den Lieblingen jeder Studenten-Party, was also aus Seeed nun wird. "Ich kenne die Frage", sagt Baigorry alias Fox alias Enuff und verdreht die Augen, "also, ganz einfach: Wir machen natürlich weiter, das haben wir ja auch schon des Öfteren verkündet und ernst gemeint". Kein aber? "Naja, ich kann noch nicht sagen, wann das passieren wird."

Vielleicht wird er in Zukunft noch des Öfteren mit den Kopf schütteln und die Seeed-Fans auf später vertrösten. Wenn es einmal läuft, dann läuft's. Er kennt das ja: von Cee-Lo Green.


Peter Fox - "Stadtaffe", erschienen bei Warner

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