
Yello in Berlin: Ententanz, zack-zack!
Live-Premiere in Berlin Einmal Pommes mit Yello, bitte
Irgendwas muss wohl immer schiefgehen, wenn Yello live auftreten. Schon beim allerersten Konzert der beiden Schweizer, einer rund viertelstündigen Performance am Silvesterabend 1983 im New Yorker In-Klub Roxy, gelang es Boris Blank nicht, seinen damals wegweisenden Sound aus dem Fairlight-Computer adäquat auf die Bühne zu bringen. Angeblich soll zwischendurch sogar der Strom ausgefallen sein. Für einen Perfektionisten wie Blank muss das traumatisierend gewesen sein.
Wahrscheinlich dauerte es auch deshalb mehr als 30 Jahre, bis Yello - seit Gründung im Jahre 1978 aus dem stillen Klangbastler Blank, 64, und dem exzentrischen Sänger Dieter Meier, 71, bestehend - wieder live auftraten, und zwar am Mittwochabend in Berlin. Während Yello Anfang der Achtziger als Elektro-Avantgardisten mit Dada-Touch gefeiert wurden, werden sie heute als sympathisch schrullige Pioniere mit Veteranen-Charme verehrt. In langen Abständen veröffentlichen die beiden neue Musik, zuletzt erschien Ende September das Album "Toy".
Für die Live-Aufführung der Werkschau aus altem und neuem Material wurde erneut eine Tanz-Location ausgewählt, das Kraftwerk Berlin, ein ausgedientes und entkerntes Heizkraftwerk in Kreuzberg, das den Techno-Klub Tresor beherbergt und das Experimentalmusik-Festival Atonal. Für Yello wurde die weitläufige und hohe, an eine Kathedrale aus Beton erinnernde Generatorhalle hergerichtet. Tanzen war jedoch keine Option: In Erwartung eines älteren und gesetzteren Publikums, das dann auch zahlreich erschienen war, hatte man ordentliche Reihen mit Plastikstühlen vor der breiten und erhöhten Bühne am Ende des Raums aufgestellt.
Eine gewisse Deftigkeit
Das ergab eine angemessen feierliche und gediegene Atmosphäre. Die jedoch gleich zu Beginn mit wenig vornehmen Gerüchen konterkariert wurde. Wie man hörte, war es Dieter Meier - Bankierssohn, Millionär, Entrepreneur, Pokerspieler, Rinderzüchter und Biofarmer sowie Betreiber mehrerer fleischaffiner Restaurants -, der den Wunsch hatte, seinen Premierengästen auch etwas zu essen anzubieten. Also wurde im Erdgeschoss des Kraftwerks eine Imbissbude errichtet, in der Wurst, Burger und Pommes sowie süße Waffeln angeboten wurden. Da aber die Architektur des Kraftwerks eine eher offene und durchlässige ist, zogen die Fritteusendünste nach oben und erstickten jede beabsichtigte Eleganz des Konzerts im Bratfettmief. Irgendwas geht halt immer schief.
Allerdings, könnte man hämen, erhielt die ansonsten erschreckend blutleere Show dadurch zumindest eine gewisse Deftigkeit. Denn "fett" war das, was Meier und Blank, der sich auf einer grotesk hohen Kanzel in seinen Gerätschaften verschanzt hatte, in rund hundert Minuten darboten, leider nur selten.
Nur einmal, als Meier mit einer launigen Anekdote aus der Frühzeit des Duos den Hit "Bostich" (1980) anmoderierte, der dann prätechnoid wummernd durch die Halle tuckerte, verspürte man den Drang, Hüften und Beine zum Groove zu bewegen. Das restliche Programm animierte höchstens dazu, es Dieter Meier nachzutun, dessen typischer Tanzmove ja bekanntlich darin besteht, mit parallel vor der Brust verwinkelten und hochzuckenden Armen eine Art zackigen Ententanz aufzuführen. Würde man das weniger exaltiert ausüben, wäre es so etwas wie ein Schulterzucken.
Guckkasteneffekt
Dabei waren Meier und Blank durchaus mit Herz und Enthusiasmus bei der Sache. Zu Beginn merkte man ihnen die Nervosität noch ein wenig an, vor allem Blank, der Bühnenphobiker, charmierte mit artig-verschüchterten Thank-yous ins ebenso höflich applaudierende Publikum. Um die Bühne zu füllen, hatten die beiden eine umfangreiche Band mitgebracht, einen Drummer und einen Perkussionisten, ein fünfköpfiges Bläserensemble, drei Tänzerinnen und einen Gitarristen sowie die Sängerinnen Maria und Fifi Rong, die Meier bei einigen Stücken unterstützten oder gleich ganz allein sangen. Im Hintergrund liefen, leider oft asynchron zu den Live-Gesängen, die entsprechenden Videoclips zu den Songs aus 35 Jahren Bandgeschichte.
Genau das sorgte aber für einen distanzierenden Guckkasteneffekt, den Meier eigentlich, wie er in einem Interview vor den Konzerten gesagt hatte, unbedingt vermeiden wollte. Nur wenig sprang von der Bühne ins Publikum über. Angesichts der besonderen Örtlichkeit hätte man erwarten können, dass der Raum mehr in die Performance eingebunden würde, mit Licht, Animationen, eigens angefertigten Visuals oder Klangkonzepten.
Doch leider wirkte das Bühnenkonzept so abgestanden wie inzwischen auch die einst so spritzige Musik von Yello. Elektropop und Teile von Techno und House haben vor allem Boris Blank viel zu verdanken, doch in performativ geballter Form dargeboten, offenbart sich dann doch eine gewisse Einförmigkeit der Variation karibischer und südamerikanischer Rhythmen, die vor eine stetig, aber unaufgeregt voranstampfende Beat-Lokomotive gespannt werden und von Meier mit impulsiv-expressiven Gebrabbel und Gebrumm begleitet werden. Das klang zuletzt modern, als es britische Musiker wie Fatboy Slim, Propellerheads oder die Chemical Brothers Ende der Neunziger kurzzeitig in coole Klubsounds verwandelten und es Big Beat nannten.
Doch Blank und Meier scheinen mit der eigenen Musealisierung kein Problem zu haben. Nach einer herzig verhaspelten Einführung gaben sie zusammen oben auf Blanks Kommandostand den Evergreen "Oh Yeah", und als Zugabe folgte natürlich mit "The Race" noch der wohl allergrößte Yello-Hit. Auch schon bald 30 Jahre alt.
Zuvor aber, bei "Si Senor The Hairy Grill" (1987), vergniedelten sich die Elektro-Vorreiter in einem furchtbar rockistischen Finale samt Drum- und Gitarrensolo und sehr ausgedehnter Vorstellung des guten Dutzends Bühnenmitstreiter. "We survived the very first live act in 35 years", rief Dieter Meier erleichtert (und historisch leicht aufgerundet) ins Publikum, das sich inzwischen zu Standing Ovations erhoben hatte. Wir dann irgendwie auch.
Weitere Yello-Konzerte: 28., 29. und 30. Oktober im Kraftwerk Berlin