X-Ray-Spex-Sängerin Punk-Ikone Poly Styrene ist tot
Mit ein paar gesprochenen Worten hat Poly Styrene Musikgeschichte gemacht. Es war 1977, es war das Intro der ersten Single ihrer Band X-Ray Spex. "Some people think that little girls should be seen and not heard", sagte die Sängerin im Kleinmädchentonfall - und schrie hinterher: "Oh bondage, up yours!" Nur gesehen und nicht gehört zu werden, einer solchen Beschränkung rief sie ein "Ihr könnt mich mal!" entgegen.
Nur ein Album veröffentlichten X-Ray Spex, "Germ Free Adolescents" erschien 1978 und wurde ein Punk-Klassiker mit Statements wie "I'm a cliché" oder "I'm a poseur and I don't care" nahm Poly Styrene die herkömmlichen Rollenmodelle des Rock aufs Korn. Sie trat bei "Top Of The Pops" mit riesigen Zahnspangen auf und sagte dem Musikmagazin "NME": "Ich bin kein Sexsymbol, und wenn irgendwer versuchen sollte, mich zu einem zu machen, rasiere ich mir am nächsten Tag die Haare ab."
Poly Styrene wurde 1957 als Marianne Joan Elliott-Said in Bromley (Grafschaft Kent) geboren. Dem "Guardian" erzählte sie, sie habe schon als Fünfjährige Protestsongs geschrieben, wenn sie Fleisch zu Essen bekommen sollte. Die Inspiration, tatsächlich Sängerin zu werden, gab ihr allerdings ein schlecht besuchtes Konzert der Sex Pistols im englischen Seebad Hastings. Nach einer Reggae-Solosingle gründete sie X-Ray Spex (etwa: "Röntgen-Brille") und ging in der Londoner Punkszene auf, aus der sie als Frau und mit dunkler Hautfarbe allerdings deutlich herausstach.
"Punk bedeutete mir nichts, aber X-Ray Spex und Poly Styrene gaben mir das Selbstvertrauen, ich selbst zu sein", sagte kürzlich Beth Ditto von der Band The Gossip; auch Musikerinnen wie Kathleen Hanna von Le Tigre oder Karen O von den Yeah Yeah Yeahs benannten Poly Styrene in jüngerer Zeit als Vorbild.
Nach einem Soloalbum ("Transluscence", 1980) ging sie für fünf Jahre mit ihrer Tochter Celeste in einen Krischna-Tempel, den sie aber verließ, als sie verheiratet werden sollte.
Mehrmals gab es seit den Neunzigern kurzfristige Wiedervereinigungen von X-Ray Spex, doch zuletzt veröffentlichte Poly Styrene ein optimistisches und kämpferisches Soloalbum namens "Generation Indigo", produziert von dem Killing-Joke-Musiker und Star-Produzenten Youth, das sehr gute Kritiken bekam. Kurz nach Beendigung der Aufnahmen Ende 2010 wurde bei Poly Styrene eine Brustkrebs-Erkrankung festgestellt, die bereits auf andere Organe übergegriffen hatte.
Trotzdem gab sie vom Krankenbett aus Interviews zur Werbung für ihr Album. Darin hatte sie nichts von ihrer Wut auf die sexualisierte Darstellung von Frauen in der Gesellschaft verloren: "Ich habe eine Fernsehsendung gesehen, in der eine Klassiksängerin ihr Album vorstellte. Es ging die ganze Zeit nur um ihr Aussehen. Als sei es die Aufgabe männlicher Musiker, uns mit ihrer Musik zu erfreuen, und die von Frauen, mit ihrer Schönheit zu beglücken."
Am Montagabend starb Poly Styrene mit 53 Jahren, wie auf ihrer offiziellen Website bestätigt wurde.