
Bob Dylan: Der Unermüdliche
Bob Dylans neues Video Hiebe statt Liebe
Wenn es um Bob Dylan geht, geht es immer auch um Rätsel: Welches Duquesne ist eigentlich genau gemeint in seinem neuen Song "Duquesne Whistle"? Die Geisterstadt in Arizona, durch die der heiße Wüstenwind pfeift, "blowing like it's gonna sweep my world away", wie es im Text heißt? Oder ist das Duquesne in Pennsylvania gemeint, in dem einst der legendäre, von Dylan verehrte Jazz-Musiker Earl "Fatha" Hines geboren wurde, wie der US-Sender NPR vermutet?
Und überhaupt: Ist "Tempest", Bob Dylans in der nächsten Woche erscheinendes 35. Studioalbum, vielleicht sein letztes? Hieß nicht auch William Shakespeares letztes Drama "The Tempest"? Immerhin ist der Mann 71 Jahre alt!
Ganz ruhig: Dylan will vom Aufhören noch nichts wissen. "Shakespeares letztes Stück hieß 'Der Sturm', es hieß nicht einfach 'Sturm'", sagte der Künstler in vertrauter Trockenheit dem amerikanischen "Rolling Stone"-Magazin. "Der Name meines Albums ist ganz einfach 'Tempest'. Das sind zwei verschiedene Titel."
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Urteilt man vom beschwingten Ragtime seiner neuen Single, dann fällt es tatsächlich schwer, sich Dylans nahendes Karriereende vorzustellen. Eigentlich, sagte er dem "Rolling Stone", habe er ein Album mit religiösen Themen aufnehmen wollen, aber letztlich habe ihm dafür die Konzentration gefehlt, es sei schließlich sehr schwer, so monothematisch zu arbeiten. Stattdessen gibt es auf "Tempest" nun andere Songs, deren Entwürfe dem Altmeister offenbar leichter gefallen sind - darunter das rund 14 Minuten lange Titelstück, das in 45 Versen vom Untergang der "Titanic" erzählt.
Was macht denn Gene Simmons da!?
Klar ist: Für Überraschungen ist der erstaunlich vitale Sänger, Songschreiber und Gitarrist auch im fortgeschrittenen Alter noch gut. Auf seiner never ending Tournee gibt er sich zuweilen jovial und tänzelt ein wenig hinter seinem Keyboard, ließ sich unlängst sogar ein Piano auf die Bühne rollen, auf dem er beherzt herumklimperte.
Im Videoclip zu "Duquesne Whistle" schlendert er nun durchaus viril als weiße Ausgabe eines "Pimps" durch die nächtlichen Straßen einer amerikanischen Stadt, hinter ihm eine Gang aus Nutten und Bouncern, der eine trägt dem keck behüteten Kiez-Paten brav den Gitarrenkoffer hinterher, ein anderer sieht aus wie Gene Simmons in kompletter Kiss-Montur. Dylan trägt ein lässiges Lächeln im Gesicht - er hat alles gesehen, alles erlebt.
Daher kann er wohl auch nur altersweise schmunzeln über den jungen Burschen, der ihm aus einem Van vor die Füße geworfen wird. In einer Parallelhandlung ist zu sehen, wie der Junge einem hübschen Mädchen den Hof macht - und dafür erst mal eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht kriegt. Da er der Angebeteten eine Rose klaute, wird er von der Polizei verfolgt, verhaftet, eingesperrt, entlassen, dann von einer Schlägertruppe vermöbelt. Baseballschläger auf Kniescheiben: Romantiker haben's schwer, sagt dieser wie ein Kinotrailer inszenierte Kurzfilm, dessen Brutalität irritierend mit der tändelnden Harmlosigkeit der Musik kontrastiert.
Gedreht wurde das Video von Nash Edgerton, der mit Dylan bereits die Clips zu "Must Be Santa Claus" und "Beyond Here Lies Nothin'" drehte. Tape.tv und SPIEGEL ONLINE zeigen "Duquesne Whistle" exklusiv in Deutschland.