
Weihnachtstipps für Jazz-Liebhaber: Alles andere als der Sound der Saison
Weihnachtstipps für Jazz-Liebhaber In Sound gemalt
In der Jazzabteilung von Dussmann in der Berliner Friedrichstraße wurden schon im Oktober nicht weniger als 56 verschiedene Christmas-Alben angeboten - gospelnde und jazzige Weihnachtsklänge von den a cappella singenden Blind Boys of Alabama bis zu Diana Krall mit Bigband-Begleitung. Oder die "Christmas With My Friends"-Reihe des schwedischen Posaunisten Nils Landgren, deren vierte Ausgabe dieses Jahr auf vielen Gabentischen liegt. Und die Fachpresse "durchforstet alle Jahre wieder den Plattenmarkt nach jazzaffinen Weihnachtsplatten" ("Jazzthetik"). Man merkt schnell: Tonträger mit dem Sound der Saison gehören zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken unter Musikfreunden. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch ein paar originelle Geschenke gäbe. Zum Beispiel diese:
Für Musikliebhaber mit Interesse an Malerei
Im 75. Jubiläumsjahr von Blue Note verbindet das Buch "Talkin' about Painted Jazz" die Geschichte des Labels mit abstrakten Bildern: So wird zum Beispiel auf Seite 156 die Platte "Trompeta Toccata" des Trompeters Kenny Dorham vorgestellt, und Till Brönner beschreibt Dorhams "unnachahmliche Meisterschaft". Auf der gegenüberliegenden Seite ist das abstrakte Gemälde zu sehen, zu dem sich der Künstler Dietrich Rünger beim Hören dieser Musik inspirieren ließ. Der Düsseldorfer Maler hat zu 75 berühmten Blue-Note-Platten Werke geschaffen. Sein Credo: So wie andere Musik mit Worten erklären wollen, versucht er, Jazz mit Malerei sichtbar zu machen. "Painted Jazz" ist der ungewöhnlichste Band in der Reihe von Veröffentlichungen zum Blue-Note-Jubiläum.
Die Beziehung zwischen Jazz und zeitgenössischer Malerei pflegt auch das Label Edition Longplay von Rainer Haarmann. Der ehemalige JazzBaltica-Chef produziert Aufnahmen-Deluxe in Vinyl und lässt dabei die Tradition der künstlerisch gestalteten Plattenhülle wieder aufleben. Seine neueste limitierte Ausgabe ist eine Solo-Einspielung des amerikanischen Pianisten Alan Broadbent. Das Cover von "Just one of those Things" gestaltete die Stuttgarter Künstlerin Martina Geist. Ihr Holzschnitt "Tässchen auf Grün" ist ein Stillleben zur Weihnachtszeit.
Für Jazzfans mit Faible für Reissues
Unter der Überschrift "German Catalog Goes Digital" berichtet das US-Magazin "Down Beat" über das Projekt, mehr als 400 Alben, die das Label MPS zwischen 1968 und 1983 produzierte, remastert und digitalisiert neu herauszubringen. Die Hamburger Entertainment-Gruppe Edel Kultur erledigt diesen Job gemeinsam mit dem KulturSPIEGEL - insofern Werbung in eigener Sache - und bringt 25 "Remastered Rarities" heraus. Eine Box mit 25 CDs enthält Bigband, Smooth, Rock-Jazz Fusion und sogar ein bisschen Free Jazz. "Down Beat" erwähnt in seinem Bericht die in der KulturSPIEGEL-Edition enthaltene Trio-CD des Gitarristen Joe Pass mit dem Bassisten Eberhard Weber. Das Magazin bewertet die Platte mit viereinhalb von fünf möglichen Punkten.
Aufmerksam beachtet in den USA werden auch die Jazzaufnahmen aus deutschen Rundfunk-Archiven, die nun kontinuierlich als CDs auf den Markt kommen. So bringt die WDR-Reihe "The Cologne Broadcasts" auf dem Label "Jazzline" Mitschnitte von Konzerten heraus: "Billie Holiday & Buddy DeFranco Quartet Live in Cologne 1954" und "Stan Getz Quartet - Live in Düsseldorf 1960". Radio Bremen veröffentlicht "Larry Coryell & The Eleventh House" von 1975 und "The Horace Silver Quintet" von 1977 auf dem Label "Promising Music". Was einmal im Radio gesendet wurde und dann über Jahrzehnte in Archiven schlummerte, kann jetzt Jazzfans zum Fest erfreuen.
Für Jazz-Neueinsteiger
Götz Alsmann ist sicher mehr Leuten als Entertainer bekannt, nicht so vielen als Jazzmusiker. Deshalb ist es keine schlechte Idee, ihn als Köder für einen Ausflug ins Jazz-Genre zu nutzen. Seine neue CD "Götz Alsmann am Broadway" enthält Songs aus dem Great American Songbook mit deutschen Texten, dargeboten "ohne Ironie, aber gottlob auch ohne Sentimentalität", wie das "Jazzforum" findet. Das habe "Stil und Klasse". Jazzferne Menschen sind möglicherweise auch mit dem Album "Round Nina - A Tribute to Nina Simone" zu erfreuen. Denn auf der Platte sind Künstler/innen dabei, die weit über den Jazz hinaus ihr Publikum haben - etwa Sophie Hunger, Melody Gardot und Gregory Porter.
Buch:
Rainer Placke (Hg.)/Dietrich Rünger (Ill.): Talkin' About Painted Jazz. JazzPresso; 236 Seiten; 75 Euro.
LP mit künstlerischer Covergestaltung:
Alan Broadbent: Just One Of Those Things. Edition Longplay; Limited Edition; 24,99 Euro.
Remasterte Jazz-Alben von MPS:
Remastered Rarities. Edel Kultur; MPS.
Jazzaufnamen aus deutschen Rundfunkarchiven:
Billie Holiday & Buddy DeFranco Quartet: Live in Cologne 1954.
Stan Getz Quartet: Live in Düsseldorf 1960. Jazzline - WDR The Cologne Broadcasts.
Larry Coryell & The Eleventh House: January 1975 - Livelove Series Vol. 1;
Horace Silver Quintet: June 1977 - Livelove Series Vol. 2. Promising Music.
CDs/DVD:
Götz Alsmann am Broadway. Universal; CD und DVD, 17,99 Euro. Diverse: Round Nina - A Tribute to Nina Simone. Emarcy Records; CD; 15,99 Euro.