Star-DJ Paul Oakenfold Vertonte Schimpftirade

Der Brite Paul Oakenfold bastelte bisher Song-Remixe für fast alle Großen der Popwelt. Nun präsentiert der Star-Discjockey sein erstes eigenes Album.

Zum Glück gibt es Fußball. "Das ist die einzige Sache, über die ich mit meinen alten Kumpels im Pub wirklich unbeschwert reden kann", sagt Paul Oakenfold mit seinem extrabreiten Londoner Cockney-Akzent, "meine Arbeit und mein übriges Leben ist für die Jungs so surreal, dass die mich zwangsläufig für ein unangenehmes Großmaul halten würden, wenn ich davon erzähle." Dass der 38-jährige Oakenfold im Tonstudio Songs von Pop-Superstars wie Madonna, den Rolling Stones, den Smashing Pumpkins oder Led Zeppelin aufgemöbelt hat, wissen die Trinkkumpane trotzdem ­ und auch, dass er mit der Rockband U2 auf Tournee war und in Sportstadien vor Abertausenden Zuhörern seine Platten auflegte. Schließlich nannte die Londoner "Times" Paul Oakenfold den "wohl berühmtesten DJ der Welt". Für Besuche im Pub und Diskussionen über die Fußball-Weltmeisterschaft findet Paul Oakenfold derzeit wenig Muße: Nach rund zwei Jahrzehnten im Musikgeschäft bringt er seine erste eigene Platte heraus; "Bunkka" heißt das Debüt-Album, das Anfang Juli auch in Deutschland erscheinen wird. Jeder gute DJ, so behauptet Oakenfold, habe auch das Zeug zum Musiker. Er selbst wuchs als Sohn eines Londoner Zeitungsausträgers auf und wollte zunächst Koch werden, begeisterte sich dann aber doch weniger für Herdplatten als für Plattenspieler. Sein Handwerk lernte er in den frühen achtziger Jahren in New York: "Am Anfang war ich schwer beeindruckt, wie mühelos die DJs alle die ganze Nacht arbeiten konnten", erinnert er sich, "erst nach Wochen kapierte ich, dass viele das nur mit Hilfe von Drogen schafften." Selbst Karriere machte DJ Paul Oakenfold dann nach seiner Heimkehr in Großbritannien ­ zum Massenerfolg von Genres wie House, Rave, HipHop und Trance trug er dort entscheidend bei, ohne sich je auf öden Purismus festzulegen. Er mixte schon mal einen Techno-Track mit Songs von Aretha Franklin und den Rolling Stones. Für seine Auftritte berechnet er angeblich bis zu 20 000 Pfund pro Abend. Auf dem Solowerk "Bunkka" zeigt Oakenfold nun ein exzellentes Gespür für Melodien und Arrangements ­ und verfällt glücklicherweise nicht auf die Idee, seine Songs plötzlich auch selbst zu singen. Für die wohnzimmertauglichen Elektropop-Nummern lud sich Oakenfold neben völlig Unbekannten ein paar junge, bereits hitparadenerprobte Sängerinnen wie Emiliana Torrini und Nelly Furtado vors Mikrofon; auch diverse alte Haudegen wie der US-Rapper Ice Cube und der britische Soundbastler Tricky (der mit Furtado im Duett singt) durften ran. Auf die Mitwirkung der Superstars unter seinen Kunden wie Bono oder Madonna hat Oakenfold angeblich bewusst verzichtet. "Ich wollte vermeiden, dass meine Platte nur wegen der Gäste gekauft wird", sagt er. "Mein Name soll schon der größte auf dem Cover sein." Der wohl überraschendste Gastkünstler auf dem Werk ist US-Autor Hunter S. Thompson. Oakenfold besuchte den alten Pionier des amerikanischen Gonzo Journalism, ließ ihn beim Absinth über Gott und die Welt schimpfen und dabei sein Tonband mitlaufen. Eine besonders unterhaltsame Thompson-Tirade über den Ex-Präsidenten Richard Nixon veredelte der britische Tonbastler hinterher mit einem schleppenden Beat ­ das Resultat ist ein gemächlicher Polit-Rap und eines der raffiniertesten Stücke des Albums. Schon als Remixer machte Oakenfold seine Kunden meist glücklich: "Er ist der Einzige, dem es gelungen ist, dass unsere Songs wirklich in den coolen Clubs gespielt werden", lobte etwa U2-Gitarrist The Edge. Als er mit der Band dann monatelang auf Welttournee ging, drohte Oakenfolds Londoner Existenz schweren Schaden zu nehmen. Bei seiner Rückkehr sollte seine Behausung wegen nicht bezahlter Mieten gepfändet werden, auch seine Freundin hatte schon die Koffer gepackt. Seitdem lässt er die Dinge immerhin ein wenig ruhiger angehen. Verbringt mehr Zeit daheim, präsentiert in einer samstäglichen Radioshow Pophelden wie Kylie Minogue und Ronan Keating als Literatur-Vorleser von Klassikern wie "Alice im Wunderland" oder "Pinocchios Abenteuer" (damit popvernarrte Teenager die Lust am guten Buch lernen) und geht öfter mal ins Pub. Dort aber gilt strikt: Lasst uns nur über Fußball reden. Das Album "Bunkka" (Perfecto/Warner Bros.) wird am 8. Juli 2002 veröffentlicht

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