US-Songwriter Jack Johnson "Meine Gitarre ist nur ein Arbeitsgerät"

Vom Surfer zum Popstar: Der hawaiianische Songwriter Jack Johnson sorgt mit einfacher Lebens- und Liebeslyrik für Furore in den amerikanischen Charts. Mit SPIEGEL ONLINE sprach der 29-Jährige über einen beinahe tödlichen Surf-Unfall, der sein Leben veränderte, und seine Musiker-Karriere wider Willen.

SPIEGEL ONLINE:

Herr Johnson, der US-Talkmaster Conan O'Brien hat Sie in seiner Sendung als "den einzig legitimen Nachfolger von Bob Dylan" bezeichnet. Ist so eine Bemerkung ein Kompliment oder eine Last?

Johnson: So ein Vergleich ist Nonsens. Bob Dylan hat über Jahrzehnte Herausragendes geschaffen und ist in seinem Werk unantastbar. Er ist wie Jesus - einmalig. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich fühle mich natürlich geschmeichelt, aber ernst nehme ich solche Vergleiche nicht. Dylan ist eine Ikone, und bei einem Vergleich mit einer Ikone verliert jeder.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben mit Ihren bisherigen drei Alben eine Begeisterung entfacht, mit denen kaum ein anderer Songwriter der jüngeren Generation mithalten kann. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Johnson: Ganz ehrlich, Sie fragen da den Falschen. Ich bin manchmal selbst ratlos und erstaunt, was da alles auf mich zurollt. Ich versuche in meinen Texten meine ganz persönlichen Gefühle zu vermitteln, und offenbar gelingt mir das ganz gut. Als ich mit der Musik angefangen habe, ging mir alles Mögliche im Kopf herum, vor allem Selbstzweifel. Aber nicht, dass sich eines Tages Menschen außerhalb meines Familien- und Freundeskreises für meine Songs interessieren könnten. Das war nie beabsichtigt und lag jenseits meiner Vorstellungskraft.

SPIEGEL ONLINE: Ihre ersten beiden Alben haben in den USA Platin-Status erlangt, Ihre dritte Platte, "In Between Dreams", ist auf dem besten Wege. Inzwischen betreiben Sie sogar ein eigenes Plattenlabel. Das hat sich einfach alles so ergeben?

Johnson: Es ist wirklich so. Ich habe mit 14 Jahren Gitarre spielen gelernt, aber das hatte nie etwas mit Ehrgeiz zu tun, sondern immer nur mit Spaß. Für mich war die Gitarre ein Instrument zum Zeitvertreib, auf dem ich meine Lieblingslieder nachspielen konnte. Bis heute sehe ich die Gitarre auch nicht als Seelentröster oder gar Geliebte an, wie so viele andere. Für mich war sie früher das Hilfsmittel dafür, sich mit ein bisschen Lagerfeuerromantik für die Mädchen interessant zu machen. Heute ist sie ein Arbeitsgerät.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind also ein erfolgreicher Sänger und Songwriter wider Willen?

Johnson: Manchmal sehe ich das wirklich so. Eigentlich habe ich meine Karriere nur einer Verkettung von Zufällen zu verdanken. Ich drehte nach meinem Studium an der Filmakademie von Santa Barbara Filme über die Surferszene. An einem Strand auf Hawaii sprach mich eines Tages ein Typ an, ein Surfer wie ich. Er sagte, dass ihm meine Platte ganz gut gefallen hätte und fragte, ob ich bald etwas Neues herausbringen würde. Ich wusste nicht, wovon er sprach, ich hatte bis dahin gar kein Album veröffentlicht. Erst später kam ich dahinter, dass er den Soundtrack zu meinem Film "Thicker Than Water" meinte. Der geisterte als Bootleg herum, und der einzige, der davon keine Ahnung hatte, war ich. Durch das positive Feedback habe ich mich das erste Mal ernsthaft mit der Idee auseinandergesetzt, weiter Musik zu machen.

SPIEGEL ONLINE: Wieso haben Sie als Regisseur den Soundtrack zu Ihrem eigenen Film aufgenommen?

Johnson: Ich habe mehrere Musiker gebeten, Songs beizusteuern, aber die haben nicht zu meinen Bildern gepasst. Also habe ich es mit meiner Gitarre selbst versucht. Ich bin selbst Surfer und habe einen Film für Surfer gemacht, da weiß ich genau, wie man mit Bildern und Musik Stimmungen erzeugt, die im Kopf haften bleiben. Musik ist ein wichtiges Element innerhalb der Surferszene.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Vater Jeff surfte in den sechziger Jahren als Erster von Hawaii nach Kalifornien und wird bis heute als Volksheld verehrt. Eigentlich wollten Sie ihm nacheifern und mit dem Surfsport Geld verdienen. Stattdessen haben Sie ein Filmstudium angefangen. Warum?

Johnson: Ich hatte mit 17 Jahren bei einem Rennen auf Hawaii einen schweren Unfall und lag mehrere Monate im Krankenhaus. Mich hatte es übel erwischt: etliche Knochenbrüche, inklusive Schädelbasisbruch. Wenn man eingegipst die Zeit totschlagen muss, hat man viel Zeit zum Nachdenken. Es war für mich das erste Mal, dass ich die volle Wucht des Elementes zu spüren bekam, das bis dahin mein zweites Zuhause war. Mein Vater hatte mir schon als Kind beigebracht, niemals den Respekt vor der Natur und dem Wasser zu verlieren, weil es unberechenbar ist. Ich schätze, bei dem Wettbewerb habe ich diese Regel vergessen.

SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie damals Angst vor der Zukunft?

Johnson: Sehr sogar, ich hatte mein Leben mit dem Surfen und den Wettbewerben geplant, ich bin da von Kindesbeinen an hineingewachsen. Der Unfall hat mich total aus der Bahn geworfen, ich war gelähmt, habe mich leer und nutzlos gefühlt. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hat es Wochen gedauert, bis ich mir wieder zutraute, auf einem Brett zu stehen. Aber es ging nicht, ich hatte die Leichtigkeit verloren. Das hat mir den Entschluss, Hawaii zu verlassen, sehr erleichtert. Auf Hawaii dem Surfen zu entgehen ist unmöglich, ich wollte damit nicht konfrontiert werden.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie aus Ihrem Unfall persönliche Lehren für Ihr Leben gezogen?

Johnson: Ich gehe seitdem Dinge langsam an. Damit bringe ich eine Menge Leute um mich herum auf die Palme, aber das ist mir egal. Wenn ich Gefahr laufe, wegen der Arbeit aus dem Ruder zu laufen, packe ich mein Surfbrett und gehe aufs Wasser. Das klappt seit Jahren wieder ganz gut. Alles im Leben funktioniert nur mit Lust und Leidenschaft, diese Einstellung lasse ich mir nicht kaputt machen. Ich habe mit Leidenschaft gesurft, habe mit der gleichen Hingabe Filme gedreht. Und durch die Filme habe ich die Musik für mich entdeckt. Ich habe mehr erreicht, als ich je wollte. Nicht durch einen Masterplan, sondern durch meinen eigenen, inneren Antrieb. Und jede Menge Spaß.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie keine Angst, dass Ihnen der Spaß eines Tages vor lauter Arbeit verloren geht? Immerhin haben Sie gerade Ihr eigenes Label Brushfire Records gegründet, das läuft ja nicht von alleine.

Johnson: Das stimmt, aber die Arbeit ist eng mit meinem Job als Musiker verknüpft. Ich sehe das als Ergänzung und nicht als Belastung. Zudem verschafft mir der Erfolg für mein Label Spielraum und Unabhängigkeit, das ermöglicht mir, meine eigene Vorstellung, die ich von Musik habe, zu verbreiten. Es macht mir Spaß, Leuten ein Forum zu geben, die meine Philosophie teilen, deswegen passen Donavon Frankenreiter und Garrett Dutton, der unter dem Pseudonym G. Love bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, gut in unser Repertoire.

SPIEGEL ONLINE: Beide sind ehemalige Surfer, so wie Sie.

Johnson: Beide sind alte Freunde, denen ich viel zu verdanken habe. Eine Hand wäscht die andere. Wobei ich nicht auf den kommerziellen Erfolg schaue, der ist mir egal. Ich möchte, dass mehr Menschen da draußen erfahren, dass neben Beyoncé und Bruce Springsteen auch noch andere Menschen gute Musik machen können. Aufmerksamkeit wäre schon ein wunderbarer Erfolg.

SPIEGEL ONLINE: Finden Sie das nicht ein bisschen arg idealistisch? Von Aufmerksamkeit allein kann man ja nicht leben.

Johnson: Natürlich ist das idealistisch. Aber was stört Sie daran? Ich habe gemerkt, dass ich mit meiner Musik etwas bewegen kann. Ich will mir jeden Tag ins Gedächtnis rufen, das mein Erfolg viel mit Glück und günstigen Umständen zusammenhängt, und vielleicht schafft es jemand auf meinem Label, einen ähnlichen Weg wie ich einzuschlagen. Erfolg ist nur jenen beschert, die sich ihren Idealismus bewahren und authentisch bleiben. Es wird mir vielleicht nicht gelingen, wie Einstein oder Bob Dylan die Welt zu revolutionieren. Aber Idealismus nährt die Leidenschaft. Würde ich die verlieren, würde ich auf der Stelle aufhören und etwas Anderes machen.

Das Interview führte Stéfan Picker-Dressel


Jack Johnsons drittes Album "In Between Dreams" ist am 11. April bei Universal Music erschienen. Jack Johnson auf Deutschland-Tournee: 7.5. Berlin, 8.5. Hamburg, 9.5. Köln.

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