Zum Tod von Visage-Sänger Steve Strange Erst Punk, dann Paradiesvogel

Er verkörperte den New-Romantic-Stil: Mit der Band Visage sang Steve Strange "Fade to Grey", als Türsteher im Blitz-Club wählte er aus, wer zur Szene gehören durfte. Nun ist der Brite in Ägypten gestorben, er wurde nur 55 Jahre alt.

Vielleicht kam der Höhepunkt des zu kurzen Lebens des Steve Strange schon früh: Als David Bowie 1980 für seine Single "Ashes to Ashes" ein Musikvideo drehen ließ, trat auch der junge Waliser darin auf - eine große Ehre für jemanden, der in London mit einer Klubnacht bekannt wurde, die als Hommage an den Bowie-Song "A Club for Heroes" hieß.

Zusammen mit seinem Mitbewohner Rusty Egan startete Strange im Juni 1978 eine wöchentliche Party in einem Lokal in Soho namens Billy's; bald zog das Duo um nach Covent Garden, in den größeren Blitz-Club. Veranstalter und Gäste wurden bald so notorisch, dass man nur noch von den "Blitz-Kids" sprach.

Die Musik suchte Rusty Egan aus, eine Mischung aus David Bowie und dessen Einflüssen aus der Berliner Phase mit Disco-Songs und frühem Elektro-Pop - eine willkommene Abwechslung zu einer Zeit, in der der Punk-Schock musikalisch abgeflaut war.

"Weird and wonderful"

Noch wichtiger jedoch war die Rolle von Steve Strange, der an der Tür des Clubs diejenigen auswählte, die in seinen Augen "weird and wonderful" genug waren, um Glanz in den Abend zu bringen. So wurde jeder Gast zur Diva, selbst zum Star; es war "ein sicherer Ort für uns Freaks, um durch die Nacht zu tanzen", schwärmte der spätere Popstar Boy George über die Szenerie im Blitz.

"Die Jugend übernahm die Initiative", beschrieb das Magazin "The Face" das Innovative an den Klubnächten von Steve Strange und Rusty Egan. Aus den Blitz Kids wurden Fotografen, Filmemacher, Modedesigner, Tänzer - und auch ein paar Musiker: Die Mitglieder von Spandau Ballet gingen dort ein und aus, und Boy George, der im Blitz an der Garderobe arbeitete, gründete später die Band Culture Club.

Bald wurde die Szene "New Romantic" genannt, weil sie anders als Punk nicht mehr auf Hässlichkeit setzte, sondern aus Einflüssen aus den Zwanzigern und Fünfzigern mit einigen futuristischen Elementen einen extrem durchästhetisierten Stil erfand - für den sich der Stilist David Bowie natürlich begeisterte und die Blitz-Kids in sein Video holte.

Doch Steve Strange wurde auch selbst zum Popstar: Er gründete die Band Visage, "eine Vereinigung von Punk-Gescheiterten, die einen zweiten Versuch unternahmen, Stars zu werden", wie der britische Musikjournalist Simon Reynolds einmal lästerte. Tatsächlich waren Mitglieder der Rich Kids, von Ultravox und Magazine dabei.

Sein größter Fehler: Heroin

Und auch Steve Strange war durch Punk aus der walisischen Provinz nach London gelockt worden: Beim Sex-Pistols-Konzert 1976 in Caerphilly freundete sich der als Steven Harrington Geborene mit dem Bassisten Glen Matlock an; in der Hauptstadt arbeitete der Teenager für Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren.

Visage aber standen für die neue Zeit, nach Punk. 1981 hatten sie ihren größten Hit, "Fade to Grey", ein elegant dahinfließender Elektro-Popsong mit französischem Frauengesang, einer einnehmenden Synthesizer-Melodie und kühlen Beats. In Deutschland waren Visage damit sogar auf Platz eins der Singlecharts, doch auch im Rest Europas war der Song ein großer Erfolg.

Zuhause in Großbritannien hatten Visage noch weitere, kleinere Hits wie "Mind of a Toy" oder "The Damned Don't Cry", bevor die Band daran auseinanderbrach, dass ihre Mitglieder zu viele anderweitige Verpflichtungen hatten, insbesondere die Ultravox-Mitglieder Midge Ure und Billy Currie. Strange versuchte, Visage mit wechselnden Musikern weiter am Leben zu erhalten, gab dann aber 1985 auf.

Mitte der Achtziger machte Steve Strange dann, nach eigener Aussage bei einer Modenschau in Paris, den Fehler, den er später als "den größten seines Lebens" bezeichnen sollte: Er nahm Heroin. Es führte zu einem persönlichen Niedergang, der spätestens dann öffentlich wurde, als er Ende der Neunzigerjahre wegen Ladendiebstahls verhaftet wurde - er hatte seinem Neffen eine Teletubby-Figur stehlen wollen.

Seit 2004 war Steve Strange wieder mit Visage aktiv, auf Achtzigerjahre-Retro-Veranstaltungen. Der "Daily Mirror" berichtet, er sei Ende 2014 in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert worden; doch man habe seinen Zustand offenbar für nicht allzu bedrohlich gehalten. Nun ist Steve Strange in einem Krankenhaus im ägyptischen Scharm el-Scheich an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde nur 55 Jahre alt.

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