
"Unser Star für Oslo": Das große Finale
"Unser Star für Oslo" Die Nette oder die Nudel?
Es war ja ein bisschen Mode geworden, zu behaupten, die Zeit der großen Meinungsunterschiede sei vorbei: Ob SPD und CDU, Mercedes und BMW, Wolfsburg und Schalke - alles ähnlich. Es hätte ewig so weiter gehen können, wäre nicht Guido Westerwelle gekommen. Plötzlich merkte man: Es gibt sie doch noch die Spaltung, die unterschiedliche Haltung, es gibt Reich, es gibt Arm und es gibt erstmals seit 1949 sogar einen Bundesaußenminister, mit dessen Amtsführung ein Großteil der Bevölkerung nicht zufrieden ist.
Dass ausgerechnet der Eurovision-Vorentscheid "Unser Star für Oslo" die Tendenz zur Polarisierung bestätigt, mag auf den ersten Blick überraschen: Ist es doch das erste Joint-Venture zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen. Und wer hat nicht beim Fernsehschauen schon den Eindruck gehabt, dass die Ähnlichkeiten zwischen den Sendern nicht unbedingt abgenommen haben.
Doch wenn das Publikum am Freitagabend über die deutsche Vertreterin beim Eurovision Song Contest vom 25. bis 29. Mai in Oslo entscheidet, hat es tatsächlich die Wahl. Zwar sind die Finalistinnen, Jennifer Braun aus Eltville und Lena Meyer-Landrut aus Hannover, gleich alt (18), gehen beide zur Schule, tragen sogar eine ähnliche Frisur (dunkle lange Haare) und haben sechs Vorentscheidungsrunden gut überstanden - doch ihre Konzepte könnten kaum unterschiedlicher sein.
Kackwurst in der Hose
Die Hessin Braun setzt auf den Dorfdisco-tauglichen Gassenhauer, trug "I'm Outta Love" von Anastacia genauso vor wie "Like The Way I Do" von Melissa Etheridge, und gibt sich auch sonst arglos volkstümlich: "Ich bin ja kein böses Mädchen."
Das Lob für sie fiel dementsprechend formelhaft aus: "Erschreckend gut, auf den Punkt" (Stefan Raab), "geil abgeliefert" (König Boris von Fettes Brot), "sehr gut gesungen" (Jan Delay). Delay war es dann auch, der Brauns entscheidenden Makel zum Ausdruck brachte - ihre Biederkeit: "Ich hätte mir bei der Performance mehr Crazyness gewünscht."
Denn die Show heißt "Unser Star für Oslo" - den gewissen Zauber, der Stars mitunter von Nichtstars unterscheidet, hat die Jury offenbar eher bei Brauns norddeutscher Konkurrentin Lena Meyer-Landrut ausgemacht.
Stefan Raab meinte "Ich bin total geflasht", König Boris nannte sie "die verrückte Nudel in der Gang" und Marius Müller-Westernhagen tippte: "Die Menschen werden dich lieben."
Meyer-Landrut setzte bislang nicht auf Hits, sondern auf ziemlich unbekannte Titel von ziemlich unbekannten Künstlern, auf Songs von Adele, The Bird And The Bee oder Paolo Nutini. Die trug sie im jazzig-souligen Stil des einstigen Raab-Proteges Max Mutzke vor. Sie gab sich scherzhaft und schlagfertig - zum Beispiel als sie in deutlicher Anspielung auf Dieter Bohlens " Pipi-Kandidaten" selbstironisch anmerkte: "Ich hab 'ne richtige Kackwurst in der Hose."
"Westerwelle ruiniert das Land"
Ob sie so auch ein gesamteuropäisches Publikum für sich einnehmen könnte ("Kackwurst - Douze points!"), ist noch offen; fest steht: In der Finalsendung am Freitagabend werden beide Sängerinnen mit je drei Liedern auftreten. Noch sind die eigens für die Show geschriebenen Titel geheim - wer sie komponiert und getextet hat, wird gar erst nach der Sendung bekanntgegeben, um die Zuschauer nicht zu beeinflussen.
Zwei der drei Lieder mit denen Braun und Meyer-Landrut antreten sind identisch, dazu kommt jeweils ein drittes, individuelles.
Danach stimmen die Zuschauer telefonisch ein erstes Mal über die Songs ab, Braun und Meyer-Landrut treten mit ihrem jeweiligen Siegertitel auf, schließlich fällen die Zuschauer in einer weiteren Telefonabstimmung ihre endgültige Entscheidung: Wer fährt nach Oslo - die Nette oder die Nudel?
Die von König Boris scheint schon festzustehen: "Westerwelle ruiniert das Land. Du fährst nach Oslo und biegst es wieder gerade", sagte er zu Meyer-Landrut.
Jemand anderer Meinung?