Web-Anti-Popstar Rebecca Black Hallo, ich bin deine Hassfigur

Netz-Sensation "Friday": Der (un-)populärste Song der Welt
Niedlich ist das Mädchen, zarte 13 Jahre jung - und sehr erfolgreich: Rebecca Black macht gerade weltweit Schlagzeilen. In nur zehn Tagen wurde allein die Originalversion ihres ersten Musikvideos "Friday" bei YouTube 29 Millionen-mal abgerufen (Stand am Montag). Wie üblich ohne deutsche Beteiligung, denn hierzulande ist das Video in autorisierter Fassung wegen des laufenden Streits zwischen Google und Gema nicht zu sehen. Das macht aber insofern nichts, weil Kritiken und Kommentare auch ohne deutsche User vernichtend ausfallen: "Friday" sei das "schlechteste Lied aller Zeiten", das "auf krank machende Weise im Ohr hängen" bliebe, lautet ein noch verhältnismäßig positives Urteil.
Die Zahl der YouTube-üblichen Antwortvideos auf den Song geht mittlerweile in die Hunderte, mindestens: Da wird gespottet, parodiert und gelästert. So gibt es bereits eine Version des Songs in fünffacher Verlangsamung, eine vermeintliche Bob-Dylan-Variante, eine genauso falsche von Meat Loaf, rückwärts laufende Bearbeitungen und eine rasant wachsende Zahl von Akustik-Cover-Ablegern (siehe Auswahl auf den Folgeseiten).
Doch warum regt sich überhaupt jemand über das Lied auf? Gute Frage. "Friday" wirkt wie locker-flockiges Pop-Tralala aus der Dose, absolut Kinderdisco-kompatibel. Man hat schon Besseres gehört, aber auch Schlechteres - mit weniger wird man hierzulande schon David Hasselhoff. Und das Video zumindest versprüht den "Fun, Fun, Fun!"-Charakter, den der Refrain so eifrig beschwört.
Vielleicht liegt es ja am Text . Folgt man den Kommentaren bei YouTube, beleidigt der selbst Rebeccas pubertierende Altersgenossen. "Friday" gibt in Elementarsatz-Strukturen den Tagesablauf einer 13-Jährigen wieder, die sich auf das Wochenende freut: eine Abfolge von Sinneseindrücken, quasi in Echtzeit in den Liedtext getwittert. So gesehen, könnte man "Friday" sogar als Kommentar zur Zeit verstehen.
Blacks Protagonistin jedenfalls steht auf, frühstückt, muss zur Schule, steht an der Bushaltestelle, sieht ein Auto, erkennt darin ihre Freunde, und dann kommt es zum dramatischen Höhepunkt: "Kickin' in the front seat / sittin' in the back seat / gotta make my mind up / which seat shall I take?" Kurz übersetzt: Vorne oder Hinten, ich muss mich entscheiden, wo soll ich mich hinsetzen?
Der Bieber-Faktor
Oh, Entscheidungsnot! Prompt entbrennt bei YouTube eine Diskussion darüber, warum sie überhaupt einsteigt, wo sie doch auf den Bus wartet. Ein User findet die Antwort: "Bei der Menge an Sitzmöglichkeiten im Bus hätte Rebecca Black eine verdammte Panikattacke bekommen!" Abgesehen von der Sitzplatzfrage bietet das Lied auch Erkenntnisse: "Tomorrow is Saturday / and Sunday comes afterwards / I don't want this weekend to end." Für die Lästermäuler im Web ist der Text eben eine einzige Steilvorlage.
Während das Web noch über derlei Kalenderblatt-Lyrik spottet und höhnt, geht das Phänomen im platteren Medium Fernsehen bereits in die nächste Phase: US-TV-Sender handeln Rebecca als weibliche Antwort auf Justin Bieber. Weil sich die junge Amerikanerin in einem Interview als dessen Fan geoutet hat ("Ich liebe ihn!"), wird über weiterreichende Kooperationen spekuliert, sollten die beiden sich je kennenlernen: Ein Liebespaar, ein Liebespaar, hui, wie aufregend! Bieber heizte derlei Phantasien noch an, als er den Black-Song per Twitter kommentierte: "Sonntag kommt nach Samstag? Seltsam!"
Aber vielleicht ist all der Rummel ja nur eine satirische Aktion? Will uns jemand den Spiegel vorhalten? Uns zeigen, wie hirnlos das Pop-Business ist? Immerhin wird das Stück von Ark Music Factory vertrieben, die sich selbst als Indie-Label bezeichnen: So richtig passt Rebeccas Tralala in das Genre nicht. Ark Music allerdings auch nicht. In Wahrheit ist das Label aus Los Angeles ein Pay-Studio, das jeden verlegt, der zahlt. "Friday" wurde von Rebeccas Eltern finanziert, wie ABC News berichtete, von 2000 Dollar ist die Rede, was nahelegt, dass der Song ernstgemeint ist.
Ark Music hat inzwischen sogar einen offiziellen Remix nachgelegt, berappt von einem weiteren seiner Star-Aspiranten. Den Klingelton kann man ebenfalls erwerben, iTunes allerdings kategorisiert das kommerziell schon jetzt erfolgreiche Lied als "Children's Music". Soll wohl heißen: zu platt für erwachsene Ohren. Doch ob hirnlos oder nicht: In den weltweiten iTunes-Charts ist das Lied schon auf Platz 25 gelandet (und damit vier Plätze vor Justin Bieber), bei Amazon gibt es bereits mehrere "Saturday"-Parodien.
Mittlerweile hat sich Rebecca Black in mehreren Interviews dazu geäußert, wie sehr sie die Spott- und Hass-Welle aus dem Web verstört und verletzt habe. Zugleich steigert gerade das ihre Popularität. Ein absolut webtypisches Phänomen: Es gibt anscheinend eine Schwelle, an der Dinge deshalb erfolgreich werden, weil sie im Web besonders unpopulär sind. Ein Nutzer beim Twitter-Konkurrenten iYoozy bringt das auf den Punkt: "Liebe Rebecca Black. Wir hassen Dich nicht, weil Du berühmt bist. Du bist berühmt, weil wir Dich hassen."
Rebecca Black unternimmt - willentlich oder nicht - alles dafür, diesen Effekt weiter zu befeuern. Am Sonntag veröffentlichte sie via US-Fernsehen ein Unplugged-Video, das kaum dazu geeignet scheint, die Debatte um ihr Talent zu beenden:
Auch dieser Auftritt dürfte den Umsatz nicht schmälern - und schon gar nicht verhindern, dass bald Single Nummer zwo und dann das Album folgen. Außer, Rebecca sollte die Gunst der US-Fernsehtalker, die sie derzeit durchreichen, doch verlieren. Erste ernsthafte Kritik wurde bereits laut: Ihr Video tauge nicht als Teenie-Entertainment, weil es kein gutes Beispiel setze. Im Film sei klar zu sehen, dass Rebecca und ihre Freunde Auto fuhren, ohne angeschnallt zu sein.
Wir lernen: Doof ist zwar okay. Aber nicht ohne Sicherheitsgurt.
Sehen Sie auf den Folgeseiten ausgewählte YouTube-Antworten auf das "Friday"-Video. Viel Spaß beim durchklicken und gucken.