T.Rex-DVD Glanz schön schrill

Marc Bolan gilt als einer der Helden des Siebziger-Jahre-Pops und als Gallionsfigur der Glam-Ästhetik. Die DVD-Dokumentation "Born to Boogie" allerdings zeigt schlüssig, dass Bolan viel mehr war als nur ein Glitzer-Star - und bis heute die Rockmusik beeinflusst.

1970 - ein exzellenter Jahrgang für Rock aus dem Vereinigten Königreich: Black Sabbath hoben mit dem Album "Paranoid" den Heavy Metal endgültig aus der Taufe, Marc Bolan und seine Band Tyrannosaurus Rex hatten mit "Ride A White Swan" ihren ersten Hit. Der klang so psychedelisch versponnen wie der Bandname verzickt war; aus dem unaussprechlichen Saurier wurde später einfach T.Rex. Und schon damals war sie zu hören: Die sägend singende Gitarre, die kurze Riffs ausspuckte, sich durch überraschende Harmonien mäanderte und schließlich in einem wilden heulenden Solo explodierte.

Wahrscheinlich war der markante Sound eine Idee von Bolans Produzent Tony Visconti; die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden prägte auf Anhieb einen Stil. Das Gitarrengenie Jimi Hendrix war erst im September '70 gestorben, und bei Bolan spürt man seinen Einfluss deutlicher als bei jedem anderen europäischen Gitarristen - vor allem während seiner Live-Auftritte.

Die sind auf der Doppel-DVD "Born To Boogie" nun umfassend dokumentiert. Das T.Rex-Konzert im Londoner Empire Pool/Wembley vom 18. März 1972 beispielsweise zeigt Bolan und Band auf der Höhe ihres Könnens. Songs wie "Get It On" und "Cosmic Dancer" waren schon geschrieben, die Fan-Hysterie brodelte dem Zenith entgegen. Bolan selbst wirkte locker, humorvoll, entspannt.

Über diese Zeit gibt es bereits einen Kinofilm, "Born To Boogie", der nach seiner Video-Veröffenlichung Anfang der Neunziger jedoch in der Versenkung verschwand. Auch er ist auf dieser DVD-Edition enthalten. Stilistisch ist der Streifen dem schrillen Geist der Beatles-Werke "Help" und "A Hard Day's Night" verpflichtet. Man ulkte, lachte und ließ Beatles-Drummer Ringo Starr Regie führen. Elton John kraulte das Piano, und alle hatten eine wunderbare Zeit.

Diese Unbeschwertheit, verbunden mit sexy Lockenmähne und dem enormen Erfolg beim pubertären Publikum, machte Bolan schon damals verdächtig: T.Rex gerieten in die Teenie-Schublade, mussten sich mit The Sweet und Gary Glitter vergleichen lassen, während David Bowie und Lou Reed als anspruchsvolle Glam-Künstler durchgingen. Umso schöner zu sehen, wie frisch und kraftvoll heute die Soli und Songs von Bolan wirken - und wie deutlich sie als Inspirationsquelle für Bands wie die White Stripes und andere Exponenten des zeitgenössisch neutönenden Gitarrenrocks zu erkennen sind. Außerdem wirkt die Garderobe Bolans aktuell viel weniger peinlich als David Bowies Ziggy-Stardust-Look: Bunte Glanz-Sakkos à la T.Rex kann der modische Mann durchaus wieder tragen.

T.Rex-Producer Tony Visconti selbst hat das Remastering der hier verwendeten Aufnahmen besorgt, dazu etliches aus den Archiven hervorgekramt: eine 47-minütige Dokumentation darunter, außerdem Studio-Outtakes und weiteres Live-Material von T.Rex. Fünf Stunden Spielzeit sind so zusammen gekommen - eine Herausforderung, selbst für hartgesottene Fans. Doch die Macher bewahrten selbst bei der Fülle des Materials etwas von der frühen, spröden Intimität und dem sanften Witz der Rex-Musik. "With my Les Paul, I know I'm small, but I enjoy living anyway", sang Bolan in "Spaceball Ricochet". Man glaubt es ihm, denn zu wahrer Größe gehört auch ein wenig Ironie.

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