SpongeBOZZ "Ich bin halt ein Judenrapper, mein Gott"

Ganz viele Davidsterne - Dimitri Chpakov tritt im SpongeBob-Kostüm auf und wird als "jüdischer Rapper" verkauft. Riecht nach Ethno-Marketing. Oder rappt ein Jude anders?
Von Dmitrij Kapitelman

Seit Dimitri Chpakov in einem SpongeBob-Kostüm rappt, dass er massenweise Drogen verkauft, ist er berühmt, millionenfach geklickt auf Youtube. Ohne Verkleidung rappte Chpakov viele Jahre lang ebenso technisch herausragend wie erfolglos, war als Sun Diego sogar eine Hassfigur der Szene, da er seine Refrains sang und den Stimmverzerrer Auto-Tune einsetzte. "Vom meistgehassten Mann zum gemachten Schwamm", reimt SpongeBOZZ heute stolz, vor einem Lamborghini stehend. Und hat mit 28 Jahren eine Autobiografie verfasst, gemeinsam mit Dennis Sand, Redakteur der "Welt".

Ist ja richtig, Chpakovs Leben liefert viel Erzählstoff: mit drei aus der Ukraine nach Deutschland. Der Vater, ein Säufer, kommt nicht mit. Der neue Stiefvater in Düsseldorf ist ein Drogendealer, der früher russischer Elitesoldat war und die einst erlernten Qualifikationen nutzt, um Kehlen von Kokainkonkurrenten aufzuschlitzen.

Wieder Flucht mit Oma und Mutter nach Osnabrück. Armut, falsche Freunde, Drogen. Rapmusik als Rettung. Doch nicht. Edekas ausrauben, wie der elende Stiefvater Drogen verkaufen. Rapmusik als Rettung. Immer noch nicht. Stattdessen Schutzgelderpressung und gierige Plattenbosse, Verrat unter Brüdern. Große Liebe, rundes Bäuchlein, riesiger Druck. SpongeBOZZ. Planktonweed, Krabbenkoks. Durchbruch!

Ich verstehe es nicht

"Yellow Bar Mitzwa" heißt das Buch, das diese Erfolgsgeschichte in äußerst zugänglicher Jugendsprache erzählt. So weit, so legitim. Vor allem wird Yellow Bar Mitzwa aber als Autobiografie des ersten jüdischen Rappers in Deutschland vermarktet. Der Verlag betont: "Das Spannende - anders als alle anderen Gangster Rappern, die ja eher im arabisch-muslimischen Milieu daheim sind, ist er bekennender Jude."

Das ist das Spannende? Nicht sein Talent, sein Weg, sein absurdes Kostüm-Gangstergimmick oder seine Message?

Menora und Davidstern mussten auf das Titelbild und in den Trailer, in dem zum Schluss eine Judengeige vor sich hinkrächzt. Und ganz viele Davidsterne, nach jedem Textabschnitt. Das ist offenbar eine gestalterische Eigenheit des Riva-Verlags, der auch schon die Lebensgeschichten von Bushido, Xatar, Fler, eigentlich fast aller deutschen Rapper druckte.

Beim Goldräuber und langjährigem Gefängnisinsassen Xatar trennten Pistolen die Passagen. Beim Berliner Rapper Silla, der über seinen Kampf mit Alkoholsucht schrieb, waren es drei Fläschchen. Und bei SpongeBOZZ sind es nun Davidsterne.

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Tatsächlich befasst sich Chpakov keine drei Seiten explizit damit, dass er Jude ist. Ihm ist beispielsweise viel wichtiger klarzustellen, dass die, die seinen Sound damals "schwul" nannten, heute mit genau diesem Sound Geld verdienen. Oder, dass er kein Schutzgeld zahlt. Manchmal steht der Davidstern bei Passagen wie: "Squirty hampelte oberkörperfrei herum wie der letzte Homo." Oder: "Wir waren wie zwei verliebte Fotzen." Wahlweise auch: "Ich hatte eine gute Connec, von der ich unfassbar reines Kokain aus Holland besorgen konnte."

Was hat das mit dem Judentum zu tun? Was soll damit transportiert werden? Ich verstehe es nicht. Tut ein Jude alles, was er tut, wie ein Jude? Sollen jüdische Symbole bei der vornehmlich jungen Leserschaft neu konnotiert werden und so das Recht der Juden auf Asozialität erstritten werden?

Dmitrij Kapitelman
Dmitrij Kapitelman

Dmitrij Kapitelman wurde 1986 in Kiew geboren. Er arbeitet als freier Journalist und Schriftsteller. 2016 veröffentlichte Kapitelman "Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters", in dem Buch setzt er sich mit seiner Familiengeschichte und seiner jüdischen Identität auseinander. 2021 erscheint sein zweiter Roman im Hanser Verlag.

Im Schlussteil schreibt Chpakov, dass es ihm eine "absolute Herzensangelegenheit" gewesen sei, sich zu seiner jüdischen Identität zu bekennen. "Die Kids haben viele muslimische, christliche, deutsche, türkische, amerikanische, libanesische oder kurdische Vorbilder. Einen Juden als Identifikationsfigur gibt es in der Deutschrap-Szene bislang nicht. Ich dachte also, es wird Zeit, ein selbstbewusstes Statement zu setzen." Demgegenüber könnte man einwenden, dass es schon lange einen Ben Salomo gibt. Der wöchentlich die populäre Freestyle Battle-Veranstaltung "Rap am Mittwoch" moderiert, Judenwitze fiesester Sorte gegen sich erlaubt und diese - ganz ohne Kostüm - live kontert. Geschenkt.

Auf den letzten Zeilen, so viel sei vorwegerzählt, im Gefängnis auf unbestimmte Zeit festgesetzt, wendet sich Chpakov zum ersten Mal an Gott: "Ich schloss meine Augen und betete: Barukh atah Adonaj, sho - war Ojwim umachnia Sedim." Es scheint so künstlich für das Finale herbeigeschrieben. Oder doch nicht? Ich würde das gern wissen. Als Journalist und als Jude.

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Wir landen doch wieder beim Judentum

Ich bekomme die Chance, Chpakov persönlich zu fragen. In einem betulichen Kölner Café, das ansonsten voller kuchenkauender Senioren ist. In das kommt Chpakov, begleitet von drei Bomberjacken tragenden Männern, dem Co-Autor Dennis Sand und einer sehr schönen Frau, die als einzige nicht vorgestellt wird. Fotos sind ausgeschlossen und auch die Tonspur, die mein Handy aufnimmt, darf auf keinen Fall publik werden. Ansonsten aber ein sehr offener, gutwilliger und verständnisvoller Gesprächspartner, den ich Dima nennen darf.

"Dima, ich will ehrlich sein. Für mich riecht die Darstellung deines Buches nach Ethno-Marketing."

"Du meinst, dass die Judensymbolik aufgesetzt ist?"

"Ja."

"Aber wir sind im Entertainmentgeschäft. Man verwendet heutzutage seine religiöse Symbolik, seine Wurzeln, seine Identität. Das ist ganz normal, das machen andere Rapper genauso. Nur, dass sie keine Juden sind. Deswegen wird bei denen auch nicht so nachgefragt. Man spielt damit. "

"Also spielst du nur damit?"

"Ich bin halt ein Judenrapper, mein Gott. Auch wenn nicht das ganze Buch um Judentum und Religion geht. Was hätte ich denn sonst als Cover nehmen sollen. Meinen Stiefdad, der gerade jemandem die Kehle durchschlitzt? Oder Drogen?"

Rapper SpongeBOZZ in Köln

Rapper SpongeBOZZ in Köln

Foto: Oliver Berg/ dpa

Der Journalist Dennis Sand schaltet sich ein: "Er setzt ein Signal in die deutsche Rapszene, indem er stilistisch mit jüdischen Elementen spielt. Ohne sich gleichzeitig politisch zu äußern. Er möchte sich auch nicht politisch äußern, weil er ist eben kein Politiker. Er ist ein Künstler. Er benutzt künstlerische Mittel, um gewisse Identitäten zu vermitteln."

Ist das schlüssig? Hätte ich nicht noch zwanzig Minuten darüber debattieren sollen? Vielleicht ist ein plakativ jüdischer Gangsterrapper ja genau das Richtige, im neuen Deutschland der Heimatministerien. Vielleicht hätte ich einfach das Thema wechseln und lieber nachfragen sollen, ob sich die Lizenzabteilung vom echten SpongeBob je gemeldet hat. Und nach dem Frauenbild im Buch, das zwischen Oma-Mama-Ehefrau-Heiligsprechung und Gangbangfotzen schwankt. Mehr zum Realitätsgrad der Verhaftung erfragen, mit der das Buch beginnt und endet. Wobei, hier macht Chpakov ohnehin zu. "Wegen laufender Ermittlungen."

Und so landen wir doch wieder beim Jüdischsein.

"Das Gebet ganz zum Schluss. Hat es das wirklich gegeben?"

"Nein."

"Nur für das Buch?"

"Ja."

Ein paar Sekunden unangenehmer Stille.

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