Unterhaltungskünstler Das Unikum mit Swinggefühl

Seine Tonträger erscheinen beim berühmtesten Jazz-Label; er gewinnt Jazzpreise am laufenden Band. Doch die Mehrheit seiner Fans hat mit Jazz nichts am Hut: Sie feiert Götz Alsmann als den originellen Entertainer mit der Teddy-Boy-Haartolle und der Hornbrille.

In die Jazz-Schublade ist Götz Alsmann eher zufällig geraten: 1995 nahm Universal den Mann aus Münster unter Vertrag. Das vielseitige Talent, das Klavier und Ukulele spielt, das singen kann und sich schon als Moderator im Radio und Fernsehen bewährt hatte, wurde als "Easy-Listening-Künstler" eingekauft.

Nun gehört der Easy-Listening-Katalog beim Plattengiganten Universal zur Jazz-Abteilung. "Durch diese Hintertür", sagt Alsmann, "landete ich zusammen mit (dem Akkordeon-Virtuosen) Hubert Deuringer und (dem Bigband-Leader) Ray Conniff im Universal-Jazzbereich." Alsmann blieb zwölf Jahre bei der Firma. In der Zeit gewann er etliche Jazz Awards. Den Preis vergibt der Bundesrat der Musikindustrie für Tonträger, die im Inland mindestens 10.000 Mal verkauft worden sind. Das ist kaum mit Musik zu schaffen, die nur die Jazzgemeinde anspricht. Also haben reine Jazzer wenig Chancen, während der unter der Jazz-Flagge segelnde Allround-Entertainer Alsmann die Awards spielend gewinnt.

Alsmanns Verbindung mit dem Jazz wuchs noch, als er im vergangenen Jahr von Universal zum legendären Jazz-Label Blue Note wechselte. Mit Namen wie John Coltrane, Miles Davis und Art Blakey in einem Katalog zu erscheinen, empfindet der Deutsche als "Ritterschlag". Seine erste Blue-Note-Studio-Produktion "Mein Geheimnis" war so erfolgreich, dass die Stücke dieser CD zusammen mit einigen Zugaben nun auch noch als Aufzeichnung eines Konzerts herausgekommen sind. "Mein Geheimnis Live" dokumentiert einen ungekürzten Auftritt in der Alten Oper in Frankfurt am Main und dauert in seiner DVD-Version fast zwei Stunden: Götz Alsmann, wie er leibt und lebt! Er reißt Witze; er erzählt nachdenkliche Geschichten; er hastet zum Klavier, um sich beim Singen selbst zu begleiten; er greift zur Ukulele. Noch ein Lied, noch ein Gag! Die Leute hören hingerissen zu, lachen, klatschen begeistert. Eine perfekte Show. Doch wo ist der Jazz?

Es gibt ihn schon, denn manchmal serviert der Mainstream-Unterhalter den Leuten tatsächlich Anklänge jener Minderheitenmusik. Das Unikum Alsmann swingt, wenn der Entertainer nach seinen Monologen Stücke am Piano einleitet. Im Zusammenspiel mit seinem Vibrafonisten erklingen Akkordfolgen, die an George Shearing erinnern. Die Arrangements lassen dem Star Alsmann und seinen vorzüglichen Musikern Raum für improvisierte Kurzsoli. Freilich muss man davon ausgehen, dass nur eine verschwindende Minderheit die Jazzelemente in der Show wahrnimmt.

Dabei steht völlig außer Frage, dass Alsmann viel vom Jazz versteht. Mit seiner Dissertation "Die unabhängigen Schallplattenfirmen der USA 1942–1962" machte der heute 51-Jährige seinen Doktor der Musikwissenschaft. Als ständig nach vergessenen Schätzen suchender Musiker verfügt Alsmann über eine Sammlung von über 10.000 Schallplatten und CDs; an der Zusammenarbeit mit Blue Note reizte ihn besonders der einmalige Archivschatz des Labels. "Ist Jazz nur durch Rhythmik gekennzeichnet, nur durch Improvisation? Oder ist Jazz auch gekennzeichnet durch ein bestimmtes Klangbild, durch einen bestimmten harmonischen Gehalt", sinniert Alsmann. In einem Interview mit der Journalistin Sarah Seidel spricht er von "einem bestimmten Jazzsentiment" und definiert seine Musik: "Das Klangbild ist Jazz, die Art der Arrangements ist zumindest Jazz geprägt." Die von ihm dargebotenen deutschen Schlager der Vergangenheit vergleicht Alsmann mit den Standards aus dem Great American Songbook; beide seien geeignetes Material für jazzige Variationen. "Ich versuche unter Beweis zu stellen, dass alte deutsche Schlager jazzfähig sind", sagt Alsmann. Bei etlichen Titeln gelingt ihm das.

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